Der Virgin London-Marathon ist der bestbesetzte City-Marathon des Jahres. Das ist in etwa so wie eine Weltmeisterschaft.
Irina Mikitenko: „London ist wie eine Weltmeisterschaft“
Irina Mikitenko (TV Wattenscheid) wird am kommenden Sonntag als Titelverteidigerin beim Virgin London-Marathon an den Start gehen. Die 37-Jährige könnte sogar einen ,Hattrick’ schaffen, denn auch 2008 hatte sie den bestbesetzten City-Marathon des Jahres gewonnen. Vor ihrem Start an den Themse gab die deutsche Marathon-Rekordlerin (2:19:19 Stunden in Berlin 2008) das folgende Interview:
Dreimal sind Sie bisher bei Straßenrennen in London an den Start gegangen und immer hieß die Siegerin Irina Mikitenko – neben zwei Marathonsiegen gewannen Sie 2008 auch ein 10-km-Rennen in London. Mit welchen Gefühlen werden Sie nun in die britische Metropole zurückkehren?
Irina Mikitenko: London gefällt mir. Die Organisation der Rennen ist perfekt und ich bin dort immer gut gelaufen. Deswegen freue ich mich darauf, nach London zurückzukehren. Zugleich gibt es aber auch ein Gefühl von Spannung: Wie werden zum Beispiel die Wetterbedingungen sein, wie stark ist die Konkurrenz und wie wird sich das Rennen entwickeln? Jeder Marathon ist anders – es passiert immer irgendetwas, womit man vorher nicht rechnen kann.
Mit welchem Ziel gehen Sie in London an den Start?
Irina Mikitenko: Natürlich möchte ich gerne wieder gewinnen – wenn du dieses Ziel nicht hast, brauchst du gar nicht erst an den Start gehen. Aber da spielen natürlich viele Faktoren eine Rolle. Der Virgin London-Marathon ist der bestbesetzte City-Marathon des Jahres. Das ist in etwa so wie eine Weltmeisterschaft. Auch wenn man in solch einem Wettbewerb ein sehr gutes Rennen läuft, kann es passieren, dass es nicht zum Sieg reicht.
Ist es ein Vorteil, wenn Sie sich auf ein Rennen vorbereiten, das Sie gut kennen?
Irina Mikitenko: Es ist natürlich einerseits gut, wenn man sich auskennt. So kann man zum Beispiel das Training im Vorfeld auch nach den Gegebenheiten der Strecke ausrichten. Andererseits aber weiß man, wie gesagt, nie genau, wie es wird.
Wie lief das Training, wie ist die Form?
Irina Mikitenko: Das Training war zeitweise nicht einfach aufgrund des vielen Schnees im Winter. Etliche europäische Läufer hatten diese Probleme. Wir mussten viel improvisieren, aber die Trainingsleistungen haben darunter nicht gelitten. Insgesamt lief das Training gut, die Form ist in Ordnung.
Sie haben im März auch in Kirgisien trainiert. Haben Sie im Vorfeld des politischen Umsturzes etwas von den Unruhen mitbekommen?
Irina Mikitenko: Nein, wir haben dort nahe der Grenze zu Kasachstan nichts mitbekommen von den Unruhen. Ich habe auch Kontakt zu Athleten, die jetzt dort trainieren, aber es ist alles ruhig. Generell mache ich mir immer Gedanken darüber, wo wir am besten für ein Trainingslager hinfahren. Wir waren früher auch in Kenia, wo es ja später ebenfalls Unruhen gab. Am besten wäre in dieser Hinsicht wohl St. Moritz, aber da liegt wiederum zurzeit noch viel Schnee. Ich hoffe, dass der weg ist, wenn wir im Frühsommer dort trainieren wollen.
Sie sind bisher fünfmal Marathon gelaufen, haben dreimal gewonnen und waren zweimal Zweite. Geben diese Erfolge eine gewisse Souveränität?
Irina Mikitenko: Ich habe einige Erfahrungen gesammelt im Marathon und kann dadurch in bestimmten Situationen jetzt vielleicht schneller und besser reagieren. Ich fühle mich nicht souveräner aber bezogen auf London vielleicht etwas sicherer, da ich zum Beispiel weiß, wie die Getränkestationen dort aufgebaut sind oder wo es am ehesten windig werden könnte.
Spüren Sie, dass Ihre Konkurrentinnen Respekt vor Ihnen haben?
Irina Mikitenko: Ja, das habe ich schon letztes Jahr in London gemerkt. Denn keine wollte die Führung übernehmen. Das sehe ich allerdings nicht als Vorteil. Einfacher wäre es, wenn ich wie noch vor zwei Jahren in London aus dem Hintergrund angreifen könnte. Aber ich muss auf mich schauen, nicht auf die anderen. In einem Marathon muss man vor allem Respekt vor der Distanz haben.
Wer sind Ihre schärfsten Konkurrentinnen?
Irina Mikitenko: Rechnen muss ich auf jeden Fall mit der Russin Liliya Shobukova. Schwer einzuschätzen sind die jüngeren äthiopischen Läuferinnen. Vor kurzem hat zum Beispiel die 22-jährige Atsede Bayisa den Paris-Marathon mit einer Jahresweltbestzeit von 2:22:04 Stunden gewonnen. Bei den Chinesinnen weiß man auch nie genau, in welcher Form sie sind. Hier ist die Weltmeisterin Bai Xue am Start. Bei Meisterschaften sind sie oft toll, sonst aber eher nicht. Allerdings hat 2007 die Chinesin Chunxiu Zhou in London gewonnen. Fast keine meiner Konkurrentinnen ist in letzter Zeit irgendwo ein Rennen gelaufen, daher tappe ich im Dunkeln. Es sind viele Läuferinnen am Start, die mehr Marathonrennen gelaufen sind als ich und daher auch über viel Erfahrung verfügen.
Die Sieger der World Marathon Majors (WMM) waren in den vergangenen zwei Jahren auch jene, die in London gewonnen haben. Glauben Sie, dass am Sonntag eine Vorentscheidung fallen kann und schauen Sie auf den Punktestand?
Irina Mikitenko: Man kann sicher nicht gleich davon ausgehen, dass die London-Sieger auch die WMM-Sieger sein werden. Im Herbst kann bei drei Rennen noch viel passieren. Ich kenne natürlich meinen Punktestand und den Vorsprung von fünf Zählern. Aber ansonsten kümmere ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht um die WMM-Wertung. Es geht jetzt nur um London. Wenn ich dort gut laufe, kommen die Punkte automatisch.
Bleibt es dabei, dass Sie im Sommer bei den Europameisterschaften in Barcelona über 10.000 m laufen wollen?
Irina Mikitenko: Ja, den 10.000-m-Start bei der EM haben wir schon sehr langfristig geplant. Daran wird sich nichts ändern.
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