Nach mehr als zwei Jahrzehnten auf der Rundbahn und im Crosslaufen ist Irina Mikitenko inzwischen auf der Straße angekommen.
Irina Mikitenko im Alleingang Deutsche Meisterin über 10.000 m
Drei Wochen nach ihrem Sensationssieg beim London-Marathon lief eine sichtlich entspannte Irina Mikitenko bei den Deutschen 10.000 m-Meisterschaften in Menden im Alleingang in 31:57,71 Minuten zum Titel. Mit zwei fast gleich starken Hälften schrammte die 36-jährige Wattenscheiderin dabei nur um 17 Sekunden an der Olympianorm vorbei, die aber kein Ziel war.
„Ich konzentriere mich auf den Marathon. Ich habe keine Ambitionen, die 10.000-Meter-Norm zu laufen. In Peking geht ein Doppelstart sowieso nicht. Deshalb war dies heute für mich auch kein Thema.“ Wie ein Uhrwerk spulte Irina Mikitenko die 25 Runden herunter, nach 8000 Metern hatte sie mit Simret Restle auch die letzte der 15 Mitläuferinnen überrundet. „Das war für mich die einzige Orientierung. Schade, dass Sabrina Mockenhaupt morgen in den USA versucht, die Olympianorm zu laufen. Wir hätten uns heute gut abwechseln können. Im Duell mit ihr wäre natürlich eine deutlich schnellere Endzeit möglich gewesen.“
Nach mehr als zwei Jahrzehnten auf der Rundbahn und im Crosslaufen ist Irina Mikitenko inzwischen auf der Straße angekommen. „Eigentlich mag ich die 25 Runden nicht mehr. Es ist fast langweilig. Die Straße macht mir viel mehr Spaß.“ Freilich kein Wunder, da sich nach ihren beiden großartigen Marathonläufen in Berlin und London innerhalb von nur sechs Monaten das Tor zur absoluten Weltklasse im Marathon aufgetan hat.
Mit Blick auf den olympischen Marathonlauf in Peking wollte die Wattenscheiderin mit Wohnsitz im hessischen Freigericht keine Prognose geben. „Ich möchte bei den Olympischen Spielen ein gutes Rennen laufen. Ich werde einige Straßenläufe machen und dann ins Höhentrainingslager nach St. Moritz gehen. Wenn das Wetter es zulässt, dann zweimal.“
Hinter der überragenden Irina Mikitenko klaffte eine merkliche Lücke zu den Nächstplatzierten. Simret Restle (LG Eintracht Frankfurt) konnte sich klar auf Rang zwei in Bestzeit von 33:30,31 Minuten durchsetzen, während der Kampf um Rang drei im Sprint zwischen den beiden Juniorinnen Ingalena Heuck (LG Stadtwerke München) und Heike Bienstein (LG Olympia Dortmund) in 34:43,07 und 34:43:53 entschieden wurde. Die lange auf Rang drei laufende Halbmarathon-Vizemeisterin Julia Viellehner (LG Passau) wurde Fünfte (34:58,79).
Im gemeinsamen Rennen der Männer und Junioren setzte sich mit dem 22-jährigen Zelalem Martel (LG Neckar-Enz) überraschend ein Nachwuchsläufer durch. Mit einem engagierten Schlussangriff zerstörte er zunächst die Titelhoffnungen von Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München) und Raphael Schäfer (LC asics Rehlingen). Der gebürtige Äthiopier kehrte erst am vergangenen Dienstag aus einem sechswöchigen Trainingslager aus seiner Heimat zurück und stürmte in 29:19,28 Minuten zum Sieg. „Ich wollte gewinnen – und das ist mir gelungen“, freute sich der kleine Schwabe über seinen Coup.
Seine Zukunft sieht Zelalem Martel allerdings auf der Straße – er möchte wie sein großes Vorbild Haile Gebrselassie zum Marathonlauf wechseln. „Mein Ziel ist der WM-Start in Berlin und dafür werde ich in diesem Herbst in Essen die Weichen stellen“, stellt der Schützling des früheren Marathon-Bundestrainers Wolfgang Heinig klar umrissene Ziele vor.
„Ich gehe davon aus, dass ich Deutscher Meister geworden bin“, widersprach Sebastian Hallmann der Kampfrichterentscheidung. Er war nach 29:24,13 Minuten ins Ziel gekommen und erklärte: „Sonst hätte ich das Rennen anders gestaltet“. Der Münchener wehrte sich gegen die gemeinsame Wertung der Männer und Junioren und legte die nicht klare Ausschreibung seitens des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) als Beleg vor. Hallmann war zu allem Überfluss nach fünf Runden gestürzt und musste mit einem scharfen Antritt die zwischenzeitlich enteilte Spitzengruppe wieder einholen
. „Das hat mich schon aus dem Rhythmus gebracht.“ Dem spontanen Protest von Sebastian Hallmann wurde nach kurzer Diskussion des Schiedsgerichts schließlich auch stattgegeben, so dass der Münchener als Deutscher Meister der Männer im Nachgang noch geehrt wurde. Hinter Martel und Hallmann lief der eigentliche Hindernisläufer Raphael Schäfer in 29:25,82 Minuten als Dritter vor Crossmeister Stephan Hohl (SV Huchenfeld) 29:43,82 ins Ziel, die nach der Korrektur bei den Männern die Plätze zwei und drei belegten.
Bedauerlich an der Diskussion um die Wertungsmodalitäten ist allerdings, dass man beim DLV aus der unklaren Ausschreibung bei Deutschen Meisterschaften keine Konsequenzen gezogen hat. Denn schon im Vorjahr musste in Zeulenroda nach einem Protest die Ergebnisliste korrigiert werden. Dort hatte allerdings das Schiedsgericht anders entschieden und dem Juniorenmeister Zelalem Martel hinter dem überlegenen Sieger Jan Fitschen die Silbermedaille zuerkannt.
Wilfried Raatz/race-news-service.com