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12
07
2021

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Jonas Vingegaard – ein  Fischverkäufer fährt den berühmten Tour-Stars um die Nase – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Das Gesicht ausgemergelt, der schmale Oberkörper bar jeder Athletik – ausgerechnet dieser Hänfling soll ein Sport-Star sein?

Die internationalen Fotoreporter auf der Tour de France – an Einiges gewöhnt – verwundert es, wenn sie auf den erst 24jährigen Dänen Jonas Vingegaard treffen. Doch nach zwei Wochen durch Frankreich steht ausgerechnet er, der als Helfer für den wegen eines Sturzes frühzeitig ausgeschiedenen Top-Favoriten Primoz Roglic aufgeboten wurde, im Blickfeld.

Mit fünfeinhalb Minuten Rückstand auf dem im Gelben Trikot fahrenden slowenischen Vorjahrssieger Tadej Pogacar liegt Vingegaard nämlich auf Rang drei. Und das vor Beginn der dritten Tour-Woche!

Eine Tellerwäscher-Karriere? Der Hannoveraner Christian Niermann, Teamchef von Vingegaards niederländischer Equipe Jumbo Visma, erkärt: „In Dänemark sagt man schon, dass Jonas ein neuer Tour-Sieger sein kann, aber wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Es ist ein langer Weg von seiner jetzigen Position bis zum Sieg.“ Zumal Vingegaard zum ersten Mal eine Tour de France fährt. Es ist überhaupt erste seine zweite Rundfahrt über drei Wochen, nachdem er im vergangenen Jahr die Spanien-Rundfahrt, die Vuelta, bestritten hat. Als insgesamt 46. – mehr war da nicht.

Wer ist also dieser Jonas Vingegaard:

Als die Talent-Späher vom Team Jumbo Visma vor vier Jahren auf ihn aufmerksam wurden, arbeitete er noch auf dem Fischmarkt, nahm frühmorgens um fünf Fische aus, bevor er nachmittags zum Training aufbrach. Was viel über seine Mentalität und seine Persönlichkeit aussagt. Jetzt nun nehmen die Dinge Fahrt auf – und alles ist ganz neu für ihn. Das ist nicht einfach.

„Aber ich denke, er hat das Zeug zum Grand-Tour-Fahrer“, hofft Niermann, „denn er ist ein guter Zeitfahrer, und weil er auch ein guter Kletterer und ziemlich explosiv ist, liegen noch viele Jahre vor ihm, um noch besser zu werden. Außerdem kommt er mit Druck ganz gut zurecht. Es ist freilich ein schmaler Grat.“ Ein äußerst schmaler Grat, auf dem sich Jonas Vingegaard bewegt.

Zumal Dänemark schon viele hervorragende Rad-Profis hervor gebracht hat, wie zum Beispiel  Jasper Aasgren, den Sieger der klassischen Flandern-Rundfahrt von 2012, oder Mads Pedersen, den Straßen-Weltmeister von 2019. Aber dänische Profis waren auch immer wieder ins Dopinggeschäft verwickelt, wie Michael Rasmussen im Jahre 2007, oder der frühere Telekom-Star Bjarne Riis, der 1996 als bisher einziger Skandinavier die Tour gewann – und gegen den erst in diesem Mai erneut Verfahren wegen Dopinghandels und Dopingvergehens eingeleitet wurden. Und den die dänische Königin trotz seiner großen -Erfolge bis heute niemals empfangen wollte. Das alles gehört – leider – auch zum dänischen Radsport.

Und ist eben auch eine Hypothek für den mutigen jungen Jonas Vingegaard.

Er hatte im Zeitfahren auf der 5. Etappe der Tour de France 2021 – als Einziger im gesamten Peloton – den übermächtig scheinenden Slowenen Tadej Pogacar attackiert. Zuletzt am Sonntag auf der ersten Pyrenäen-Etappe, zum ersten Male auf der Fahrt über den Mont Ventoux in der Provence. „Es war verrückt. Er ist einer der besten Rennfahrer der Welt und es war deshalb einfach verrückt,  so etwas zu tun“, entschuldigte sich Vingegaard fast ein wenig. Und dann erkärte er, erneut fast entschuldigend: „Ich habe versucht, ihm zu folgen, das war und das ist auch weiterhin der Plan. Aber wenn ich in guter Verfassung bin, kann ich ja auch versuchen, ihn anzugreifen – oder?“ Ja, warum denn nicht?

Acht Dänen sind vor zwei Wochen in der Bretagne in die Tour 2021 eingerückt. Eigentlich wollte Mads Pedersen aller Welt zeigen, was er in den Bergen leisten kann.Nun aber steht sein junger Landsmann Jonas Vingegaard im Mittelpunkt des weltweiten Interesses.

Auch, weil die Tour im nächsten Jahr in Kopenhagen beginnt und insgesamt vier Tage lang durch Dänemark führen wird. Durch ein flaches Land voller Radsport-Begeisterung. Und voller Radsport-Überraschungen. Vielleicht adann auch voller Begeisterung für Jonas Vingegaard.

Klaus Blume
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