Siegfried R. Schmidt: trilalyrik. Wenn Gedichte laufen lernen. Zwiebelzwerg Verlag 2017. 70 S.; 12,- €.
Lauflesetipps für den Sommer (Teil VI): Siegfried R. Schmidt: trilalyrik – Zwiebelzwerg Verlag
Sommerzeit ist Lesezeit. Wer wollte nicht an diesen (Urlaubs-)Tagen sich mit Muße dem widmen, wo man sonst im Alltag viel zu wenig – neben dem regelmäßigen Laufen – kommt: nämlich Bücher über das Laufen zu lesen!
Unser Laufliteratur-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann (im Hauptberuf Sportpädagoge an der Leibniz Universität Hannover und seit 1990 ehrenamtlicher Leiter des Literatur-Marathons beim BERLIN-MARATHON) stellt eine Woche lang jeden Tag ein neueres oder (fast) vergessenes Laufbuch vor – so ganz nach dem Motto: Wer vieles bietet, bietet manchem etwas: Nur lesen muss jede(r) für sich …
… noch ein Gedicht! Ein Band mit Lauflyrik von Siegfried R. Schmidt
Lauflyrik gehört zu den ältesten laufliterarischen Stilformen im deutschsprachigen Bereich. Der Berliner Siegfried R. Schmidt gilt als Lauflyriker der ersten Generation und ist inzwischen als einer der renommierten Lauflyriker in der literarischen Szene etabliert. Der hier als Sommerlektüre präsentierte Band ist nicht seine erste Publikation in diesem Genre. Es ist aber das erste Buch, das „trilalyrik“ vereint. Allein schon dieser Titel ist eine typische Schmidtsche Wortschöpfung: kreativ und trotzdem konkret. Bei Siegfried R. Schmidt muss man sich jede Silbe auf der Zunge zergehen lassen.
Mehr noch: Man muss jede Zeile eines Gedichtes vorsichtig – am besten schrittweise laufend – ertasten und sodann zerlegen …trotzdem kommt man irgendwann ins Stolpern oder man bleibt irgendwo hängen!
Der neue Band enthält nach einem kurzen Vorwort des Autors insgesamt 66 Gedichte. Daran schließt sich noch ein knapp einseitiges von Schmidt selbst sog. „Mini-Essay“ über Lauftypen an. Dazu gehören dann nicht nur die von Berufswegen laufen, sondern auch die Genussläufer sowie „der Stretching-Typ, der beim ersten Zipperlein zur Dehnung greift“, ferner der erfolgsorientierte Läufer, „der seinen alltäglichen Kampf am Arbeitsplatz auf die Laufstrecke überträgt“ und immer nur nach der (gelaufenen) Zeit fragt … schließlich gibt es dann noch den Diät-Typ, dem die Zeit piepe egal ist, der dafür aber ständig auf die Waage schaut und deswegen nicht zu bremsen ist.
Die Schmidt-Gedichte sind allesamt kurz und kurzweilig. Sie tragen Titel wie „laufen & fliegen“ und „tageslauf“ und „laufgefühl“. Sie handeln vom „marathon“ und vom „kampf an der spitze“, sind an „seiltänzer“ und „die Läuferin Sabine“ gerichtet … eines ist einfach nur „genial“ (überschrieben). Dass es mal um Laufen und mal um Triathlon geht, ist fast überflüssig zu erwähnen. Dazu muss man jedoch wissen, dass der Autor (Jahrgang 1943) selbst seit über vier Jahrzehnten dem Ausdauersport und insbesondere dem Marathonlauf (u.a. als Mitglied im Berliner Jubilee-Club) und als Triathlet (u.a. als Finisher des Ironman auf Hawaii) aktiv verbunden ist.
Allein den BERLIN-MARATHON hat Schmidt bereits 30-mal gefinisht, auf Hawaii war er viermal dabei. Daraus folgt: Siegfried R. Schmidt weiß, wovon er schreibt, wenn es um die alltäglichen Sorgen und Nöte geht und wenn sich Euphorie und Enthusiasmus nicht mehr verbergen lassen.
Hier wenigstens eine geradezu sommerliche Kostprobe der Lauflyrik von Siegfried R. Schmidt:
morgenlauf an der ostsee
dem steigenden sonnenball entgegen
blinzelnd, um sich aufzuwärmen
sechs, siebenhundert lange meter
dann endlich spürt er wärme im gesicht
immer am meeressaum entlang
die bunen rechts – links die dünen
in noch schräges licht getaucht
vor ihm die schatten der möwen
er hört das knirschen der muscheln
ein dumpfes rollen der kiesel
rhythmisch sein atem
gedankenversunken
weiter, immer weiter
Siegfried R. Schmidt: trilalyrik. Wenn Gedichte laufen lernen. Zwiebelzwerg Verlag 2017. 70 S.; 12,- €.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Vom Autor der Serie zuletzt erschienen: Detlef Kuhlmann (Hg.): Lit. BERLIN-MARATHON. Texte von der Strecke. Hildesheim 2013: Arete-Verlag. 184 S.; 20 €.