Isabel Bogdan: Laufen. Roman. Köln 2019: Kiepenheuer & Witsch. 200 S.; 20, - €.
Lauflesetipps für den Sommer (Teil IV): Isabel Bogdan: Ich kann nicht mehr … ich kann alles schaffen!
Sommerzeit ist Lesezeit. Wer wollte sich nicht an diesen (Urlaubs-)Tagen mit Muße dem widmen, was sonst im Alltag zu kurz kommt – neben dem regelmäßigen Laufen: nämlich z.B. Bücher über das Laufen zu lesen!
Unser Laufliteratur-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann (im Hauptberuf Sportpädagoge an der Leibniz Universität Hannover und seit 1990 ehrenamtlicher Leiter des Literatur-Marathons beim BERLIN-MARATHON stellt in lockerer Folge neuere und (fast) vergessene Laufbücher vor – so ganz nach dem Motto: Wer vieles bietet, bietet manchem etwas: Nur lesen müssen alle dann selbst … am Ende der Serie stehen sieben Titel zur Auswahl!
Isabel Bogdan: Ich kann nicht mehr … ich kann alles schaffen!
Das Buch ist ein Roman. Ist es ein Laufroman? Tatsächlich handelt das Buch durchgängig vom Laufen und spielt doch im richtigen Leben der Erzählerin. Anders und noch genauer: Der Roman schildert eindrucksvoll, wie das Laufen dazu beiträgt, wieder zurück ins richtige Leben zu gelangen. Darum geht es im Kern: Die Ich-Erzählerin, eine Orchestermusikerin, Anfang 40, in Hamburg lebend, beklagt den Verlust ihres geliebten Partners. Dieser schmerzliche Beziehungsverlust ist der Ausgangspunkt des Romans: „Ich kann nicht mehr“ lautet demnach auch der erste Satz im Buch. Er verschafft Klarheit, ist aber doppelsinnig formuliert. Was sich dann im Roman abspielt, ist der Versuch, das Leben wieder „laufend“ in den Griff zu bekommen.
Soviel vorweg: Es gelingt! Aber lassen wir die Autorin selbst auf den letzten Metern zu Wort kommen – im Original heißt es dazu:
„Wie sind denn die letzten Kilometer jetzt so schnell vergangen, ich konnte doch nicht mehr, ich war fix und fertig, aber dann hatte ich Freunde und Äpfelchen. Wie habe ich es überhaupt hier hoch geschafft, jetzt auf der anderen Seite wieder runter, ich stecke mir das letzte winzige Apfelstückchen aus der rechten Hand in den Mund, in der linken habe ich immer noch ein komplettes Viertel, daran halte ich mich fest, diese Apfelstückchen haben mich durch die letzten drei Kilometer getragen, und sie werden mich auch noch die letzten paar Hundert Meter tragen, ich biege in den Ballindamm ein, da sehe ich den Zieleinlauf, und ich stürme tatsächlich los, ich renne, renne, renne auf das Ziel zu, wo kommt denn diese Kraft für einen Endspurt plötzlich her, da steht Rike und jubelt mir zu, mit Oliver und den Kindern, und ich habe ein Äpfelchen in der Hand, und meine beste Freundin ist da und nimmt mich in den Arm, obwohl ich klatschnass geschwitzt bin und sicher stinke wie ein Iltis, und gratuliert mir und drückt mich, und jemand reicht mir eine Rose und jemand anders hängt mir eine Medaille um, und dahinten steht Jens oder Sven oder Nils und grinst mich an und streckt die Daumen hoch, und jetzt muss ich wirklich heulen.
Ich bin zehn Kilometer am Stück gelaufen. Zehn Kilometer. Am Stück. Durchgelaufen. Ich bin fix und fertig, ich habe es geschafft, ich habe Freunde, und ich habe ein Apfelstückchen in der Hand. Ich habe es geschafft. Ich kann alles schaffen.“
Isabel Bogdan: Laufen. Roman. Köln 2019: Kiepenheuer & Witsch. 200 S.; 20, – €.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Vom Autor der Serie zuletzt erschienen: Detlef Kuhlmann: Querpässe zwischen Sport und Sportwissenschaft. Kommentare aus der DOSB-PRESSE (mit einem Vorwort von Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper). Hildesheim 2014: Arete-Verlag. 156 S.; 14,95 €.
x