Erste Startwelle - Foto: Michael Strokosch
Komm, wir laufen ans Wattenmeer 2023 – Kräftezehrendes Erlebnis eines 24-Stunden-Rennens mit wenig bis gar keinem Schlaf
So oder ähnlich werden es die 70 Teams beschlossen haben, als sie die Entscheidung trafen, sich dem SUNSET Wattenmeer 2023 zu stellen.
Bereut schien es niemand zu haben, wenn man sich ihre Gesichter beim Erreichen der Ziellinie auf der Strandpromenade in St. Peter-Ording anschaute. Von einem kräftezehrenden Erlebnis eines 24-Stunden-Rennens mit wenig bis gar keinem Schlaf mit wechselhaftem Wetter war kaum eine Spur zu sehen. Aber immer der Reihe nach…
Los ging es am Sonnabend am Elbufer auf St. Pauli. Schon der Auftakt zum Rennen zeugte von viel Leidenschaft und intensiver Vorbereitung, als die Teams mit ihren optisch aufgemotzten Fahrzeugen auf die Fischmarktfläche rollten. Teamname, Motto und Schlachtruf, Fotos der Mitglieder und Checklisten der absolvierten Etappen werden direkt auf dem Autolack aufgetragen und für andere Verkehrsteilnehmende zur Schau gestellt. Komplettiert wird das Erscheinungsbild durch einheitliche Trikots und Laufoutfits. Ein Entenring oder eine Plüschschildkröte gehören da genauso zur Ausrüstung, wie der Laufschuh und das atmungsaktive Shirt.
Auch der fahrbare Untersatz ist ein wichtiges Teammitglied – Foto: BMS Die Laufgesellschaft
Punkt 10.00 Uhr: Die erste Startwelle macht sich auf den Weg. Unter frenetischem Applaus geht es auf die erste von insgesamt 30 Etappen. Entlang der Elbe führt die Strecke durch die Innenstadt, wo es in bester City-Cross-Manier den zahlreichen Passanten auszuweichen galt. Temperaturen von bis zu 28° C kamen als Erschwernis obendrauf.
Seit Jahren tobt unter den Teilnehmenden die Debatte, ob die Hamburg-Etappen nun aufregend sind oder doch „weg können“. Spätestens ab Etappe 5 ändert sich die Sache, wenn der Elbmetropole der Rücken gekehrt wird und es hinaus ins Grüne geht.
Slalomlaufen durch die Innenstadt – Foto: Michael Strokosch
Zu diesem Zeitpunkt schieben sich für viele Teams bereits die ersten Wolken vor die Sonne, welche sich später in einem Regenguss entlädt. Pünktlich zum titelgebenden Sonnenuntergang machen die Wolken aber wieder Platz und bescheren den Teilnehmenden ein malerisches Panorama vor dem Hintergrund der Elbe. Auch wenn viele Teilnehmende das Wattenmeer nach der Überquerung des Nord-Ostsee-Kanals schon bald erreichen, dauert es noch ein paar Stunden, bis sie es sehen können. Die Nachtetappen lassen den Läufer:innen aufgrund der spärlichen Beleuchtung nur wenige Meter Sicht. Aufpassen, den nächsten Wegmarker nicht zu übersehen und nicht über ein Schaf zu stolpern hat höhere Priorität als Naturbeschau. Bonusmeilen gehören seit jeher zur Veranstaltung dazu, auch wenn die Streckenmarkierung in diesem Jahr intakt blieb. 2019 musste diese sich teilweise einem starken Wind beugen und sorgte so für den ein oder anderen zusätzlichen Kilometer.
Die frühen Morgenstunden sind fast schon von gespenstischem Nebelwaben geprägt.
Bei für Läufer:innen angenehmen Temperaturen geht es hier für viele Teilnehmende auf ihre letzte Etappe. Das Ziel in St. Peter-Ording scheint zum Greifen nah. Die letzte Etappe hat es aber nochmal in sich, führt sie kurz vor der Seebrücke noch über den Sandstrand. Eine Bärenaufgabe, wenn man bedenkt, dass viele zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 24 Stunden auf den Beinen sind und bereits 20 Kilometer oder mehr in den Beinen stecken haben.
Es ist 9.31 Uhr, als das erste Team auf der Seenbrücke auftaucht. Es sind die Kraftrunners HH, die als erstes jubeln dürfen. Fahnen werden geschwenkt, Bengalos gezündet und die Rucksack-Jukebox auf Anschlag gedreht. Die Freude kennt keine Grenzen. Eine viertel Stunde später folgen ihnen ihre Crew-Freunde aus Berlin ins Ziel und steigen in den Reigen ein. Das schnellste Team ist aber ein anderes.
Die Deich Ranger (DDR) aus Rostock schnappen sich den Sieg und beenden das Rennen nach 19:54:30 h. Ihre Leistung wirkt noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass sie Teil der Ultra Division sind. Diese trat die Reise mit lediglich 5 Läufer:innen mit entsprechend doppeltem Laufpensum an. Im Fall des Teams RunX, Platz 3 der Ultra Division, waren es sogar nur 4.
Viele Teams befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch 30 Kilometer vom Ziel entfernt, versuchen ihre letzten Kräfte zu mobilisieren, tauschen wild Etappen untereinander („Kann jemand anders den Strand übernehmen?“), lecken ihre Wunden und behandeln lädierte Waden. Es ist nun mal die Leidenschaft, die Leiden schafft.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des SUNSET Wattenmeer wissen das besser als alle anderen. Schon mit dem Überqueren der Ziellinie werden die Strapazen vergessen sein. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, was alleine nicht möglich ist, wird überwiegen.
Die Top-Ergebnisse
DDR – Die Deich Ranger, 19:54:30
Kraftrunners HH, 20:10:54
Kraftrunners Berlin, 20:25:22
Ultra Division
DDR – Die Deich Ranger, 19:54:30
running green, 21:10:28
RunX, 21:52:40
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