Als DLV-Präsident kann Ihnen die Teilnahme deutscher Athleten beim Istaf nicht egal sein
Interview -Ich hoffe, das läuft 2008 besser – Jens Weinreich in der Berliner Zeitung – ISTAF – Lärmende Stille
Herr Prokop, warum arbeiten die Organisatoren des Istaf und der WM 2009 eigentlich gegeneinander?
Finden Sie? Ich habe gerade mit Istaf-Geschäftsführer Gerhard Janetzky gesprochen. Es gibt zwischen uns keinen echten Streit. Im Prinzip kann man die Organisationen ja nicht voneinander trennen. Ich bin Geschäftsführender Präsident des WM-OK und stellvertretender Aufsichtsratschef, und Herr Janetzky sitzt mit mir im WM-Aufsichtsrat.
Als WM-Aufsichtsrat hätte er beim Istaf ein paar Worte zur WM sagen können. Er hat es aber nicht getan.
Ich fand es auch schade. Die WM 2009 war am Sonntag dennoch präsent, wenngleich leider nur außerhalb des Stadions, in der Stadt. Im Stadion gab es einfach eine Differenz über den wirtschaftlichen Preis von gewerblichen Maßnahmen. Ich hätte mir eine andere Präsentation gewünscht. Aber diese Frage hat Herr Janetzky zu beantworten.
Als DLV-Präsident kann Ihnen die Teilnahme deutscher Athleten beim Istaf nicht egal sein. Von den sieben WM-Medaillengewinnern waren nur drei dabei. Franka Dietzsch, Betty Heidler, Nadine Kleinert und Robert Harting haben das Istaf boykottiert, da sie nur im Cabrio durchs Stadion gefahren werden sollten.
Das ist natürlich ärgerlich. Ich kann die Sportler verstehen, man muss aber auch die Organisatoren verstehen. So ein Programm muss rechtzeitig festgezurrt werden. Technische Disziplinen in ein dreistündiges Meeting zu integrieren, ist immer schwer. Ich hoffe, dass das 2008 besser läuft.
Kann es sein, dass die Schwierigkeiten auch auftreten, weil Herr Janetzky für sich eine wichtigere Rolle in der WM-Planung gesehen hat, zum Beispiel als WM-Geschäftsführer?
Das sind Spekulationen, an denen ich mich nicht beteilige.
Aber Sie können sicher sagen, warum DLV-Generalsekretär Frank Hensel, der unter anderem mit der Olympiavorbereitung gut ausgelastet sein sollte, ausgerechnet noch zum WM-Geschäftsführer gemacht wurde. Macht das Sinn?
Das macht im Sinne der Athleten sehr viel Sinn. Denn Frank Hensel ist seit vielen Jahren in verschiedenen wichtigen Funktionen in der Leichtathletik tätig. Er hat Erfahrungen auf allen Ebenen gemacht, auch bei der Ausrichtung von Großveranstaltungen wie der EM 2002.
Die Personalie ist ein Argument für jene, die kritisieren, der DLV wolle jedes WM-Detail kontrollieren.
Das Land Berlin und der DLV sind die Vertragspartner des Weltverbandes IAAF. Das Land trägt den größten Anteil an der Finanzierung dieser WM. Der DLV steht gegenüber der IAAF in der Verantwortung, wir haben die Entwicklung der Leichtathletik im Blick.
Wogegen der Istaf-Geschäftsführer sagt, er habe keine Verantwortung für die deutsche Leichtathletik, das Istaf sei nur ein internationales Meeting in Deutschland, mehr nicht.
Klar ist das Istaf privatwirtschaftlich organisiert, da kann man so argumentieren. Aber klar ist auch: Das Istaf profitiert von der WM 2009, so wie wir vom Istaf profitieren können. Wir sitzen in einem Boot. Wir werden wieder eine vernünftigere Form der Kooperation finden.
Interview:
Jens Weinreich
Berliner Zeitung
Montag, dem 17. September 2007
ISTAF – Lärmende Stille
Ausverkauft soll es also gewesen sein, das Olympiastadion. 70 000 Menschen sollen das Internationale Stadionfest besucht haben. Zwar blieben, wie immer, Lücken auf den Tribünen. Doch es kann sich um eine optische Täuschung gehandelt haben. Im Vergleich zur Weltmeisterschaft in Osaka vor wenigen Wochen war das auf jeden Fall eine etwas andere Leichtathletik-Atmosphäre. Gar nicht so übel, wenngleich sich nach diesem dreistündigen Meeting ein Besuch beim Ohrenarzt empfiehlt.
Denn die Männer an den Stadionmikrofonen sind ein Übel. Es wird nur gebrüllt, Zwischentöne sind unbekannt. „Welch eine Stimmung hier! Ausverkauftes Haus! Hallo Berlin! Superstimmung! Alle Hände nach vorn! Wunderschöner Applaus!“
So ging das ohne Pause, begleitet von Klängen aus Mission Impossible.
Über Geschmack lässt sich streiten: Viele Leute mögen das offenbar. Und weil der Hauptsponsor, eine Bank, den kompletten Oberring gekauft und mit knapp 800 Bussen Zuschauer aus dem ganzen Land herangekarrt hatte, war das Istaf auch in diesem Jahr wieder das bestbesuchte Leichtathletik-Meeting der Welt. Ob es nun 70 000 Menschen oder doch ein paar weniger gewesen sind: Ein volles Stadion ist ein Wert an sich in dieser Branche.
Berlin wird bei der Neuordnung der Golden League seinen Status behalten. Da muss man eigentlich gar nicht so schreien.
Der Beweis, dass Istaf-Organisatoren nicht nur lärmen, sondern durchaus dezent schweigen können, wurde am Sonntag ebenfalls erbracht. Angeblich soll ja in diesem Stadion in 23 Monaten eine Weltmeisterschaft stattfinden. Derartige Gerüchte aber ließen sich nicht bestätigen.
Eine WM? In Deutschland? In Berlin? Sie wurde im Olympiastadion weder optisch noch verbal nachhaltig präsentiert. Istaf-Geschäftsführer Gerhard Janetzky, auf den einige der besten deutschen Leichtathleten sehr sauer sind, hätte dazu einige Worte sagen können. Es wäre eine Geste gewesen. Aber Janetzky hat in seiner kurzen Eröffnungsrede nur viel Spaß beim Istaf gewünscht.
Zur WM 2009 vermied er jedes Wort.
Jens Weinreich
Berliner Zeitung,
Montag, dem 17.09.2007