Joyciline Jepkosgei feierte in London den größten Sieg ihrer Karriere. Foto: Virgin Money London Marathon
Joyciline Jepkosgei: Vom Jogging nach der Schwangerschaft zur London-Siegerin 2021
Joyciline Jepkosgei gehört seit einigen Jahren zu den besten Straßenläuferinnen der Welt und hatte nur aufgrund der außerordentlich starken Konkurrenz in Kenia die Qualifikation für die Olympischen Spiele im Marathon knapp verpasst.
Die 27-Jährige lief am Sonntag zum größten Sieg ihrer Karriere: In London gewann sie das Rennen über die 42,195 km in der Jahresweltbestzeit von 2:17:43 Stunden und wurde damit zur siebtschnellsten Marathonläuferin aller Zeiten.
Es war überhaupt erst der dritte Marathonlauf von Joyciline Jepkosgei. 2019 gewann sie auf Anhieb den legendären New York-Marathon, gut ein Jahr später war sie mit einer Steigerung auf die Weltklassezeit von 2:18:40 Stunden Zweite in Valencia. Die einzige, die sie damals in Spanien nicht schlagen konnte, wurde im Sommer Marathon-Olympiasiegerin in Japan: ihre Landsfrau Peres Jepchirchir.
Ihre besten Ergebnisse hatte Joyciline Jepkosgei bisher eher im Halbmarathon erreicht. Erst vor sechs Wochen triumphierte sie aus dem Training für den London-Marathon heraus beim Berliner Halbmarathon: Sie gewann das Rennen mit einer Weltklassezeit und einem Streckenrekord von 65:16 Minuten.
Erst im Frühjahr 2016 erstmals außerhalb Kenias international an den Start gegangen, sorgte Joyciline Jepkosgei ein Jahr später mit einer Kette von sensationellen Ergebnissen für Furore. Im April 2017 lief die Kenianerin als erste Frau den Halbmarathon in unter 65 Minuten. In Prag stellte sie mit 64:52 Minuten nicht nur einen Weltrekord über diese Distanz auf sondern brach in diesem Rennen nebenbei auch gleich die globalen Bestzeiten über 10 km (30:04), 15 km (45:37) und 20 km (61:25). Dies ist trotz des London-Sieges die bisher größte Leistung ihrer Karriere, denn eine solche Rekordserie ist einmalig.
Im September 2017 kehrte Joyciline Jepkosgei nach Prag zurück und verbesserte in einem 10-km-Rennen ihren eigenen Weltrekord auf 29:43 Minuten – damit war sie die erste Läuferin, die in einem Straßenrennen über diese Distanz eine Zeit unter 30 Minuten erreichte. Ihre 5-km-Durchgangszeit von 14:32 war ebenso sensationell, denn keine Frau war über diese Strecke auf der Straße bis dahin schneller (die Zeit konnte aber nicht als Weltrekord anerkannt werden, da der internationale Leichtathletik-Verband damals keine 5-km-Rekorde führte). Im November 2017 schaffte Joyciline Jepkosgei dann in Valencia das Kunststück, ihren Halbmarathon-Weltrekord um genau eine Sekunde zu unterbieten (64:51). Dies ist nach wie vor ihre Bestzeit über diese Strecke.
Nach einer Malaria-Erkrankung im Spätherbst 2017 dauerte es eine Weile, bis Joyciline Jepkosgei wieder in Topform war. 2018 kam sie nicht ganz an ihre glänzenden Zeiten heran, gewann aber trotzdem bei der Halbmarathon-WM die Silbermedaille. 2019 folgte dann der Triumph in New York.
Im Gegensatz zu den meisten kenianischen Weltklasseathleten kam Joyciline Jepkosgei erst spät zum Laufsport. Mit knapp 20 Jahren, nach der Geburt ihres Sohnes Brendan, begann sie mit dem Ausdauertraining. Ihr Ehemann Nicholas Koech, der über 800 m eine Bestzeit von 1:46 Minuten erreichte, war ihr Vorbild. „Er inspirierte mich. Ich hatte früher auf der Schule seine Rennen gesehen“, erzählte Joyciline Jepkosgei. Mit ausschlaggebend für ihren Lauf-Start war allerdings auch eine Gewichtszunahme in der Schwangerschaft.
Längst haben sich die Verhältnisse beziehungsweise Gewichte in der Familie verschoben. Schon länger konnte ihr Mann nicht mehr Schritt halten mit Joyciline Jepkosgei. „Ich nehme jetzt das Auto, um sie beim Training begleiten zu können“, erzählte Nicholas Koech bereits vor ein paar Jahren.
Inzwischen wird Joyciline Jepkosgei vom italienischen Erfolgs-Coach Gabriele Nicola betreut und trainiert in Kenia meist mit männlichen Tempomachern.