Blog
18
10
2012

Jan Simon Hamann: „Möchte jetzt wissen, wohin die Reise gehen kann!“ - Wilfried Raatz berichtet ©wus-media - Wilfried Raatz

Jan Simon Hamann: „Möchte jetzt wissen, wohin die Reise gehen kann!“ – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Während erwartungsgemäß Susanne Hahn in München Deutsche Marathonmeisterin wurde, ist der Sieg des 26jährigen Bochumer Debütanten Jan Simon Hamann eine echte Überraschung. Wilfried Raatz hat sich mit dem neuen Marathonmeister unterhalten.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Überraschungscoup und dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Bitte schildern Sie uns noch einmal den Rennverlauf aus Ihrer Sicht?

Natürlich war ich gespannt, wie das Rennen verlaufen würde. Anfangs bin ich eigentlich nur mit den Arrivierten mitgeschwommen und war gespannt, wann es hart werden würde. Mein Vorstoß nach 20 km war dann doch etwas zu flott, sodass ich mir wenig später schon die Frage stellen musste: Wie kann das nur gut gehen? Als dann Sven Weyer weggelaufen war, hatte ich Angst, dass sich alle von hinten wieder an mich heransaugen würden. Nach 32 km habe ich allerdings gemerkt, dass Sven immer langsamer wurde, auch wenn ich selbst das Gefühl hatte, kein besonderes Tempo mehr laufen zu können. Die letzten vier, fünf Kilometer waren dann sehr, sehr hart. Im Ziel war ich natürlich völlig fertig, aber die anderen waren auch nicht schneller als ich.

Bislang waren Sie auf den Strecken zwischen 5.000 und 10.000 m anzutreffen. Ihre bislang längste Straßenlaufdistanz war eine eher mäßige 1:09 auf der Halbmarathondistanz. Wann ist der Entschluss gereift, ausgerechnet die deutschen Marathonmeisterschaften mitlaufen zu wollen?

Meine größten sportlichen Erfolge hatte ich allesamt in diesem Jahr, obwohl ich seit meinem zehnten Lebensjahr laufe. Aber intensiv trainiere ich erst seit zwei Jahren. Nachdem ich in Marburg (Anm. Deutsche 10.000 m-Meisterschaften) als Achter unter 30 Minuten gelaufen war, ist es mir auch gelungen, die Qualifikationszeit für die 5000 m-Meisterschaften zu unterbieten. Platz 17 beim Heimspiel in Wattenscheid war doch sehr enttäuschend. Deshalb habe ich eine neue Herausforderung gesucht und mir gesagt: Warum nicht Marathon!  

Wie haben Sie sich auf Ihr Marathondebüt vorbereitet?

Mit meinem Trainer Wolfgang Pötschnick haben wir einen 12-Wochen-Plan durchgezogen und dabei oftmals über 200 Wochenkilometer gelaufen. Zuvor mochte ich eigentlich keine Dauerläufe, dann haben diese mir sogar richtig Spaß gemacht. Da Jan Fitschen auch in Bochum wohnt, konnte ich sogar einige Male mit ihm laufen. Und vor ihrer Verletzung auch mit Eleni Gebrehiwott. Ich habe dabei vor allem mein Dauerlaufniveau gesteigert, so dass ich am Ende kaum Läufe über 4:00 Minuten-Tempo mehr hatte. Die Spitzen waren dabei auf das Wettkampftempo ausgerichtet. Deshalb habe ich viel im Geschwindigkeitsbereich um 3:15 pro Kilometer trainiert.

Ist der Gewinn der Gewinn der Deutschen Meisterschaft für Sie nunmehr mit dem  Startpunkt für eine Marathon-Karriere gleichzusetzen?

Natürlich möchte ich jetzt gerne wissen, wohin es vielleicht noch gehen kann. Im Rennen war ich weniger auf eine Zeit fixiert, ich wollte einfach nur gewinnen! Mittelfristig kann ich mir schon gut vorstellen, dass ich mich in der Spitze etablieren kann. Dazu ist aber ein Sprung in Richtung 2:15 nötig. Das wäre ein Traum! Dass dieses machbar ist, das sieht man an Sören Kah, der sich kontinuierlich verbessert hat. Natürlich gibt es einige, die können noch schneller laufen als ich. Aber 2014 gibt es Europameisterschaften, das könnte doch etwas für mich sein!

Was bedeutet für Sie nun dieser Deutsche Meisterschaftstitel?

Das ist zunächst einmal super für den Verein! Mich hat es einfach zusätzlich motiviert, weil ich keine Promi-Nummer hatte. Obwohl ich in Nagold schon Fünfter über 10 km geworden war. Für mich ist dieser Titel wichtig, weil ich nun schon einige geschlagen habe, die nicht so schlecht sind. Aus diesem Grund ist es auch keine ganz so schwache DM gewesen. Auch wenn Jan Fitschen oder Stefan Koch nicht dabei waren. Die Zeit ist natürlich nichts besonderes, aber immerhin war es unter 2:20 Stunden.

Erzählen Sie uns etwas über ihren läuferischen Background, denn selbst den Experten war bislang der Name Jan Simon Hamann kein Begriff!

Ich bin früher für die LG Nordheide gelaufen wie auch Sören Ludolph oder Jana Sussmann. Mit Sören auch ab und zu schon einmal einige Zweihunderter gelaufen… Aber ich habe nicht wirklich viel gemacht. Mit einer Bestzeit von 16:49 bin ich nach Bochum zum Studium gekommen und mich dann schrittweise gesteigert. Nach einem verletzungsfreien Jahr sind dann auch die Ergebnisse über 5.000 m und 10.000 m gekommen.

Sie haben uns im Vorgespräch erzählt, dass Sie in Bochum Philosophie und Theaterwissenschaften studieren. Wenn sich nun ein sportlicher Erfolg abzeichnet, wäre es für Sie vorstellbar, unter professionellen Bedingungen weiter zu trainieren?

Ich habe diese Fächer studiert, weil diese mich interessieren. Was ich beruflich machen werde, das ist noch völlig offen. Ich befinde mich da in einer Findungsphase. Zum Glück unterstützt mich mein Vater, der früher auch Langstrecken und Marathonläufe bestritten hat. Klar, sportlich möchte ich nun schon wissen, wohin die Reise geht. Ein Start im Nationaltrikot wäre schon ein Traum für mich!

Ich glaube, ich habe jetzt Blut geleckt!  

 

Wilfried Raatz für „leichtathletik.de“
 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply