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01
02
2018

Das Ziel von Cindy Roleder (r.) ist die EM im Berliner Olympiastadion. ©Horst Milde

Istaf indoor in Berlin : Cindy Roleder ist wieder da – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0
Ah, dieser Nervenkitzel! Cindy Roleder genießt es, zurück zu sein in der Welt der Leichtathletik.
 
Von zwölfeinhalbtausend Zuschauern konnte sich die Europameisterin im Hürdensprint sowohl über 100 als auch 60 Meter beim Istaf indoor in Berlin bejubeln lassen. Zwei hervorragende Läufe gelangen der 28 Jahre alten Athletin am Freitagabend, und sie genoss Beifall wie Leistung, schließlich hatte sie mehr als ein halbes Jahr auf beides verzichten müssen.
 
„Es ist ungewohnt, wieder vor großer Kulisse zu laufen“, sagte sie, nachdem sie über 60 Meter in 8,00 und 7,93 Sekunden über die Hürden gestürmt war. „Es ist dieses Feeling, das unseren Sport ausmacht. Daran muss ich mich erst mal wieder gewöhnen. Beim Vorlauf zitterte mir der Fuß, so aufgeregt war ich.“

Auch buchstäblich dürfte der Abend in Berlin einen Nerv getroffen haben: den Ischias, der ihr mit einer Entzündung die lange Pause und den Verzicht auf die Weltmeisterschaft von London im vergangenen Jahr beschert hatte.

„Ich werde ihn morgen merken, definitiv“, prognostizierte sie gar nicht unglücklich. „Das waren zwei Rennen auf hohen Niveau. Da sagt der Ischias wieder: Hi, ich bin noch da, und nach einem Tag ist es wieder weg.

Erst im Dezember entschied sich Cindy Roleder für die Hallensaison: „Ich brauche Starts.“ Deshalb trat sie, die erst eine Hürdensprinterin von Weltklasse ist, seit sie zum Mehrkampf zurückgekehrt und aus Leipzig zu Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne nach Halle gewechselt ist, im Januar bei der Landesmeisterschaft von Sachsen-Anhalt im Mehrkampf in Sprint, im Weitsprung und im Kugelstoßen an – keine Kleinigkeit, wenn man gerade erst Rückenproblem hatte.

Vierzehn Tage später nahmen die Veranstalter bei der Landesmeisterschaft der Spezialisten den Hürdensprint nur für sie ins Programm. Ein Meisterschaftslauf ohne Konkurrenz reizte sie nicht, also startete sie gemeinsam mit ihrem Trainingspartner Julian Markquart. „Wir sind zu zweit gelaufen, früh um zehn in meiner Trainingshalle“, erzählt sie. „Das machen wir öfters mal, weil ich keinen Lauf bei den B-Jugendlichen brauche, sondern Konkurrenz.“

In 8,10 Sekunden erfüllte sie die Norm für die Hallen-Weltmeisterschaft in Birmingham Anfang März.

Nun ist sie auch im Spitzensport zurück, das erlebte sie am Wochenende. Hinter der Weißrussin Alina Talay (7,89 Sekunden) und praktisch gleichauf mit Pamela Dutkiewicz (Wattenscheid/7,93) wurde sie Dritte. „Unter acht Sekunden“, freute sie sich, „damit hatte ich nicht gerechnet.“ Ihr ist damit ein besserer Einstand in die Saison gelungen als im vergangenen Jahr, als sie in Belgrad Hallen-Europameisterin wurde. Fast hätte sie noch schneller laufen können, im Vorlauf ließ sie nach der ersten der fünf Hürden locker. Es war ein Schlag, der sie bremste.
 
„Wenn man sich das Video anschaut“, sagt Cindy Roleder, „sieht man, dass Alina ihre Hand drüben hatte. Natürlich nicht absichtlich. Sie hat sich gleich nach dem Rennen entschuldigt.“ Die Rückkehrerin nahm auch dieses handfeste Willkommen positiv. „Das hat mich schon ein bisschen aus dem Tritt gebracht“, konstatierte sie. „Aber acht-null! Ohne Rhythmus!“

Die Hallen-Wettkämpfe sind lediglich der Auftakt einer Saison, die ihren Höhepunkt im August haben wird in der Europameisterschaft in Berlin. Den Titel gewann Cindy Roleder schon vor zwei Jahren in Amsterdam, aber das war die sogenannte kleine EM, die im Schatten der folgenden Olympischen Spiele steht.

Für die große EM im Olympiastadion hat sie sich viel vorgenommen.

Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 28.01.2018 

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 


author: GRR

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