Wann schämt sich Trump? Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ©Horst Milde
Kommentar – Wann schämt sich Trump? Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Wie nur lautet das Äquivalent zu Ping-Pong-Diplomatie? Wie nennt man, was Menschen und Völker einander näher bringt, indem sie sich gegenseitig packen, auf die Matte werfen oder am Boden festhalten?
Doch ausgerechnet die Zupacker der Nation, die Nationalmannschaft der Ringer, wird in zwei Wochen etwas leisten, zu dem die amerikanische Diplomatie derzeit nicht in der Lage ist: Iraner werden sie freudig begrüßen und jubeln, wenn sie sich mit den Helden ihres Landes handgreiflich auseinandersetzen. „USA Wrestling“, der nationale Verband der Ringer, wird seine Besten zum Weltcup nach Kermanschah schicken, einem Höhepunkt im Sportkalender des stolzen Iran, der zu den sieben Staaten gehört, für deren Bürger der Präsident Amerikas gerade ein Einreiseverbot verfügt hat und welches darauf mit einem Einreiseverbot für Amerikaner reagiert.
Ringer-Diplomatie, zweiter Teil
Was den Tischtennisspielern in den siebziger Jahren gelang, die Annäherung der sprachlosen Giganten China und Vereinigte Staaten durch freundschaftliche Spiele, könnte nun den Ringern für Amerika und die brüskierte islamische Welt gelingen. Schließlich sind die Ringer beider Länder, und die aus Russland noch dazu, ganz eng miteinander, seit sie im Mai 2013 eine Ringer-Gala in der Grand Central Station von New York veranstalteten. Das 1:6 der Amerikaner gegen das iranische Team damals war einer ihrer größten Erfolge; gemeinsam retteten die Ringer ihre Sportart vor dem drohenden Ausschluss von den Olympischen Spielen.
Auswirkung auf Olympiabewerbung
Das Nationale Olympische Komitee der Vereinigten Staaten lässt wissen, dass es von der Trump-Regierung die Zusicherung erhalten habe, dass Athleten, die zu internationalen Wettkämpfen anreisen, von dem diskriminierenden Ausschluss ausgenommen seien. Auch Mo Farah, der britische Olympiasieger im Langlauf, dürfe vom Training in Äthiopien zu Trainer und Familie in Oregon zurückkehren. Sie hofften, teilen die ersten Olympier Amerikas mit, dass das Dekret die Werte angemessen anerkenne, auf denen die Nation wie Olympia gründe: Vielfalt und Aufnahme, Chancen und das Überwinden von Gegnerschaft.
Nicht nur die Bewerbung von Los Angeles um die Sommerspiele 2024 wirft Fragen auf: Sind nur Stars und Profis ausgenommen? Oder dürfen auch, zum Beispiel, Sportler aus dem Flüchtlings-Team des Internationalen Olympischen Komitees oder gar Hobby-Läufer mit Geburtsorten in den inkriminierten Ländern zur Teilnahme am Boston-Marathon einreisen?
Die Gastfreundschaft der Perser gegenüber den amerikanischen Ringern, das steht zu erwarten, sollte Trump beschämen.
Ein anderes Wort für die Diplomatie auf der Matte? Ganz einfach: Sport.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 1. Februar 2017
Autor: Michael Reinsch, Korrespondent für Sport in Berlin.