Radrennen - Symbolbild - Foto: Horst Milde
Kurzschluss eines „Superman“: Rad-Star Miguel Angel Lopez auf Schussfahrt ins Karriere-Ende? Von KLAUS BLUME
So etwas gab e noch nie in der über einhundert Jahre alten Geschichte des Profi-Radsports. Ein Super-Star der internationalen Szene gibt aus Protest gegen seine Mannschaftsleitung Knall auf Fall ein wichtiges Rennen auf – obendrein einen ungefährdeten Podestplatz.
Geschehen am vorletzten Tag der Vuelta, der dreiwöchigen Spanien-Rundfahrt. A plomb ausgeführt von niemand anderen, als dem Kolumbianer Miguel Angel Lopez, 27, seit Jahr und Tag einer der Besten und Zuverlässigsten der Welt; allerorts gefeiert als „Superman“.
Was hatte sich zuvor zugetragen?
Weil der Spanier Enric Mas, Lopez‘ gleichberechtigter Mit-Kapitän im spanischen Elite-Team „Movistar“, gerade in einer Spitzengruppe seinen zweiten Gesamtplatz absichern wollte, wurde Lopez von dessen Verfolgung rüde zurück gepfiffen. Kein Angriff! Stop! Aber hoppla! Lopez rollte zum Straßenrand, stieg vom Rad – und machte es sich gemütlich. Als sein verdutzter Teamchef auftauchte, sagte er: „Ich bin gerade aus der Vuelta ausgestiegen, jetzt will ich nur noch heim.“ Gomez, der Hartgesottene, habe, so der Teamchef, dann nur noch hemmungslos geweint . .
Woher rührte dieser plötzliche seelische Zusammenbruch?
Vielleicht daran, das Lopez nie müde geworden ist, zu glauben:„Radsport ist meine Leidenschaft. Er ist mein Leben. Er ist mein Traum. Ich liebe das Radfahren geradezu wahnsinnig und es fällt mir schwer, herauszufinden, warum das so ist? Für mich dreht sich mein ganzes Leben nur um den Radsport. Alles andere ist mir unwichtig.“
Ein beängstigendes Eingeständnis und bei der Ausübung dieses knallharten Berufes oft hinderlich. Denn in keinem anderen Sport gelten feste Hirarchien innerhalb der einzelnen Teams und der gesamten Szene als unumstößlich. Sie sind zwar nirgendwo festgeschrieben, werden von Generation zu Generation nur mündlich weitergereicht, gelten aber als unumstößlich. Verstößt jemand dagegen, verfolgt ihn ein solcher Fehltritt – unausgesprochen – durch die gesamte Szene und seine gesamte Laufbahn.
Zurück zur Causa Lopez: Mit seinem spanischen Kollegen Enric Mas teilte er sich auf der Vuelta 2021 die Kapitäns-Rolle. Auf Befehlt der Geschäftsleitung. Der Berliner Ex-Profi Jens Vogt, einst Etappensieger der Tour de France und des Giro d‘Italia, erklärt deshalb: „Lopez hätte sich am vorletzten Vuelta-Tag sagen müssen: Jetzt ist mein Mannschaftskollege vorne und ich muss an anderer Stelle die Sache zu Ende bringen. Wenn es so ist, ist es schon rücksichtslos und in Teilen sogar unverschämt, zu sagen, jetzt will ich nicht mehr, jetzt gehe ich nach Hause.“
Lopez hat sich nach alledem zwar bei der Vuelta-Leitung und auch bei seiner Mannschaftsführung entschuldigt, doch das damit alles bereinigt ist und man zur Tagesordnung übergehen kann, davon kann in dieser Zunft niemand auszugehen. Wirkliche Entscheidungen würden erst später getroffen, heißt es denn auch beim Unternehmen „Movistar“, dessen weltweite Telefon-Geschäfte seit 26 Jahren in mehr als 15 Ländern laufen.
Und nun? Immerhin hat mit Lopez einer der Großen der Radsport-Szene die unausgesprochenen Gesetzmäßigkeiten seiner Zunft – mir nichts, dir nichts – auf den Kopf gestellt. Und womöglich ein Beispiel zur Nachahmung empfohlen.
Jens Voigt glaubt das freilich nicht: „Eine solche Aktion hilft ja nicht, Vertrauen innerhalb einer Mannschaft oder gar Teamgeist aufzubauen. Ich denke tatsächlich, es wird schwer sein, weiterhin vertrauensvoll mit Lopez zusammen zu arbeiten.“
Hat sich Miguel Angel Lopez, der bis vor drei Tagen noch hoch geachtete Tour-, Giro- und Vuelta-Star, mit einer einzigen Kurzschlusshandlung nun selbst aus dem Rennen genommen – für den Rest seines Lebens?
Klaus Blume
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