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2013

Die Hallgrímskirkja in Reykjavik i ©Horst Milde

Im Sommerregen auf der Lavainsel – LAUFZEIT-Leserreise zum 30. Reykjavik-Marathon 2013 – Wolfgang Welsing berichtet

By GRR 0

Es gibt Momente, da werden alle Klischeevorstellungen erfüllt. Während im letzten Jahr zum Reykjavik-Marathon in einem Jahrhundertsommer mit über 20 °C und Sonnenschein so gar kein nordisches Wetter herrschte, war der gleiche Anlass 2013 von wolkenverhangenem  Himmel und Dauerregen begleitet.

Die sprichwörtliche Schlechtwetterküche Europas begleitete das 30. Jubiläum der größten Sportveranstaltung der Inselrepublik mit durchschnittlichem, „normalem" Wetter. Sind die Isländer von Hause aus schon an das raue Leben am Rande des Polarkreises gewöhnt, so nahmen es die Läuferinnen und Läufer unter ihnen erst recht gelassen hin, dass die Sonne nicht am Start war – zumal bei Lauf-Idealtemperaturen von um die 13 °C.

So konnte denn das nasse Jubiläum dennoch Rekordteilnehmerzahlen von insgesamt 14.272 Meldungen für alle Wettbewerbe verbuchen. Erst nach 2005 war die Marke von 5.000 Sportlern überschritten worden. Neben dem Volksfestcharakter des Laufes, bei dem u.a. ein Familienlauf für Groß und Klein und ein 5-km-Lauf ohne Zeitnahme auf dem Programm stand, wurde über die Wett-
kampfstrecken des ganzen und halben Marathons gestartet.

Beide endeten, dort wo sie begonnen hatten, nahe der Altstadt und einem Park mit großem Teich. Bereits um 8.40 Uhr erfolgte am 24. August der Start auf den Wettkampfstrecken. Zu bedenken ist dabei, dass es sich um einen Samstag handelte. Und nicht um einen beliebigen. Seit Anbeginn findet der Reykjavik-Marathon am Wochenende gemeinsam mit der „Langen Nacht der Kulturen" statt.

Zuerst unvorteilhaft am Sonntag nach der Kulturnacht gelegen, findet der Lauf seit einigen Jahren
vorteilhafter am Samstag vor dem Spektakel statt. Zu diesem Ereignis besucht fast ganz Island (allein 36 Prozent der isländischen Bevölkerung leben in der Hauptstadt) Reykjavik und die ganze Nacht herrscht ein buntes Treiben.

Berliner stand Pate

Das Jubiläum war begleitet von ganz besonderen Gästen aus Berlin. Der Begründer des BERLIN- MARATHONs und langjährige Renndirektor Horst Milde und Frau Sabine waren am Ende einer Island-Tour Ehrengäste des Veranstalters. Warum?

Es war im Jahre 1983, als Knütur Oskarsson und sein Geschäftspartner nach neuen touristischen Ideen
für Island auf den BERLIN-MARATHON stießen. Zur Internationalen Tourismusbörse in Berlin suchten sie den Kontakt zu den Organisatoren des Berliner Marathons und trafen mit Horst Milde und Bernd Hübner (hat bislang 36-mal den BERLIN-MARATHON absolviert) zusammen. Noch heute schwärmt
Oskarsson von der legendären Begegnung in der Konditorei Milde, wo sie bei Kaffee und Kuchen von den Berlinern in die Geheimnisse der Organisation eines Stadtmarathons eingeweiht wurden.

Die Premiere des Reykjavik-Marathons 1984 zählte 251 Aktive aus sieben Ländern. Zwei Jahre später waren es schon fast 1.000. Es sollte, wie sich bis heute zeigte, nicht allein der Beginn eines Stadtmarathons bleibe, denn mit dem aufstrebenden hauptstädtischen Marathon hat sich in Island eine landesweite Laufbewegung entwickelt. Zahlreiche weitere Laufveranstaltungen haben sich inzwischen auf der Vulkaninsel etabliert.

Das große Vorbild aus Berlin hat beim Reykjavik-Marathon bleibende Spuren hinterlassen. Manches ist gar in der isländischen Variante geblieben, was in Berlin still und leise von der Bildfläche verschwunden ist.

Die zünftige Nudelparty gibt es auf der kleinen Marathonmesse noch immer kostenfrei für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, bei einem Startgeld von 60, 42 oder 34 Euro (Marathon/Halbmarathon/lOkmbis 1. April, danach steigend auf74/56/44 Euro).

Weiterhin beinhalten die Startgebühren u. a. ein Teilnehmer-T-Shirt, Medaille, Powerrade Drinks und freien Eintritt in die Thermalbäder und -pools Reykjaviks. Bemerkenswert, dass auf der Marathonmesse, die in einer geräumigen Sporthalle stattfand, auch für die Kleinen und ganz Kleinen Teilnehmer-T-Shirts angeboten wurden (allein 3.372 Kinder waren 2012 am Start).

Islands Bester im Feld

Die organisatorischen Abläufe gaben – ganz nach dem „großen Vorbild" – kaum Anlass zur Kritik. Hier war an alles gedacht und unterwegs gab es eine rundherum gut betreute Strecke, die zu großen Teilen am Meeresufer entlang führte. Zum Glück schickte die ruhige See im Nieselregen nur moderate Winde
herüber. Einige empfindliche Steigungen nahmen der Strecke allerdings ihren Rekordcharakter.

Doch um Rekorde geht es hier kaum, wenngleich die Siegerzeiten sich sehen lassen können und es auch Preisgelder gab. Diese betragen 100.000/70.000/40.000 Isländische Kronen (ISK) auf den Plätzen beim Marathon und analog beim Halbmarathon 70.000/40.000/20.000 (1 Euro sind rund 162 ISK).

Mit Käri Steinn Karlsson war Islands bester Marathonläufer beim Halbmarathon mit am Start. Beim olympischen Marathonlauf in London lief er in 2:18:17 auf dem 42. Platz ein. In 1:07:40 h gewann er konkurrenzlos über die 21,1 km. Während bei den Damen über diese Distanz Landsfrau Helen
Ölafsdöttir in 1:22:57 siegte. Marathonsiegerin und -Sieger des Jubiläums kamen aus
Großbritannien – James Buis überquerte nach 2:33:49 als Erster die Ziellinie, Melanie Staley gelang dies in 2:55:14. Die Veranstaltungsrekorde von 2:17:06 bei den Männern (Ceslovas Kundrotas/LTU, 1993) und von 2:38:47 bei den Frauen (Angaharad Mair/GBR, 1996) blieben somit ungefährdet.

Unter den 851 im Marathonziel Registrierten befanden sich 70 Deutsche. Beim Halbmarathon und über 10 km waren es analog 2.111/67 bzw. 5.253/29. Mit im Feld waren, wie schon ununterbrochen seit 1995, auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der LAUFZEIT-Leserreise. Schon viele hundert Deutsche brachte LAUFZEIT gemeinsam mit der Partneragentur in Island an den Start, wodurch sich eine freundschaftliche Bande mit den Veranstaltern um Geschäftsführer Frimann Ari Ferdinandsson entwickelt hat.

Die Leistungen der Leserreisenden konnten sich sehen lassen. Stellvertretend seien einige genannt: Lukas Kueper sorgte für das beste Marathonergebnis mit 3:24:57 auf Platz 114. In der M60 gewann Jürgen Fernholz die Altersklassenwertung (Zehnjahresabschnitte wurden gewertet) in 3:36:33. Martina
Mischnick erreichte als beste Frau der LAUFZEIT-Reisegruppe noch vor ihrem Ehemann Bernd (3:40:32) das Marathonziel in 3:35:30…
 
Blaue Lagune und Kontinentalplatten

Nach dem Sportlichen folgte weiterer Reisegenuss. Der Besuch einer Fischgaststätte nach dem Marathontag – wer nach Island kommt, wird erfahren, was es heißt frischen Meeresfisch aus dem Nordatlantik zu essen – gehörte ebenso dazu wie ein Bad in der Blauen Lagune, dem unvergesslichen
Eintauchen in das immerwarme Gewässer unter freiem Himmel inmitten der unendlichen
Lavafelder Islands.

Beeindruckend auch der Grabenbruch, der sich durch die steinige Landschaft zieht, dort, wo die amerikanische und eurasische Kontinentalplatte 2 cm pro Jahr auseinanderdriften.

Am Sonntag nach dem Marathon zeigte sich dann endlich die Sonne. Weitere Reiseziele folgten und einige ließen es sich nicht nehmen, noch einen Kurztrip mit dem Flugzeug nach Grönland zu unternehmen.

Und wer sich mal die Nordatlantikluft um die Nase wehen lassen wil l , kann sich den 31. Reykjavik-Marathon vormerken: 23.8.2014.

 

Wolfgang Weising in LAUFZEIT 10/2013

 

 

 Reykjavik Marathon

author: GRR

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