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17
02
2008

Dass die Schweizer Running-Szene boomt, ist nicht neu. Was aufhorchen lässt, sind die Zuwachsraten auf hohem Niveau. Fast eine halbe Million LäuferInnen und Nordic-WalkerInnen nahmen letztes Jahr an Wettkämpfen teil.

Laufszene Schweiz – Running-Boom mit neuen Rekorden – Heinz Schild über die Entwicklung des Laufsports in der Schweiz

By GRR 0

Die Schweizer Laufszene stellt Heinz Schild im folgenden Beitrag vor. Er ist profunder Kenner des Laufsports in der Schweiz als Kommentator und als Organisator. Den Lesern von German Road Races schon als mehrfacher Berichterstatter bekannt. Heinz Schild war nicht nur jahrzehntelang beim Schweizer Rundfunk für die Information Bern zuständig, sondern er begründete den Grand Prix von Bern und den Jungfrau Marathon. Bei unzähligen Laufveranstaltungen der Schweiz war Heinz Schild als Sprecher tätig. Er ist selber immer noch als Läufer aktiv.

Die „Leichtathletik ausser Bahn“ ist definitiv aus der Bahn geraten, eine Entwicklung, welche die Leichtathletik, auch aus Sicht des Breitensports, zu neuen Ufern aufbrechen lässt. Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich die Laufszene Schweiz geradezu gigantisch entwickelt. Fast eine halbe Million Läuferinnen und Läufer (inkl. Nordic Walking) nimmt an Wettkämpfen teil.

„Bin zum ersten Mal den K21 gelaufen…einfach grandios; nächstes Jahr komme ich wieder.“ Rainer aus Deutschland hat diese e-mail nicht in der Finisher-Euphorie unmittelbar nach dem Swiss-Alpine-Marathon ins Davoser Gästebuch getippt, sondern genau fünf Monate später, Ende 2007. Erlebnisse sind gefragt, grandiose Kulissen garantieren sowohl Wiederholungstäter als auch neue Kunden.

Dass die Schweizer Running-Szene boomt, ist nicht neu. Was aufhorchen lässt, sind die Zuwachsraten auf hohem Niveau. Fast eine halbe Million LäuferInnen und Nordic-WalkerInnen nahmen letztes Jahr an Wettkämpfen teil. Und auch das hat es noch nie gegeben: An 99 Veranstaltungen wurden über 1000 Teilnehmende gezählt, total 175 Events wiesen über 500 Finisher auf. Die Skala dieser Top-175 reicht von der Genfer Escalade (27'602 Anmeldungen) bis zum Geländelauf von Rechthalten FR. Nicht erfasst ist die Vielzahl kleinerer Anlässe mit immerhin bis zu 500 Laufbegeisterten.

Erstaunliche Zuwachsraten

Das Erfreuliche: Nicht allein die ganz Grossen legen immer noch zu, auch mittlere und kleine Veranstaltungen weisen eindrückliche Zahlen auf. Die Top-10 der Schweiz (siehe Tabelle) steigerten ihre Teilnehmerzahlen gesamthaft nochmals um 3,4 Prozent, die Top-20 (Ränge 11-20) sogar um 7,4 Prozent.

An den 50 grössten Running-Events wurden 244'000 Finisher klassiert, das sind erneut 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Von den mittelgrossen Veranstaltungen mit 1000-3000 Klassierten ragen heraus:

– Baldeggerseelauf (+34 Prozent)
– Pfäffikerseelauf (+33 Prozent)
– Rotseelauf (+32 Prozent)
– Sierre-Zinal (+31 Prozenz)
– Zermatt-Marathon (+30 Prozent)

Fazit: Eindrücklich zugelegt haben insbesondere die Landschaftsläufe. Umgekehrt gab es aber auch ein paar Rückschläge. Von den Grossen traf es am härtesten: Corrida Bulloise, Zürcher Silvesterlauf, Schweizer Frauenlauf und Zürich-Marathon, alle mit einem Minus zwischen 8 und 9 Prozent gegenüber 2006.

Generell kann festgestellt werden: Die meisten der erfassten Running-Veranstaltungen weisen, im Vergleich mit dem Ausland, einen hohen Organisationsgrad auf. Nebst einer innovativen Organisation garantieren attraktive Strecken und die Schaffung von Erlebnissen für den Erfolg. Werden ausserdem gute Information, Unterhaltung mit live-Bands geboten, gepaart mit gekonntem Marketing, ist das Ambiente geschaffen und der Zustrom garantiert. Viele Veranstalter haben es mit grossem Engagement verstanden aus ihrem Lauf ein Fest, ein Event zu machen.

Die Schweiz bewegt sich

Zwar gilt allgemein das Eidg. Turnfest als grösster Breitensport-Anlass des Landes. Nimmt man aber die jährlich wiederkehrenden 1- und 2-Tages-Veranstaltungen zur Richtschnur, so sind es die Running-Events, welche heute Massstäbe setzen. Die Escalade in Genf (erster Samstag im Dezember) und der Grand-Prix von Bern (zweiter Samstag im Mai) bringen über 20'000 LäuferInnen und WalkerInnen auf die Beine. Das sind – verglichen mit Millionen-Metropolen – rekordverdächtige Zahlen.

Monate vor dem Austragungstermin sind die Startplätze am Jungfrau-Marathon restlos ausgebucht, der Swiss-Alpine-Marathon ist zur die wichtigsten Sommer-Veranstaltung Graubündens avanciert und füllt die Betten in der Hotel-Stadt Davos. Der Lucerne Marathon wurde gleich bei seiner ersten Austragung zum Tourismus-Event aufgebaut, und in der Romandie wirken die Behörden (Service des Sports) unterstützend in den lokalen OKs mit. Seit Jahren überzeugen die Escalade-Organisatoren in Genf mit ihren medizinisch begleiteten Animationsprogrammen.

Wichtig für die Lauf-Szene sind aber auch die vielen keinen, mit viel Herz organisierten Lokal- Veranstaltungen, welche für Hunderte von Einsteigern/-innen als Motivations-Events dienen.

Post-Cup als Spitzensport-Motor

Vor drei Jahren lanciert, brachte der Post-Cup den Schweizer Eliteläufern einen wichtigen Energieschub und wurde für viele zu einem Motivationsmodell. An sieben Laufveranstaltungen für Frauen und sechs für Männer sammeln die Schweizer TopläuferInnen Punkte. Mit einer Preissumme von 40'000 Franken schafft der Post-Cup echte Anreize, besonders für jene, die im Schatten der Aushängeschilder Viktor Röthlin und Christian Belz stehen.

Beispiel Mirja Jenni-Moser: Die zweifache Mutter wiederholte ihren Gesamtsieg souverän und belegt auch in der Bestenliste über 5000 und 10000 m Platz 1. Sie will nächstes Jahr definitiv auf die Marathon-Distanz setzen.
Beispiel Sabine Fischer: Der Post-Cup katapultierte die Rapperswilerin, welche 2007 in keinem Leistungskader mehr stand, wieder zur top-Aufsteigerin. Sie dominierte die beiden Schlussrennen in Basel und Zürich auf derart eindrückliche Weise, dass man auf die Saison 2008 gespannt sein kann. Sabine Fischer will sich wieder auf ihre Lieblingsstrecke 1500 m konzentrieren und könnte durchaus an ihre Bestzeit von 2000 anknüpfen: 4:05.14.
Beispiel Philipp Bandi: Drei Siege, zwei zweite Plätze in fünf der sechs Post-Cup-Rennen brachten ihm den Gesamtsieg. Noch wichtiger: Der GGB-Athlet steigerte seine Bestzeiten auf der Bahn auf 3:43.59 (1500 m) und 13:35.26 (5000 m). Für ihn ist klar: „2008 will ich auf der 5000-m-Distanz unter 13:30 laufen!“

Die Top-25-Events der Schweiz

Die Escalade in Genf hat bei ihrem 30-Jahr-Jubiläum mit 27'602 Anmeldungen eine neue Rekordmarke verzeichnen können. Umgekehrt führt der GP Bern die Rangliste der Finisher an. Seit Jahren duellieren sich die beiden grössten Breitensport-Anlässe der Schweiz an der Spitze. 18 der Top-25 sind letztes Jahr weiter gewachsen. Den bedeutendsten Zuwachs gibt’s bei Sierre-Zinal (+30,8 % Finisher), die höchste Einbusse erlitt der Zürich-Marathon (-16,5 % Anmeldungen).

Bemerkenswert die 1985, resp. 1998 enorm hohen Finisher-Zahlen des Murtenlaufs und bei den Bieler Lauftagen.

Anmeldungen 2007 Finisher all time

1. Escalade de Genève 27'602 22'766 (2007)
2. Grand-Prix von Bern 24'108 22'789 (2006)
3. Zürcher Silvesterlauf 16'108 15'197 (2006)
4. 20km de Lausanne 15'800 13'794 (2007)
5. Schweizer Frauenlauf, Bern 14'195 13'295 (2006)
6. Luzerner Stadtlauf 14'090 13'206 (2007)
7. Greifenseelauf, Uster 13'788 12'069 (2004)
8. Sola-Stafette, Zürich 10'038 10'050 (2005)
9. Lausanne-Marathon 9'766 8'660 (2006)
10. Murtenlauf 8'552 13'849 (1985)
11. Basler Stadtlauf 8'347 7'464 (2007)
12. Kerzerslauf 7'500 6'714 (2007)
13. Swiss Walking Event Soloth. 7'555 6'740 (2006)
14. Lucerne Marathon 6'322 5'594 (2007)
15. Hallwilerseelauf 5'861 5'454 (2006)
16. Zürich-Marathon 5'797 5'763 (2004)
17. Jungfrau-Maraton 5'704 5'930 (2002)
18. Swiss Alpine-Marathon 5'057 5'050 (2005)
19. Gossauer Weihnachtslauf 4'124 3'781 (2007)
20. Corrida Bulloise 4'116 4'049 (2006)
21. Marathon de Genève 3'971 3'370 (2007)
22. Bremgarter Reusslauf 3'701 3'350 (2007)
23. Sierre-Zinal 3'232 2'938 (2007)
24. Bieler Lauftage (100 km) 2'994 4'620 (1998)
25. Winterthur Marathon 2'518 2'285 (2007)

1987-2007: Morat-Fribourg…

Er war vor zwanzig Jahren das Mass aller Dinge: der „Gedenklauf Morat-Fribourg“. Nach dem Höhepunkt von 1985 mit 16'338 Teilnehmenden, sank die Zahl kontinuierlich auf nur noch 6642 (1998). Seither hat der Murtenlauf die Trendwende geschafft. 2008 wird auf der legendären Strecke das 75-Jahr-Jubiläum gefeiert. Die Zeichen stehen gut, dass erstmals seit 15 Jahren die 10’000-Teilnehmer-Marke wieder übertroffen werden kann.
Auffallend im 20-Jahr-Vergleich: Grand-Prix, Escalade und Greifenseelauf konnten ihre Zahlen verdreifachen, der Luzerner Stadtlauf sogar vervierfachen und der Frauenlauf zählte 2007 sogar sechsmal mehr Teilnehmerinnen als bei seiner Gründung 1987.

1987 2007
1. Murtenlauf 14'815 8'552 -42 %
2. Escalade Genève 9’181 27'602 +301 %
3. Silvesterlauf Zürich 9’030 16'108 +178 %
4. Grand-Prix von Bern 7’947 24'108 +303 %
5. 20 km de Lausanne 6'668 15'800 +237 %
6. Greifenseelauf 4’614 13'788 +299 %
7. Bieler 100 km-Lauf 3’414 2'994 -12 %
8. Luzerner Stadtlauf 3'475 14'090 +405 %
9. Schweizer Frauenlauf 2'330 14'195 +609 %
10. Hallwilerseelauf 2’703 5'861 +217 %

Die grössten Marathons

Im Gegensatz zur boomenden Entwicklung in der Branche, führt die Vielzahl der neuen Marathons in der Schweiz zu einem Verdrängungsprozess mit teilweise massiven Teilnehmer-Einbussen. 11 der 19 Schweizer Marathons (inkl. LGT-Marathon Liechtenstein), weisen 2007 rückläufige Zahlen auf. Am auffälligsten die Basler Marathontage (33%), der Winterthur Marathon (19%) und der Marathon de Genève (18%). Umgekehrte Entwicklung bei den Berg-Marathons: LGT-Marathon +37%, Zermatt-Marathon +27% und der ohnehin schon Spitzenzahlen aufweisende Jungfrau-Marathon +12%.

Ganz erstaunlich ist der durchschlagende Erfolg des Lucerne Marathons, der primär als Breitensport-Anlass konzipiert worden ist: Noch nie wurde in der Schweiz ein Event organisiert, welches auf Anhieb 5594 Finisher (alle Kategorien) verbuchen konnte.
Unbegreiflich ist allerdings, dass in diesem Jahr gleich drei Schweizer Marathons ausgerechnet am gleichen Wochenende stattfinden: Lausanne, Luzern und Basler Marathon-Tage (26.10).

Die grössten Marathons der Schweiz (nur Marathon-Distanz, 42,195 km)

1. Zürich-Marathon 4642
2. Jungfrau-Marathon 4062
3. Luzern-Marathon 2638
4. Lausanne-Marathon 1422
5. Swiss-Alpine-Marathon 981
6. Marathon de Genève 877
7. Zermatt-Marathon 897
8. LGT-Marathon Liechtenstein 740
9. Winterthur-Marathon 350
10. Maratona Ticino, Tenero 347

Heinz Schild

 

 

author: GRR

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