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Hanna Klein wurde überraschend Europameisterin - 2019 World Outdoor Championships Doha, Qatar Sept27-Oct 06, 2019 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com
Klein bei EM vor Klosterhalfen in Istanbul 2023: „Ich bin stolz auf uns beide“- Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Bei der Leichtathletik-EM in der Halle in Istanbul besiegt Hanna Klein zum ersten Mal Konstanze Klosterhalfen in einem großen Rennen. Sie wirkt wie ein Gegenentwurf ihrer Konkurrentin.
Hanna Klein, die neue Hallen-Europameisterin über 3000 Meter, ist eine Ausnahme in der Welt der Leichtathletik. Sie lebt das Laufen als Teamsport. Bei den Titelkämpfen in Istanbul hat sie zum ersten Mal in einem großen Rennen Konstanze Klosterhalfen besiegt. Das war ihr Ziel gewesen, dafür hatte sie monatelang trainiert, deshalb heftete sie sich im Finale am Freitagabend vom Start weg an die Fersen der Konkurrentin – wie vierzehn Tage zuvor bei der deutschen Meisterschaft in Dortmund.
Damals wurde sie in rasendem Tempo Zweite. Nun war sie ausgeschlafener und spielte auf den letzten hundert Meter gegenüber der Favoritin und Europameisterin über 5000 Meter von München 2022 ihre Spurtkraft aus und rannte ihr auf und davon. Den triumphierenden Impuls, es der prominenteren und erfolgreicheren Konkurrentin gezeigt zu haben, gibt bei der 29 Jahre alten Psychologin Klein nicht.
„Das gibt uns einen weiteren Anreiz“
„Ich bin stolz auf uns beide“, sagte sie noch in der Ataköy Arena und erzählte, wie sie im Rennen, darauf konzentriert, nicht den Windschatten von „Koko“ Klosterhalfen zu verlieren, sich an den gemeinsamen Lauf bei der Cross-Europameisterschaft von Turin im Dezember erinnert fühlte. Da waren unter Führung und Tempoarbeit der überragenden Langläuferin Deutschlands die deutschen Teilnehmerinnen praktisch geschlossen auf die Plätze zwei, drei, vier und fünf gerannt und gewannen so überlegen die Goldmedaille in der Mannschaftswertung. Nun habe sie, erzählte sie glücklich, als keine andere Konkurrentin Klosterhalfens Tempo mithalten konnte, wieder dieses Teamgefühl verspürt.
Es wirkte, als wollte Hanna Klein dafür um Entschuldigung beten, dass sie, aufgestiegen von den 1500 Meter auf die lange Strecke und mit eindrucksvollem Spurtvermögen gesegnet, zu einer Konkurrentin von internationalem Rang für die drei Jahre Jüngere geworden ist. Es sei doch nur von Vorteil, wenn so eine Situation im eigenen Land bestehe, sagte sie: „Das gibt uns einen weiteren Anreiz.“ Und: „Was gibt es für bessere Werbung für unsere Disziplin?“
Hanna Klein wirkt wie der Gegenentwurf zu Konstanze Klosterhalfen. Während das Jahrhundert-Talent sich zu ihrer sportlichen Entwicklung einer Trainingsgruppe des Sportartikelherstellers Nike in Portland (Oregon) anschloss und seit viereinhalb Jahren in den Vereinigten Staaten lebt, litt Hanna Klein schon unter Heimweh, als sie fürs Masters-Studium aus Schwaben nach Köln gezogen war. Längst ist sie zurück bei Familie und Freunden. An der Universität Tübingen arbeitet sie an ihrer Dissertation, beim LAV Stadtwerke Tübingen trainiert sie bei Isabell Baumann.
Kaum habe sie laufen können als Kind, hätten ihre Eltern sie schon in den Sportverein geschickt, erzählte sie vor Jahren dem Fachportal leichtathletik.de: „Meine Gruppe ist zu meinem Freundeskreis geworden, mit dem ich auch zur Schule gegangen bin. Die Wettkämpfe habe ich immer als gemeinschaftliches Event erlebt.“
Nicht die anderen zu besiegen, war ihre erste Motivation, sondern Freunde zu treffen. Ihr Partner ist, selbstverständlich, der Läufer Marcel Fehr. Heimat, das ist für Hanna Klein die Trainingsgruppe, der Verein, der Sport.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 5. März 2023
