Zwar gab es nicht die erhofften Strecken- oder gar Weltrekorde, aber die Leute um »Race Director« Mark Milde waren nach dessen Bekunden »sehr zufrieden« (Mildes Vater Horst hatte den Lauf in den 90ern für den SCC populär gemacht).
KEN für Kenia – Am Anfang ging es um Frieden: der Berliner Halbmarathon damals und heute – Klaus Weise in der TAZ
Als Frühjahrsklassiker versteht sich der Berliner Halbmarathon, der am vergangenen Sonntag nach offizieller Zählung zum 29. Male stattfand. Das freilich bedarf der Erklärung. In den Lauf-Statistiken der 80er Jahre wird man ein Ereignis, das dem jetzigen entspricht, nicht finden.
In Ost- und Westberlin sollten damals die Bewegungsenthusiasten mobilisiert werden. In der DDR-Hauptstadt hatte 1981 der erste Lichtenberg-Marathon 466 Teilnehmer. Im Jahr darauf wurde der staatlich großzügig geförderte Friedenslauf daraus. Mit 20.000 Teilnehmern bei der ersten Auflage (die offizielle Angabe ist mit Vorsicht zu genießen).
Im Westen der Stadt veranstaltete der SC Charlottenburg am 2. September 1984 ein erstes Rennen über die Halbmarathondistanz. Start und Ziel waren im Mommsenstadion, die Streckenführung erfolgte entlang des Grunewaldes.
Nach dem Mauerfall fusionierten die Straßenläufe Ost und West. Im Spätsommer 1990 fand ein erster gemeinsamer Lauf statt, aus dem der heutige, ins Frühjahr vorgezogene Halbmarathon wurde. Der Lichtenberger Marathon gilt also als offizieller Vorläufer. Mit ihm beginnt die Zählung.
Einstweilen hat sich das Ganze zu einem Riesenspektakel gemausert: sportlich hochklassig, mit immensen Aktiven- und Zuschauerzahlen, wirtschaftlich attraktiv für Berliner Hotels, Gastronomie und Einzelhandel. Sinnigerweise hatte man den Tag der Austragung des Halbmarathons zum »verkaufsoffenen Sonntag« gemacht.
Der neue Teilnehmerrekord liegt nach Angaben der Organisatoren bei 25.193 Startern aus 85 Nationen. 21 725 davon waren Läufer und Walker, zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen. Die übrigen bewältigten die Strecke als Inlineskater, Rollstuhlfahrer, Handbiker oder Nordic Walker. Im »Beiprogramm« gab es einen »Fun-Run« und ein »Rennen für Bambinis«, so daß im Grunde genommen jeder, der wollte, auch konnte.
Zwar gab es nicht die erhofften Strecken- oder gar Weltrekorde, aber die Leute um »Race Director« Mark Milde waren nach dessen Bekunden »sehr zufrieden« (Mildes Vater Horst hatte den Lauf in den 90ern für den SCC populär gemacht).
Ihre sportlichen Argumente: Männersieger Bernard Kipyego aus Kenia lief mit 59:34 Minuten nach 21,0975 Kilometern die fünftschnellste Zeit des Jahres, es gab zum zweiten Mal in der Geschichte des Rennens drei Resultate unter einer Stunde – im bisher zweitschnellsten Rennen des Jahres.
Bei den Frauen gewann die favorisierte Sabrina Mockenhaupt mit persönlicher Bestleistung von 68:45 Minuten vor zwei Kenianerinnen. Die 28jährige Kölnerin erzielte damit das sechstbeste Ergebnis in der Geschichte des Laufes. 42 Sekunden Vorsprung hatte sie am Ende auf die zweitplatzierte Hellen Kimutai.
Während die zehn schnellsten Frauen immerhin aus sechs Ländern kamen, war in den Top Ten der Männer nur ein einziges Kürzel zu lesen: KEN für Kenia. Erst der Elftplatzierte war kein Kenianer: Tadese Abraham aus Eritrea.
Kipyego, der Schnellste, ist gerade mal 22 Jahre alt. Beim ersten Halbmarathon seines Lebens »kam, sah und siegte« er. 2007 hatte er Cross-WM-Bronze gewonnen. »Ich habe meine Erfolgschance auf 50:50 geschätzt, weil ich noch gar keine Erfahrungen auf der Strecke habe. Unterwegs ist mein Selbstvertrauen Schritt für Schritt gewachsen, und im Spurt wußte ich, daß ich gewinnen kann«, berichtete er, um 2500 Euro Siegprämie reicher.
Jetzt will er sich für die kommende Halbmarathon-WM qualifizieren. »Mit dem Sieg in Berlin habe ich dafür Punkte gemacht.« Die Konkurrenz im eigenen Land aber ist einzigartig.
Klaus Weise in der Tageszeitung (TAZ), Dienstag, dem 7. April 2009
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