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01
07
2011

Da belebt der Verband eine Devise, die er bei der WM mit Gehen und Marathon schon ausprobiert hat und die auf den Marktplätzen des Landes längst etabliert ist

Kernsport-Kolumne – Das ist Berlin – Die „Team Challenge“ – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

WM-Medaillenkandidaten gibt es in der deutschen Leichtathletik genug. Als Veranstalter allerdings hat der deutsche Verband abgespeckt. Nun soll es die „Team Challenge“ in Berlin geben. Der Anlauf zum Höhenflug ist jedoch weit.

Einerseits sei das Sport, andererseits Werbung für Sport. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting hat am Dienstag eine treffende Formel für den Wettbewerb gefunden, den der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) am 12. August, vierzehn Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft in Südkorea, am Brandenburger Tor auf die Beine stellt.

„Team Challenge“ nennt er den Vergleich von Stabhochspringern, Weitspringern und Weitspringerinnen aus Russland, Nordamerika, Frankreich und Deutschland – und lässt Weltmeister und Olympiasieger wie Jelena Isinbajewa, Renaud Lavillenie und Dwight Philips erwarten in Duellen mit Malte Mohr, Silke Spiegelburg, Christian Reif oder Sebastian Bayer. Als wäre das nicht abgehoben genug, gehen die Athleten unter dem Motto „Berlin fliegt“ an den Start.

Vor dem Höhenflug kommt der lange Anlauf

Die hochtrabende Prosa und der prominente Ort können nicht darüber hinweg täuschen, dass der DLV als Veranstalter abgespeckt hat. 2009 noch war er Gastgeber der Weltmeisterschaft im Berliner Olympiastadion, seine Gala in Wattenscheid hat er aufgegeben. Anders als auf sportlicher Ebene mit rund einem Dutzend Medaillenkandidaten, ist der Verband auf der Ebene der Veranstaltungen mit seiner Bewerbung um die Europameisterschaft 2018 in Berlin erst auf dem Sprung.

Insofern sind Weit- und Stabhochsprung gut gewählt: Vor dem Höhenflug kommt der lange Anlauf. Wie der DLV muss die gesamte Leichtathletik in der öffentlichen Darstellung erst einmal wieder in Schwung kommen. Nur Fachleute verfolgen im deutschen Spartenfernsehen die Sportfeste der Diamond League; die Hängepartie um die Übertragung der WM im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist in unguter Erinnerung.

An Übersichtlichkeit wird es diesmal nicht mangeln

Da belebt der Verband eine Devise, die er bei der WM mit Gehen und Marathon schon ausprobiert hat und die auf den Marktplätzen des Landes längst etabliert ist: Kommt das Publikum nicht zum Sport, kommen die Sportler eben zu den Leuten. Mit der Zutat von Nationaltrikots, historischer Kulisse und Direktübertragung auf Eurosport wird aus den je vier Sprüngen der zwölf Sportlerinnen und Sportler im Handumdrehen ein Länderkampf. An Übersichtlichkeit wird es bei diesem Sportfest nicht mangeln.

Die Perspektive allerdings, solche Wettbewerbe auch mitten in Paris, Moskau und New York zu erwarten, ist weit hergeholt, ebenso wie die, sich die Veranstaltung am Brandenburger Tor um Beiträge des bekanntesten Berliner Leichtathleten ergänzt vorzustellen: Diskuswurf mit Weltmeister Robert Harting. Was Körting mit all dem zu tun hat?

Sagen wir es mit seinen Worten: Einerseits ist das Berlin. Andererseits ist das Werbung für Berlin.

 

 Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 30. Juni 2011

author: GRR

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