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22
06
2017

Konstanze Klosterhalfen ©Victah Sailer

Konstanze Klosterhalfen und das Unbehagen über eine verrufene Laufstrecke – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

BONN. „Es freut mich, wenn sich die Leute für mich interessieren", strahlt Konstanze Klosterhalfen und wirkt dabei völlig ungeniert.

Es sind nicht Wenige, die sich in diesen Tagen für die 20jährige Rheinländerin interessieren. Schließlich steht ja Einiges über sie in den Zeitungen. Obwohl sie weder Schlager trällert, noch auf einem bunten Blatt lächelt. Konstanze Klosterhalfen ist Mittelstreckenläuferin, womit die Wenigsten etwas anzufangen wissen.

Deshalb zur Erklärung: Mittelstecklerinnen legen  Strecken von 800 bis 3000 Meter zurück und zwar im Wettkampf, in einem Stadion. 

Konstanze Klosterhalfen aus Oberpleis, was im Siebengebirge bei Bonn liegt, startet bei der Team-Europameisterschaft der Leichtathleten am Wochenende im französischen Lille für Deutschland. Am Sonntag – um 14.20 Uhr – auf der olympischen 1500-Meter-Distanz – und zwar nicht als Mit-Läuferin, sondern als Top-Favoritin.

Das hat es, aus deutscher Sicht, seit 37 Jahren nicht mehr gegeben. Damals, bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau, holte die Hallenserin Christiane Wartenberg Silber hinter der Russin Tatjana Kasankina. Hinter einer Athletin, die den gesamten Mittelstreckenlauf der Frauen kräftig in Verruf gebracht hat. Als sie schließlich bei einem internationalen Meeting 1984 in Paris einen Doping-Test verweigerte und daraufhin 18 Monate gesperrt wurde, war aus dem allgemeinen Misstrauen schlimme Gewissheit geworden.

Sie ist dann nur noch einmal öffentlich angetreten, bei der ersten 15-Kilometer-Weltmeisterschaft 1986 – als kaum beachtete Fünfte.

Die Kasankina und andere Russinnen, die Afrikanerinnen aber auch die Türkinnen Gamze Bulut und Ashi Cakir Alpetkin haben besonders den 1500-Meter-Lauf mit ihrem Dopingmissbrauch in den letzten Jahren erneut in Verruf gebracht.

Dass Konstanze Klosterhalfens Hauptkonkurrentinnen, die superschnelle Niederländerin Sifan Hassan und die schwedische 5000-Meter-Europameisterin Meraf Barthu gebürtige Afrikanerinnen aus Äthiopien und Eritrea sind, dämmt das Misstrauen, selbstredend, nicht unbedingt ein.

Ausgerechnet in diese Front ist nun eine deutsche Studentin hinein gelaufen, die später als Sportjournalistin über Derartiges kritisch berichten möchte; sie ist hinein gelaufen mit ihren schier überlangen Beinen und viel „Bock aufs Laufen" (Klosterhalfen).

Ihr erst 31jähriger Coach Sebastian Weiß kann sich ihre Leistungsstärke angeblich gar nicht so richtig erklären, dafür aber das Institut für angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig.

Es führte im März 2015 einen Laktat-Test mit dem deutschen C-Kader durch. Darunter auch die gefürchtete Abbruchübung „Vita Maxima". Dabei wird alle dreißig Sekunden die Geschwindigkeitssstufe des Laufbands erhöht. Klosterhalfen: „Dann musst du so lange laufen, bis du nicht mehr kannst." Sie hielt durch, weit länger, als die Wissenschaftler voraus gesagt hatten.

Was sich mittlerweile auch in den internationalen Statistiken niederschlägt. Die Einser-Abiturientin ist nämlich derzeit die viertschnellste 1500-Meter-Spezialistin der Welt; sie steht also sogar vor den meisten, angeblich unschlagbaren Afrikanerinnen. Als sie im Frühsommer in Rom ihre Top-Strecke als Dritte in fabelhaften 3:59,30 Minuten zurück legte, bewies sie nicht nur viel Mut, sondern auch taktisches Geschick und zum Schluss, im Duell gegen die Kenianerin Winny Chebet, kämpfte sie bis zum Umfallen.

Der deutsche Verbands-Cheftrainer Idriss Gonschinska staunte: „Sie hat den Instinkt, im wichtigen Moment das Richtige zu machen."

Neben Training und Studium verblüfft "Koko", wie die Tochter eines rheinischen Rechtsanwaltes gerufen wird, obendrein durch ihren Einsatz in der heimischen Kirche und in einer Laufgruppe für Asylbewerber.

Wenn die Zeit dann noch reicht, spielt sie entweder Klavier oder auch mal Querflöte. Man dürfe sich nur nicht verzetteln, sagt sie, sondern müsse sich alles genau einteilen.

So, wie einen ordentlichen 1500-Meter-Lauf. 

Klaus Blume
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