Wenn Kenenisa Bekele an den Start geht, ist er normalerweise nicht zu schlagen. Doch hinter der Form des äthiopischen Weltrekordlers und Doppel-Olympiasiegers steht ein Fragezeichen
ISTAF-Vorschau – Isinbayewa und Co. locken die Massen – Das Meeting der Duelle im Berliner Olympiastadion – Jörg Wenig berichtet
Zum letzten Mal bildet das DKB-ISTAF den Auftakt der AF Golden League-Serie des internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF, die im kommenden Jahr von der Diamond League abgelöst wird. Am kommenden Sonntag wird das Meeting im Berliner Olympiastadion dabei in zumindest einer Hinsicht sicherlich auch in diesem Jahr wieder ganz vorne sein in der Rangliste der internationalen Sportfeste:
55.000 Tickets waren bei Redaktionsschluss bereits abgesetzt, so dass Meeting-Direktor Gerhard Janetzky bis zu 65.000 Zuschauer erwartet – so viele Menschen wie das DKB-ISTAF lockte in den vergangenen Jahren kein anderes Sportfest. Titelsponsor DKB hat dabei einmal mehr einen großen Anteil, denn die Bank vertrieb die Karten für den kompletten Oberring der Arena.
Vor einem Jahr sahen knapp über 67.000 Zuschauer im Vorfeld der Olympischen Spiele eine ganze Kette von Weltklasseleistungen. Das DKB-ISTAF 2008 hatte angeknüpft an seine besten Zeiten in den 90er Jahren. Am Sonntag hofft Gerhard Janetzky bei der 68. Auflage des einzigen verbliebenen deutschen Weltklasse-Freiluftmeetings erneut auf viele hochklassige Ergebnisse. Dabei stehen auch eine Reihe von großen Duellen im Mittelpunkt, allen voran das Aufeinandertreffen der beiden derzeit besten Hochspringerinnen der Welt: Blanka Vlasic (Kroatien) und Ariane Friedrich (Eintracht Frankfurt).
Um eine Million US-Dollar geht es in den zehn Disziplinen der AF Golden League: 100 m, 400 m, 3.000/5.000 m, 110 m Hürden, Speerwurf (jeweils Männer) und 100 m, 400 m, 100 m Hürden, Hochsprung, Stabhochsprung (Frauen). Wer bei allen sechs Stationen – Berlin, Oslo, Rom, Paris, Zürich, Brüssel – gewinnt, erhält einen entsprechenden Anteil an dem Jackpot.
Doch nicht alle Stars haben im finalen Golden-League-Jahr Interesse an der Jagd auf die Dollar-Million. Besonders bei den Männern wird das offensichtlich. Es ist nicht gelungen, Superstar Usain Bolt (Jamaika) für die komplette Serie zu verpflichten. Der dreifache Sprint-Olympiasieger wird daher nicht beim DKB-ISTAF an den Start gehen, ebenso wenig wie sein wieder erstarkter US-amerikanischer Herausforderer Tyson Gay.
Kubas Hürdensprint-Olympiasieger Dayron Robles steht ebenfalls nicht auf der Startliste. Und gleiches gilt für die beiden 400-m-Stars Jeremy Wariner und LaShawn Merritt (beide USA). Bei den Frauen fehlen die jamaikanischen 100-m-Stars, Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser und Veronica Campbell-Brown (200-m-Siegerin in Peking). Auch für sie scheint der Jackpot nicht lukrativ genug.
Ob die Diamond League allerdings im kommenden Jahr mehr Stars an sich binden kann, bleibt abzuwarten. Dass das DKB-ISTAF 2010 dabei ist, scheint dabei fraglicher denn je. „Bis zum Ende dieses Monats müssten wir uns bei der IAAF um die Teilnahme bewerben“, erklärte Gerhard Janetzky gegenüber Leichtathletik. Dass IAAF-Präsident Lamine Diack Berlin und damit ein deutsches Meeting nur zu gerne in der neuen, derzeit zwölf Stationen umfassenden Serie hätte, ist bekannt.
Die Bewerbung wäre also nur eine Formsache. Doch bevor es dazu kommen kann, „gibt es noch viele offene Fragen“, so Janetzky. Kernproblem bleibt weiterhin die ungewisse Fernsehfrage. ARD und ZDF wollen, so erklärt der Berliner Meeting-Chef, erst nach der WM im September eine Entscheidung über zukünftige Leichtathletik-Übertragungen fällen. Das dürfte zu spät sein für das DKB-ISTAF, denn hinzu kommt, dass diverse Sponsorenverträge – unter anderem der mit der DKB – auslaufen.
Die besten Duelle beim DKB-ISTAF:
1. Hochsprung
Blanka Vlasic – Ariane Friedrich
Die beiden derzeit besten Hochspringerinnen der Welt treffen zum ersten Mal in dieser Saison aufeinander – und das in der Arena, in der zwei Monate später auch die Weltmeisterin gekürt wird. Für die Siegerin am Sonntag könnte dies ein psychologischer Vorteil bei der WM sein. Immer noch ist Blanka Vlasic dabei als Favoritin anzusehen, denn zu dominant war sie in den letzten Jahren. Im direkten Vergleich mit Ariane Friedrich (Eintracht Frankfurt) steht es 14:4 für die Kroatin. Doch bei den letzten fünf Aufeinandertreffen seit Olympia in Peking hieß die Siegerin dreimal Friedrich.
Die Deutsche hat sich für die Kroatin zu einer Art Angstgegnerin entwickelt, zumal sie es zuletzt zweimal schaffte, die amtierende Weltmeisterin zu verwirren und dann auch zu besiegen. Beim Hallen-Meeting in Karlsruhe ließ Ariane Friedrich ungewöhnlich viele Höhen aus, im Hallen-EM-Finale von Turin legte sie überraschende Höhen beim Einspringen auf. Ihre letzten zehn Wettkämpfe hat Ariane Friedrich alle gewonnen. Und auch beim DKB-ISTAF landete sie schon einmal vor Blanka Vlasic: 2006 wurde die Deutsche Siebente mit 1,90 m während Vlasic als Neunte nicht über 1,85 m hinauskam.
2. Speerwerfen
Andreas Thorkildsen – Tero Pitkämäki
Beim DKB-ISTAF beginnt eine neue Runde des großen skandinavischen Speerwurf-Duells zwischen dem Norweger Andreas Thorkildsen und dem Finnen Tero Pitkämäki. Der eine war noch nie Olympiasieger (Pitkämäki), der andere noch nie Weltmeister (Thorkildsen). Der Norweger gewann dabei in Peking 2008 zum zweiten Mal nach Athen 2004 olympisches Gold. Pikämäki wird in Berlin in zwei Monaten als Titelverteidiger an den Start gehen. Weiten von über 85 Metern sind bei diesem Duell immer möglich.
Wie eng die zwei beieinander liegen, zeigen auch ihre persönlichen Rekorde: Pikämäkis Speer landete 2005 bei 91,53 m, Thorkildsen warf ein Jahr später sechs Zentimeter weiter. In bisher 41 direkten Duellen war Pitkämäki 22 Mal besser als Thorkildsen. Ein Golden League-Jackpot-Sieg ist noch keinem der beiden gelungen, zu stark ist jeweils der andere. Im vergangenen Jahr entschied beim DKB-ISTAF ein Zentimeter das Rennen um den Sieg: Pitkämäki war mit 85,20 m vorne.
3. Diskuswerfen
Gerd Kanter – Virgilius Alekna
Der zweifache Olympiasieger und zweifache Weltmeister Virgilius Alekna (Litauen) trifft im Olympiastadion auf seinen Nachfolger Gerd Kanter. Der Este entthronte Alekna zunächst vor zwei Jahren als Weltmeister und wurde dann im vergangenen Jahr Olympiasieger in Peking. Von den bisherigen Aufeinandertreffen hat Alekna 47 gewonnen, Kanter acht. Alekna zeigte im Winter und Frühjahr bereits ,WM-Frühform’:
In Chula Vista (USA) gewann er im April einen Wettbewerb mit 70,84 m, Anfang Juni warf er 69,07 m. Doch auch Alekna ist gut in die Saison gestartet. Er erreichte bisher 67,62 m. Kanters persönlicher Rekord steht bei 73,38 m, Alekna warf schon genau einen halben Meter weiter. Doch so weit wird es am Sonntag nicht gehen, und deswegen kann sich auch Robert Harting (SCC Berlin) Chancen ausrechnen. Der Überraschungs-Vize-Weltmeister von 2007 ist mit 66,93 m sehr gut in die Saison gestartet.
4. 5.000 Meter
Kenenisa Bekele – Edwin Soi
Wenn Kenenisa Bekele an den Start geht, ist er normalerweise nicht zu schlagen. Doch hinter der Form des äthiopischen Weltrekordlers und Doppel-Olympiasiegers steht ein Fragezeichen. Nach seinem Ermüdungsbruch im Fuß im vergangenen Herbst bei einem 15-km-Rennen in Holland, ging er in Hengelo vor kurzem erstmals wieder an den Start. Doch Kenenisa Bekele kam nicht ins Ziel, er gab das 1.500-m-Rennen auf.
Aus einer Reihe von starken kenianischen Läufern könnte Edwin Soi der gefährlichste für Kenenisa Bekele sein. Der Olympia-Dritte von Peking über 5.000 m verfügt über exzellente Spurtqualitäten, kann aber auch in schnellen Rennen bestehen. Seine persönliche Bestzeit steht bei 12:52,40 Minuten.
In bisher sieben direkten Vergleichen hieß der Sieger bisher allerdings stets Kenenisa Bekele.
Jörg Wenig
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