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29
07
2009

Bolt bestätigte am Sonntag indirekt, dass Blake zu den fünf positiv getesteten Athleten gehört.

Jamaikas Sprinter – Nicht schnell genug für schlechte Nachrichten – Michael Reinsch, London, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

27. Juli 2009 Das britische Wochenende war hart für die besten Sprinter der Welt. Die jamaikanischen Läuferinnen und Läufer, an beiden Tagen bejubelt von Tausenden enthusiastischer jamaikanischer Fans unter den 17.000 Besuchern im Crystal Palace in London, wurden von der Meldung eingeholt, dass fünf von ihnen bei den jamaikanischen Trials vor vier Wochen positive Dopingproben abgegeben hatten.

Der bekannteste der betroffenen Athleten ist offenbar Yohan Blake, 19 Jahre alt, Freund und Trainingspartner des dreifachen Olympiasiegers Usain Bolt und in London am Start.

Bolt selbst, dem großen Star des Sprints und der Leichtathletik, verging zwar im Laufe seiner Rennen im Crystal Palace das Lachen. Doch von den schnellsten Männern der Welt geht er als einziger gestärkt in die letzten drei Wochen vor den Weltmeisterschaften in Berlin. Der dreifache Weltmeister Tyson Gay trudelte über 200 Meter auf den letzten dreißig Metern aus und gewann das Rennen in 20,00 Sekunden. Doch er machte nicht den Eindruck, als hätte er – so wie Bolt, als dieser bei seinem Sieg über 100 Meter in 9,91 Sekunden vor dem Ziel beide Fäuste in Hüfthöhe ballte – eine bessere Zeit aus Übermut verschenkt. Im Gegenteil: Der 26 Jahre alte Amerikaner humpelte von der Bahn geradewegs zum Physiotherapeuten. Eine Leistenverletzung verhindere seit Wochen das Training, sagte er, er nehme Schmerzmittel, um laufen zu können. Nach der Weltmeisterschaft werde er sich operieren lassen.
 
Powell schaffte nur 10,26 Sekunden

Und auch Asafa Powell, dessen Weltrekord von 9,74 Sekunden Bolt im vergangenen Jahr zweimal unterbot, genügte seinen eigenen Ansprüchen nicht. In 10,26 Sekunden kam er in London nur auf Platz sechs. Kein bisschen konnte der 26 Jahre alte Jamaikaner seine starken Sprüche durch Taten bestätigen. Vollmundig hatte er angekündigt, dass er sich als Nummer eins der Sprintwelt sehe, nicht, wie es die Jahresbestzeiten ausweisen, als Nummer drei.

Aber Statistik ist ohnehin nicht viel wert, da der überragende Bolt dort lediglich als Zweitbester geführt wird. Seine im Vergleich zu Gay schlechteren Zeiten (9,79 zu 9,77 Sekunden über 100 und 19,59 zu 19,58 über 200 Meter) erzielte er bei Regen und Kälte.

Zum Schluss der Veranstaltung in London am Samstagabend rannte Bolt als Staffel-Schlussläufer seiner Trainingsgruppe Racers Track Club gemeinsam mit Daniel Bailey (Antigua) sowie seinen jamaikanischen Landsleuten Blake und Mario Forsythe zu einer Zeit von 37,46 Sekunden über 4×100 Meter. Schneller waren nur die jamaikanische Nationalmannschaft bei ihrem Olympiasieg von Peking 2008 (37,10) und die amerikanische beim Olympiasieg 1992 in Barcelona und bei den Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart (37,40). „Ich gehe mit einer Mission nach Berlin“, kündigte Bolt an.

Methylxanthin sei in rezeptfreien Hustensäften enthalten
 
Blake war beim Wechsel so schnell gestartet, dass die Kampfrichter seine Staffel zunächst disqualifizierten, den Ausschluss aber nach einer halben Stunde aufhoben. Mit einem ähnlichen Ausgang dürfte Blake in Sachen Dopingprobe rechnen. Das erste Signal gab der Verband, indem er ihn – trotz Krisensitzung mit Premierminister Bruce Golding – lediglich von dem Ergebnis informierte, ihn aber nicht suspendierte. Das zweite übermittelte am Sonntag die Tageszeitung „Jamaica Observer“. Unter Berufung auf hochrangige Quellen führte sie die von Funktionären als „kleinere Verstöße“ bezeichneten Dopingfälle auf die Substanz Methylxanthin zurück. Diese wird bei Bronchialasthma oder Herzinsuffizienz verordnet. Die Zeitung zitiert einen Arzt, der sagt, Methylxanthin sei in rezeptfreien Hustensäften enthalten.

Unterdessen hat sich Radio Jamaica die Namen der positiv getesteten Athleten bestätigen lassen: Neben Blake sind das demnach die Commonwealth-Meisterin im Sprint, Sheri-Ann Brooks, der Sprinter Marvin Anderson sowie die 400-Meter-Läufer Lanceford Spence und Allodin Fothergill. Auch Anderson gehört der Gruppe von Glen Mills an, die 21 Mitglieder hat und deren bekannteste Bolt und Kim Collins, der in Jamaika lebende Sprint-Weltmeister von 2003, sind. Am Mittwoch sollen die betroffenen Athleten in Kingston angehört werden.

„Bis Berlin ist genug Zeit, sich auszukurieren“

Blake, eines der größten jamaikanischen Talente im Sprint, hat sich Mills' Gruppe im Herbst angeschlossen. In diesem Jahr sprintete er bereits zweimal unter zehn Sekunden, wurde aber bei den Trials lediglich Fünfter. Am Freitag schien er schneller von Journalisten als von seinem Verband über die Dopingbefunde informiert worden zu sein. Nach dem Vorlauf über 100 Meter, den er in 10,18 Sekunden gewonnen hatte, überraschte ihn ein Fernsehteam mit der Frage, was er von den jüngsten jamaikanischen Dopingfällen halte. Nichts, stammelte Blake und beteuerte: „Ich bin sauber!“ Von da an stand er für Fragen nicht mehr zur Verfügung.
Man kennt sich: Trainingspartner Blake (l.) und Bolt

Bolt bestätigte am Sonntag indirekt, dass Blake zu den fünf positiv getesteten Athleten gehört. Er habe ihn nicht trösten müssen, sagte er. „Ihm geht's gut.“ Auf die Frage, ob es sich um ernsthafte Dopingfälle handele, erwiderte der 22-jährige Bolt: „Klang nicht so. Aber in Wirklichkeit wissen wir nichts. Wir wissen nicht genau, was es ist; sie müssen auf den zweiten Test warten, um sicher zu sein, was was ist und was getan werden muss.“ Auch für seinen Rivalen Gay fand er aufmunternde Worte.

„Bis Berlin ist genug Zeit, sich auszukurieren.“ Er möchte ihm die Titel am liebsten im direkten Vergleich abnehmen.

 Michael Reinsch, London, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 27. Juli 2009

author: GRR

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