Ist es denn zu fassen? - Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Lathi ohne die Besten der Welt? ©Klaus Blume - laptopwerk
Ist es denn zu fassen? – Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Lathi ohne die Besten der Welt? Von Klaus Blume
Am Donnerstag gab es bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Lathi die erste Entscheidung. Wann es traditionell den ersten Doping-Eklat gibt – wer weiß?
Geben wird es ihn schon, wenn auch hinter den Kulissen. Denn für den Heidel-berger Doping-Experten Werner Franke ist der Skilanglauf, neben dem professionellen Radsport, "die versauteste Sportart überhaupt."
Sind die Weltmeisterschaften ohne die Olympiasieger Alexander Legkow und Therese Johaug ein Muster ohne Wert?
Nicht geschäftlich. Die gedopte Norwegerin Johaug wird von anderen Norwegerinnen vertreten, deren eingeplante WM-Erfolge die Ski-Hersteller als programmgemäße Verkaufsförderung deklarieren werden.
Denn skandinavische Namen ziehen bei der internationalen Klientel immer; das kennt man seit dreißig Jahren. In Europa, Nordamerika, Asien – und selbstredend in Skandinavien. Russische Namen hingegen verunsichern den Käufer. Kaum aussprechbar, lassen sie sich selten merken.
Deshalb werben Ski-Konzerne bei den Weltmeisterschaften – wie jetzt im finnischen Lathi – lieber mit dem nachweislich gedopten Norweger Martin Johnsrud Sundby, als mit dem möglicherweise gedopten Russen Legkow. So etwas hat sich immer bewährt.
Als sich bei der WM 1991 in Val di Fiemme der Russe Alexej Prokurorow anschickte, die Königsdisziplin – den 50 Kilometer langen Skimarathon – zu gewinnen, verwachsten die Techniker dessen Ski auftragsgemäß derart, dass nur Rang sechs möglich wurde. So siegte, wie geplant, der smarte Schwede Torgny Mogren – noch heute ein willkommener Verkaufsförderer.
Schließlich geht‘s im Skilangauf in erster Linie um Marktvorteile, um Umsätze.
Während jetzt in Finnland die Weltmeisterschaften laufen, laufen sich beim schwedischen Wasaloppet 64 000 Hobby-Läufer aus 58 Ländern die Lunge aus dem Leib. Alle fünf Kilometer fühlt sich die Luft zwar an, als werfe einem jemand eine Tüte Reißzwecken in den Hals – trotzdem halten die meisten die 90 Kilometer durch. Sie eifern schließlich den Stars von Lathi nach: Sundby, Hellner oder Heikkinen. Auf einer riesigen, clever konzipierten Messe für Langlauf-Freaks aller fünf Kontinente.
Auf der alles zu haben ist, was das Herz des Langläufers begehrt. Synergie-Effekt nennt man so etwas. Und das funktioniert seit den frühen 1970er Jahren. Inzwischen per annum auf 36 solcher Veranstaltungen – von Australien bis Island. Dort steppt der Bär, nicht auf irgendeiner WM.
Doping bei den Stars? – Niemals
So etwas hat bisher – nachweislich – nur dem finnischen Tourismus geschadet. Aber niemals den Herstellern von Skibrettern, Bindungen, Schuhen, Stöcken oder Anoraks. Obwohl es seit 1991 keine WM, keine Olympischen Spiele ohne Langlauf-Skandale gegeben hat. Wann dieses Schlimme begonnen hat? Aktenkundig 1974, mit dem Staatsplan 14.25 in der DDR, parallel dazu in der Sowjetunion, unterstützt vom thüringischen Doping-Forscher VEB Jenapharm. Doch bereits früher in Skandinavien. Der dreimalige Olympiasieger Eero Mäntyranta – DIE Legende des Langlaufs schlechthin – wurde, zum Beispiel, schon 1972 positiv auf Amphetamine getestet; doch der Verband verschwieg es. Bis heute. Denn bis 1997 galt ohnehin nur der Tod als Doping-Grenze.
Dabei wusste der Internationale Ski-Verband (FIS) bereits in den 1990er Jahren, dass – weltweit – 185 Männer und 165 Frauen gefährlich hohe Blutwerte aufwiesen. Aber es herrschte die Omerta, auch heute noch. Zum Beispiel in Sachen Wladimir Smirnow, der bei der WM 1995 im kanadischen Thunder Bay sein Leben für drei Goldmedaillen riskiert hat. So dick war damals sein Blut! Später arbeitete der Kasache für die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und als Vize-Präsident der Internationalen Biathlon-Union (IBU).
Ähnlich schlimm stand es in den 1990er Jahren um die erfolgreichsten Athleten der Langlauf-Histoire, die Norweger Björn Daehlie (12-mal OS, 17-mal WM) und Vegard Ulvang. Daehlie gilt beim Norge Skiforbund als sakrosankt; er sei eben genetisch anders veranlagt als unsereins. Außerdem gäbe es aus den 1990er Jahren keine Unterlagen mehr. Und Ulvang? Ein Ehrenmann! Er erfand für die FIS nicht nur die Tour de Ski. „Vegard" heißt auch jener Jet, mit dem betuchte Osloer allwöchentlich zum Shopping ins Londoner „Harrod‘s" fliegen.
Wer findet sich in diesem Irrgarten zurecht ?
In keiner anderen Sportart gibt es schließlich ein so enges Netzwerk zwischen Athleten und Funktionären, Doping-Kontrolleuren und Team-Ärzten, Firmen-Managern und Politikern.
Wird mal ein Athlet wegen Dopingbetrugs zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, wie 2001 der finnische Weltmeister Harri Kirvesniemi, findet er sich im Führungsteam eines Ski-Herstellers wieder.
Und weil das immer wieder funktioniert, verlängern sich Karrieren auch nach dem Rücktritt vom aktiven Sport. Wie bei der Südtirolerin Manuela di Centa. Sie startete am 21. Dezember 1993 im schwedischen Falun – ohne aufzufallen – mit einem Hämatokritwert von 51,3 %; normal sind 45 Prozent. Bei Olympia 1994 in Lillehammer, wo sie zwei goldene, zwei silberne und eine bronzene Medaille gewann, wurde ihr Hämatokritwert, mit Hilfe von EPO, auf über 50% angehoben. Unbemerkt. Von 1997 bis 1999 arbeitete sie dann in der Anti-Doping-Kommission des IOC, dessen Ehrenmitglied sie seit 2010 ist. Im NOK Estlands wiederum spielt die zweimalige Olympiasiegerin Kristina Smigun noch immer eine wesentliche Rolle, wenngleich seit drei Jahren ein Dopingverfahren gegen sie läuft.
„Kein Kommentar", sagt der Schwede Bengt-Erik Bengtsson zu alledem
Weit über 20 Jahre lang hat er mit einem geradezu unheimlichen Netzwerk als FIS-Ressortchef den internationalen Skilanglauf nach Gutdünken gesteuert. Er nahm, wie im Dezember 2000 in Italien, mit der gedopten Finnin Virpi Kuitunen, schon mal jemanden vorzeitig aus dem Rennen, um sie vor Kontrollen zu bewahren. Dass sie 2001 dennoch des Dopings überführt wurde, konnte er nicht verhindern. Sechs Jahre darauf kürten finnische Journalisten sie ohnehin zur „Sportlerin des Jahres".
Heute schreibt sie in Helsinkis angesehensten Blättern erregte Kommentare über gedopte Russen und angeblich asthmakranke Norweger. Pensionär Bengtsson wiederum mischt sich in seinem Blog ein.
Über den aktuellen Super-Star Petter Northug aus Norwegen verkündet er: „Seine Erfolge sind das Ergebnis einer Art Blutmanipulation, ganz klar! Aber welcher Art, kann ich nicht sagen." Ja, wer dann?
Klaus Blume – freier Journalist – Hamburg
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