Im Kreis der Legenden – Dem Franzosen Teddy Tamgho wird zugetraut, den 15 Jahre alten Dreisprung-Weltrekord zu knacken – Frank Bachner im Tagesspiegel
Die Wade hat gehalten, das war das Wichtigste für Teddy Tamgho. Er ging sehr dynamisch aus der Sprunggrube, das war natürlich auch ein Signal. Ich bin fit, lautete die Nachricht, ich habe keine Probleme. Und damit Phillips Idowu, der Dreisprung-Weltmeister, das auch klar versteht, hatte der 21-Jährige gleich mal 17,39 Meter abgeliefert.
Dabei ging es am Montagabend lediglich um die Qualifikation, aber es geht auch um Gesten. Idowu, der Brite, der größte Rivale, kam auf 17,10 Meter. Aber er absolvierte nur einen einzigen Sprung. Auch das eine Geste des Selbstbewusstseins.
Es kommt also heute zu einem der vielen spannenden Duelle bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona: das Finale im Dreisprung. Aber eigentlich ist es der Wettkampf des Franzosen Teddy Tamgho, egal, ob er am Ende Silber oder Gold gewinnt. Sein Start in Barcelona war gefährdet, er hatte kurz vor der EM Wadenprobleme.
Natürlich betreiben Tamgho und Idowu ihre Psychospielchen, das gehört zum Geschäft. Aber jenseits des Kinderkrams zeigt der Brite Anerkennung. „Er ist im Groove“, hat Idowu vor ein paar Wochen über Tamgho gesagt.
Der Franzose steht für eine Mission. Er möchte der Athlet sein, der den Weltrekord von Jonathan Edwards aus Großbritannien knackt. Die 18,29 Meter, aufgestellt vor 15 Jahren. Und keinem anderen als Tamgho trauen es Konkurrenten und Fachleute zu, dass er diesen Rekord, der zum Mythos stilisiert wird, verbessert. „Der Himmel ist seine Grenze“, sagt Christian Olsson, der Olympiasieger aus Schweden, der in Barcelona wegen einer Verletzung nicht springen kann.
Zwei Zentimeter fehlen Tamgho noch zur legendären 18-Meter-Marke. 17,98 Meter ist er im Juni in New York gesprungen, seither steht er da wie eine Verheißung auf glanzvolle Zeiten. Erst die 17,98 Meter haben ihn in seine Rolle katapultiert. Tamgho war schon im März mit 17,90 Meter Hallen-Weltrekord gesprungen. Aber das war eben in der Halle. Es war nicht das Freiluft-Stadion. Er musste diese Weite bestätigen, um den ganzen Respekt zu erhalten.
Er hat sie glanzvoll bestätigt. Nur Kenny Harrison (USA, 18,09) und Edwards sind jemals weiter gesprungen. Tamgho steigerte seine Bestleistung um 35 Zentimeter. Und nun tritt er mitunter auch mit jener in Arroganz abdriftenden Selbstsicherheit auf, die andere provoziert und ihn selbst zugleich pusht. „Drittbester Springer aller Zeiten zu sein, das reicht mir nicht“, erklärte er. Und vor Barcelona verkündete er lässig: „Natürlich will ich gewinnen. Zweite und dritte Plätze interessieren mich nicht.“
Mit den Sprüchen kommt er natürlich auch wie ein Schnösel rüber, wie einer dieser nassforschen Typen, die steil nach oben geschossen sind und deshalb die Welt auseinander nehmen wollen. 2009 noch stand seine Bestleistung bei 17,19 Meter, bei der WM in Berlin schied er als Elfter aus.
Aber die platten Sprüche baut er wohl auch als Fassade auf, Tamgho ist intelligent genug, seine derzeitigen Grenzen zu erkennen. Die 18 Meter sind für ihn „eine andere Welt, ein Mythos“. Mit den 17,98 Metern sei er „in den Kreis der Legenden gesprungen, aber ich bin noch nicht das Epizentrum“. Er steuert erst darauf zu. Die 17,98 Meter kommen schließlich nicht aus dem Nichts. Der U-20-Weltmeister hat ein enormes Talent, außerdem ist er vor einigen Jahren selbst in der Jugend schon mal bei 17,33 Metern gelandet. Aber da war der Rückenwind minimal zu stark.
Nur manchmal hat Tamgho noch Probleme seine Energie zu kanalisieren. Als 17-Jähriger kam er ins Pariser Leistungszentrum Insep. Als 19-Jähriger flog er wieder raus. Tamgho hatte sich zu heftig mit einem Mitschüler gestritten.
Frank Bachner im Tagesspiegel, Mittwoch, dem 28. Juli 2010