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2009

Jens-Peter Herold war jedoch froh, den erklärten Favoriten im Wettkampf bezwungen zu haben. Der Titel wiegt schwerer.

Jens-Peter, der letzte Herold – Robert Hartmann schreibt über Jens-Peter Herold und die 1500 m bei den Europameisterschaften in Split/Jugoslawien 1990 – Der läuferische Rückblick – Teil VII

By GRR 0

Am 15. August beginnen die 12. Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. Es ist das größte Sportereignis auf deutschem Boden in diesem Jahr und der Saisonhöhepunkt eines Sports, der die Extreme bündelt. Die Leichtathletik mit ihren 47 Disziplinen gilt immer noch als der wichtigste Kernsport des olympischen Programms. Kein anderer Sport bringt Sieger aus so vielen verschiedenen Ländern hervor wie sie. Andererseits leidet sie besonders unter den Phänomenen der Moderne wie Kommerzialisierung oder Doping. 

German Road Races (GRR) wird in loser Reihenfolge über einige ehemalige  Aushängeschilder der deutschen Leichtathletik berichten, um "Appetit" auf die 12. IAAF Weltmeisterschaften der Leichtathletik zu machen!

Die Dominanz der britischen Läufer endete in Split mit der 800-m-Distanz, auf der sie durch Tom McKean und David Sharpe einen Doppelsieg feierten. Weit hinter dem neuen Europameister, der sich seine Zeit von 1:44,76 Minuten in eigener Regie organisierte, indem er dem Feld kaum Beachtung schenkte, 83 Hundertstel zurück spurteten lauter Kandidaten für die B-Rennen um die Ehrenplätze.

Seit Jahren hatten die Londoner Sex-and-Crime-Blätter gerade an McKean kein gutes Haar mehr gelassen. Als EM-Zweiter in Stuttgart 86 hinter dem Weltrekord-Artisten Sebastian Coe schon als dessen Nachfolger bestimmt, verschleuderte er also das teure Erbe. Es nutzte auch nichts, daß er ein ums andere Mal aufs Favoritenschild gehoben worden war.

Bei der WM 87 Achter, bei Olympia 88 disqualifiziert, bei den Commonwealth-Games 90, am 3. Februar in Auckland, Sechster.

Dann begann eine hitzige Diskussion darüber, ob sich ein Psychiater einmal näher mit seinen Befindlichkeiten befassen sollte. Derweil hüteten sich die Gegner vor seinen Ellenbogen oder einfach der Art, wie er sich Bahn brach. Da waren eine Menge Urteile und Vorurteile zusammengetragen, gegen die McKean sich zuerst bei der Hallen-EM im März in Glasgow als einem Probelauf und jetzt am Mittwochabend in Split zur Wehr zu setzen verstand. Er ging allen Händeln aus dem Weg.

Der Kenianer Peter Rono hatte schon in Seoul gezeigt, daß sogar die 1500 m entgegen jeder Lehrmeinung von der Spitze weg gewonnen werden können, und er durfte sich fragen, ob solche Taktik nicht noch besser auf der kürzeren Strecke fruchten könne.

Siehe da, sie tat es. Man ließ ihn gewähren. Keinem waren die 51,31 Sekunden nach der ersten Runde zu langsam. Nach 600 m setzte der Schotte sich vollends ab. Trügt der Schein, daß Europa den Verdrängungswettbewerb gegen die Athleten aus der Dritten Welt schon zu verlieren beginnt?

In 1988 standen noch 21 Läufer mit Zeiten von 1:46,0 und besser zu Buche, in 1990 waren es 14. Der britische Anteil belief sich auf neun und sieben. Der deutsche? Er geht gegen Null. Um so eindrucksvoller rückte da der letzte Herold auf den Mittelstrecken in den Blickpunkt, der neue Europameister über die 1500 m. In der Gewißheit, daß sich auf dem alten Kontinent im Schatten der afrikanischen Tempomacher keine eigenen entwickelten, feilte der Potsdamer sorgfältig an seiner Spurtkraft.

Eine letzte Qualitätskontrolle fiel zufriedenstellend aus, am 12. August erzielte der 24jährige mit 1:44,88 Minuten in Hengelo persönliche Bestzeit. Drei Tage später vergewisserte er sich in Zürich über den Stand seiner Tempohärte: 3:33,75 Minuten. Dieses Niveau rief er schon in der vierten Saison hintereinander ab. 3:33,28, 3:33,33, 3:34,00 Minuten.

Der Endlauf am Schlußtag dümpelte 1100 m lang dahin, ehe der wieder und wieder mit Wadenschmerzen zurückgeworfene Steve Cram zu verstehen gab, daß er sich stark genug fühlte, wie vor acht und vier Jahren Europas Platzhirsch zu spielen. Er stürmte mutig wie ein Junger in die Schlußrunde, es trug ihn bis 200 m vor dem Ziel fort wie in den besten Tagen; aber als er sich umdrehte, sah er Peter Elliott, »und anstatt positiv zu denken, wurde ich müde«.

Der Zahn der Zeit hatte den Glauben an das eigene Können erschüttert. Der Meilen-Weltrekordler erkannte den Gang in die Niederlage an, und immer noch war Herold einer im Dutzend. Um ehrlich zu sein, wir strichen ihn von der Liste und sahen Cram auf die Zielgerade einbiegen und im Angriff Elliotts verglühen, und Elliott sah bald den Italiener Gennaro di Napoli neben sich auftauchen, und man wußte, daß die großen Meteoren vor ihrer Zeit verblaßten. Die Führenden befanden sich fünfzig Meter vor dem Ziel. Jetzt erst spurtete Jens-Peter Herold an die Spitze, der Überraschungsgast im großen Finale.

Die letzten 300 m hatte er in 38 Sekunden zurückgelegt, die Siegerzeit von 3:38,25 Minuten wanderte in die statistischen Bücher; ein typisches Meisterschaftsrennen, in dem nur der Sieger recht hat. »Ich wußte um meine Chance. In den Meetings im ersten Teil der Saison traf ich auf fast alle Spitzenläufer und habe viel gelernt.«

Daß Elliott im Vorlauf nach einem Rempler des Erfurters Hauke Fuhlbrügge gestürzt und nicht weitergelaufen war, nach einem britischen Protest und einem Beschluß der Jury d'Appel trotzdem als 13. Läufer am Endlauf teilnehmen durfte, war bis zum Startschuß heftig diskutiert worden. Ein unseliger Präzedenzfall, der ganz nebenbei den Einfluß einer erstarkten Leichtathletik-Nation dokumentierte?

Jens-Peter Herold war jedoch froh, den erklärten Favoriten im Wettkampf bezwungen zu haben. Der Titel wiegt schwerer.

Robert Hartmann

1500 m (1.09.1990) – 1. Jens-Peter Herold (DDR) 3:38,2 – 2. Gennaro di Napoli (ITA)3:38,60 – 3. Mario Siva (POR) 3:38,4 – 4. Peter Elliott (GBR) 3:39,7 – 5. Steve Cram (GBR) 3:39,08 – 6. Jose Luis Gonzales (ESP) 3:39,15 – 7. Han Kulker (HOL) 3:39,85 – 8. Markus Hacksteiner (SUI) 3:30,44 – Eckart Rüter (D) 12. VL 3:48,,51

Jens-Peter Herold

… aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Jens-Peter Herold (* 2. Juni 1965 in Neuruppin) ist ein ehemaliger deutscher Leichtathlet, der bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul für die DDR die Bronzemedaille im 1500-Meter-Lauf gewann. Jens-Peter Herold startete für den ASK Vorwärts Potsdam (Trainer: Bernd Dießner), nach dem Ende der DDR für den SC Neubrandenburg und für den SC Charlottenburg. Er hatte bei einer Größe von 1,76 m ein Wettkampfgewicht von 64 kg.[1]

Jens-Peter Herold lebt seit Ende seiner Sportlerlaufbahn in Neuruppin und ist als Übungsleiter tätig.

Weitere Erfolge im 1500-Meter-Lauf    

Besonderheit  

Herold vergab bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1991 in Tokio eine bessere Platzierung im 1500-Meter-Lauf, als er wenige Meter vor dem Ziel im Gefühl einer sicheren Bronzemedaille jubelnd abbremste und noch von seinem Teamkameraden Hauke Fuhlbrügge überholt wurde.

Quelle: IAAF:

Herold Jens-Peter GER

Sex Weight Height Date of Birth Place of birth
M 64.00 1.76 02/06/1965 NEURUPPIN
Information
29; Defending Champion (his last race for GDR); 2 EIC 87; 6 WCH 87; 3 OLY 88; 1 EIC 90; 4 WCH 91 (eased up and lost medal); fell ht WCH 93; 9 Monte Carlo 94
Personal Best – Outdoor
Performance Wind Place Date
1000 Metres 2:16.52   Villeneuve-d'Ascq 02/07/1993
1500 Metres 3:32.77   Rieti 06/09/1992
One Mile 3:49.22   Oslo 02/07/1988
Personal Best – Indoor
Performance Wind Place Date
1000 Metres 2:17.09   Berlin 05/02/1993
One Mile 3:53.74   Karlsruhe 01/03/1994
Progression – Outdoor
Season Performance Wind Place Date
1000 Metres 1993 2:16.52   Villeneuve-d'Ascq 02/07/1993
1500 Metres 1995 3:38.12   Köln 18/08/1995
  1994 3:35.44   Monaco 02/08/1994
  1993 3:35.49   Roma 09/06/1993
  1992 3:32.77   Rieti 06/09/1992
  1991 3:35.37   Tokyo 01/09/1991
  1987 3:38.10   Roma 03/09/1987
One Mile 1995 4:03.12   Berlin 01/09/1995
  1994 3:55.85   Zürich 17/08/1994
  1993 3:52.93   Berlin 27/08/1993
  1988 3:49.22   Oslo 02/07/1988
Progression – Indoor
Season Performance Wind Place Date
1000 Metres 1993 2:17.09   Berlin 05/02/1993
One Mile 1994 3:53.74   Karlsruhe 01/03/1994

 

Finden Sie hier weitere Beiträge über deutsche Läufer und Läuferinnen in  der GRR-Rubrik "HALL OF FAME":

"HALL OF FAME" – SPORTGESCHICHTE

 

Weitere Beiträge in der WM Serie  zum Thema: Der läuferische Rückblick – I – VI

Willi Wülbeck – "Williii" oder von der Lust am Laufen – Robert Hartmann schreibt über Willi Wülbeck und die 800 m in Helsinki 1983 – Der läuferische Rückblick – Teil VI

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PATRIZ ILG – Am Anfang der Zukunft – Michael Gernandt in der Süddeutschen Zeitung – PATRIZ  ILG 1983 erster Weltmeister im Hindernislauf – Ein läuferischer Rückblick – Teil I.

PATRIZ ILG – Am Anfang der Zukunft – Michael Gernandt – Ein läuferischer Rückblick – Teil I.

 

 

author: GRR

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