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29
10
2008

Geburtsstunde des Volkslaufs in Berlin und Deutschland - Die Umsetzung dieser Ideen war gleichzeitig die Geburtsstunde für den Volkslauf in Berlin

Jubiläum des Berliner Cross-Country Laufes am Teufelsberg – 45 Jahre Laufgeschichte – aber die Zukunft liegt beim „Deutschen Cross-Cup“! Horst Milde berichtet

By GRR 0

Die Großmutter aller Läufe wird am 2. November 45 Jahre alt
Der Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg war für Jahrzehnte in Berlin das Aushängeschild des Laufsports für den Spitzen- und Breitensport bis der BERLIN-MARATHON, der Halbmarathon und der Frauenlauf und viele andere große Straßenläufe mehr das große Interesse der laufenden Bevölkerung fanden.

Der Ursprung für den überwältigenden Erfolg der Läufe liegt knapp 45 Jahre zurück. Im Februar 1964 nahm eine Mannschaft der Freien Universität Berlin (FU Berlin) mit Bernd Hartmann, Hartmut Lehmann und Horst Milde mit einer Mannschaft der FU bei einem Crosslauf der Universitäten in Le Mans teil. Sie alle waren gleichzeitig aktiv auf der Bahn und im Wald. Hartmut Lehmann war zudem derzeit Sportreferent an der FU. Er gewann den Lauf in Le Mans, die Mannschaft der FU wurde Zweite.

Besondere Art des Laufens = Cross

Von der anderen und besonderen Art des Laufens durch schwieriges Gelände in der Natur in Frankreich waren die Studenten so angetan, dass schon im April 1964 ein Schreiben des Sportreferates von Horst Milde an die Berliner Leichtathletikvereine formuliert wurde mit dem Hinweis, dass man am 8. November 1964 einen Querfeldeinlauf auf schwerem Gelände im Grunewald veranstalten wolle.

Es sollten beispielweise neben den Leichtathleten auch die Ruderer, Kanuten, die Garnisonen der westlichen Schutzmächte und die verschiedenen Abteilungen der Berliner Polizei eingeladen werden. Neben einen Hauptlauf über 9 km war auch ein “Volkslauf/Jedermann-Lauf“ über die halbe Distanz vorgesehen, damit man den weniger routinierten Läufern Mut zum Laufen machen könne – alles ganz neue Ideen zur damaligen Zeit.

Geburtsstunde des Volkslaufs in Berlin

Die Umsetzung dieser Ideen war gleichzeitig die Geburtsstunde für den Volkslauf in Berlin (und in Deutschland) und so sensationell, dass der Berliner Leichtathletik-Verband (BLV) die Genehmigung für diesen Lauf nur dem Sportreferat der FU zubilligte (“die Studenten haben eh einen Jagdschein“!) – die LA-Vereine hatten die Visionen bisher nicht erkannt.

Der damalige Sportwart des BLV Hans Rieke formulierte mit an der ersten Ausschreibung, die nur 3 Wettbewerbe kannte: Volkslauf über 4.9 km, einen Jugendlauf über 2.5 km und den Hauptlauf (Cross der Asse) über 9.9 km (aber keinen Frauenlauf!)

Ein Frauenwettbewerb war nicht vorgesehen!

Zu gewinnen gab es für jeden die Crossnadel. Die Cross-Country Strecke ( “Querfeldein über Stock und Stein“) am Teufelsberg suchte und fand der Langstreckler Rolf-Dieter Kohls. Er suchte den Auslauf der Rodelbahn am Teufelsberg (Trümmerberg) als Start- und Zielpunkt aus. Es ging im Gelände sehr schwierig auf und ab, ein Panzerübungsgelände der Briten mit tiefem Boden und das Springen über Spalten und über gefällte Bäume “versüßte“ den Läufern die Strecke. Waren sonst 50 – 60 Teilnehmer bei den traditionellen Läufen der LA-Vereine auf geharkten und flachen Park- und Waldwegen üblich, so explodierte jetzt die Teilnehmerzahl auf 700 Teilnehmer.

Tümmler und Podlesch

Umjubelter Premierensieger im Hauptlauf wurde Bodo Tümmler (SCC), der Mittelstreckenstar und spätere Europameister über 1.500 Meter knapp vor Bernd-Dieter Hecht (Polizei SV).
Den Volkslauf gewann der bekannte Berliner Radfahrer und Steher-Weltmeister Rainer Podlesch (Zehlendorfer Eichhörnchen).

Dieser Lauf fand in allen Medien ein großes positives Echo und die Öffentlichkeit wurde zum Nachmachen aufgefordert. Schon 1966 gab es die Kooperation des Sportreferats der Freien Universität Berlin mit dem SCC, im Jahr 1969 war dann ganz offiziell der SCC der Veranstalter – der Volkslauf beim Crosslauf wurde für Jahre der “Renner“ und das Flaggschiff, übrigens dann auch in ganz Deutschland (West).

Sportgeschichte

Der Teufelsberg-Cross schrieb auch seine Sportgeschichte. Auf Antrag von Horst Milde, damals auch Vorsitzender der Leichtathletikabteilung,  wurden in Deutschland 1974 die Deutschen Crossmeisterschaften, an Stelle der Waldlaufmeisterschaften, eingeführt. Auf dem Gelände vom Teufelsberg kamen auch 1975 und 1981 die Deutschen Cross-Meisterschaften mit großem Erfolg zur Durchführung.

Mit den Sprüchen “Cross wird durch Regen erst schön“ und “Cross macht harte Männer härter“ wurde der Lauf mit dem Symbol der Wildsau das Aushängeschild der Leichtathletik in Berlin.

Der Lauf mobilisierte in seinen besten Jahren bis zu 3.750 Teilnehmer vom jüngsten Schüler bis zum Senior. Schon ab 1964 gab es auch jeden Sonnabend an Start und Ziel am Teufelsberg ein Vorbereitungstraining für Jedermann – das war war der Vorläufer des später eingeführten "Lauftreffs".

Große Namen aus der internationalen Laufszene zieren die lange Siegerchronik: Bodo Tümmler, Peter Kubicki (beide SCC), Manfred Letzerich, Lutz Philipp, Christoph Herle, Frank Zimmermann (SCC), Dieter Baumann, bei den Frauen sind Charlotte Teske, Grete Waitz (NOR) , Cornelia Bürki (SUI), Wanda Panfil (POL), Marleen Renders (BEL) nur ein kleiner Ausschnitt aus der Reihe großer Sieger/innen aus 39 Jahren der Vergangenheit.

Maifeld

Schwierigkeiten mit der Forstverwaltung veranlassten die Organisatoren 1995 auf den grünen Rasen des Maifelds am Olympiastadion und des Reiterstadions – ähnlich den Vorbildern im Ausland – umzuziehen, zum Ärger der Läufer, die lieber im Grunewald und in der Natur geblieben wären.

Ab 2002 wurde dann aber wieder ein Wechsel vollzogen – “back to the roots“ – der Lauf ging zurück in den Grunewald, wo er auch hingehört.

Start und Ziel wurden in das Stadion Eichkamp in der Harbigstraße mit direktem Zugang in den Grunewald verlegt. Der Crosslauf am Teufelsberg lässt sich durchaus als “die Grossmutter“ aller Volksläufe in Berlin bezeichnen. Die Idee, die dahinter steckt, hat bis heute ihren Wert nicht verloren:

Allen Bevölkerungskreisen und – schichten, von ganz jung bis alt, Vereinsmitglied oder nicht, soll ermöglicht werden, den gesundheitlichen Wert des Laufens zu erkennen und zu leben.

Eine Wettkampfmöglichkeit für die eigenen Vereinsmitglieder zu organisieren – und nicht zuletzt den Läufern unter den Leichtathleten eine Plattform zu der eigenen Formüberprüfung zu bieten, starke Trainingsanreize zu setzen, um damit im Sommer auf der Bahn und auf der Straße gute Ergebnisse “abzuliefern“.

Keine "Crosskultur" mehr

An dieser Idee hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts geändert – allerdings gibt es leider in Deutschland keine “Crosskultur“ mehr. Die läuferische Basisarbeit durch den Crosslauf wird vom DLV nicht ausreichend gefördert. Der Crosslauf ist für den Verband ein ungeliebtes Kind. Die Wurzel des Erfolges liegt aber in der systematischen Hinführung zum Crosstraining. Die Ergebnisse sind augenscheinlich zu erkennen – kein deutscher Läufer/in hat mehr internationales Format – und das wird sich leider mittelfristig auch nicht ändern.

Wilfried Raatz, der Unermüdliche – und der "Deutsche Cross-Cup"

Wilfried Raatz (Darmstadt) ist schon lange leistungsmäßig mit seinem Darmstadt-Cross auf der Lichtwiese an Berlin mächtig vorbei gezogen und ist, was Qualität und Quantität angeht, die unbestrittenen Eins im Crosslauf in Deutschland. Er hat auch mit seim "Deutschen Cross-Cup" ein weiteres Ass aus dem Ärmel gezogen und blamiert damit den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), der in den letzten Jahren im Laufbereich nichts mehr auf die Reihe gebracht hat, obwohl es immer wieder verkündet wurde.

Mit dem "Deutschen Cross-Cup" und einigen unternehmungslustigen und fähigen Vereinen, die den Cross-Cup finanziell und organisatorisch tragen,weht hoffentlich wieder frischer Wind in der bisherigen müden Szene, wenn auch die Läufer und Läuferinnen mitmachen. Aber Darmstadt hat es zuletzt immer wieder bewiesen, daß es geht, besser gesagt "läuft".

Der 45. Berliner Crosslauf am Sonntag setzt die langjährige Cross-Tradition fort, es fehlt aber leider an Schwung, an Ideen, Initiativen und Bereitschaft sich mit Herz zu engagieren, um die Entwicklung des Crosslaufes und damit den Laufnachwuchs zu für die Zukunft fit zu machen und ihm anspruchsvolle Ziele zu setzen – man ist ja schon froh, daß er nicht wegen zu geringen Gewinns abgesagt wird, hoffen wir auf die Zukunft des Deutschen Cross-Cups.

 

Horst Milde

 

 

 

 

author: GRR

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