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23
07
2008

Die Teilnehmer des Internationalen Athletik-Kongresses in Berlin (von links nach rechts): Hintere Reihe: Pihkala (Finnland), W.M. Barnard (England); Höjme (Dänemark), Glenk (Schweiz), Steffenhagen (Deutsche Sportpresse); Dr: Szerdernhegyi (Ungarn), Stankovits (Ungarn), Lie (Norwegen), Blomquist (Finnland), Englund (Schweden), Reichel (Frankreich); Mittlere Reihe: Burger (Deutschland), Wraschtil (Österreich), Schofield (England), Langkjaer (Dänemark), Hellström (Schweden), Edström (Präsident des Kongresses, Schweden), Runge (Deutschland), Willig (Frankreich), Conger (Pressevertreter aus den USA), Col. Thomson (USA); Vordere Reihe: Moss (England), Deutsch (Österreich), Wetherell (Südafrika), Meyerhof (Deutschland), Kirby (USA), Sullivan (USA), Maccabe (USA), NN. - Foto: Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

Im August 1913 wurde die IAAF in Berlin gegründet – Leichtathleten-Wiege an der Spree – Eine Darstellung des Sportmuseums Berlin – AIMS Marathon Museum of Running – Gerd Steins

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In der 20. Sitzung des Sportausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am 14. März 2008 erläuterte die BOC 2009 GmbH den Vorbereitungsstand der Leichtathletik WM 2009 und gab ein erklärungsbedürftiges Statement zur sportgeschichtlichen Bedeutung Berlins bei der Gründung der IAAF ab.

Um in der Öffentlichkeit weitere Mißverständnisse zu vermeiden, wird hier aufgrund einschlägiger Veröffentlichungen der IAAF und weiterer sporthistorischer Literatur ein komprimierter Überblick der oftmals falsch dargestellten Gründungsgeschichte der IAAF gegeben.

Durch zahlreiche organisatorische Pannen und Dispute, die sich Ende des 19. Jahrhunderts über die Ausführung leichtathletischer Disziplinen häuften, veranlaßten James Edward Sullivan, Sekretär der Amateur Athletic Union der USA (AAU) zu dem Vorschlag, auf internationaler Ebene einen Athletik-Verband zu gründen.

Wenige Tage nach Ende der Olympischen Spiele in Paris regte Sullivan im Juli 1900 ergebnislos an, einen „Internationalen Leichtathletik-Verband“ zu gründen, der für die Olympischen Spiele die Regelhoheit bekommen sollte.

In 1901 trat Sullivan dafür ein, in Buffalo oder New York unter der Schirmherrschaft der AAU Olympische Spiele zu veranstalten, was von Coubertin und seinen Anhängern im IOC natürlich abgelehnt wurde. Noch einmal versuchte der AAU-Sekretär mit Hilfe der AAU-Mitglieder nach den Spielen in London 1908 ein neues Internationales Olympisches Komitee zu etablieren, nach deren Statuten die Olympischen Spiele reguliert werden sollte – auch dieser Versuch mißlang.

Erst im Mai 1911 (im Vorfeld der Olympischen Spiele in Stockholm) lud der schwedische Amateur-Athletik-Verband zu einer Sitzung am 16. Juli 1912 in Stockholm ein, bei der die Gründung einer „International Amateur Athletic Federation“ erörtert werden sollte. Diese Sitzung fand schließlich am 17. Juli 1912 im schwedischen Reichstag unter dem Patronat des schwedischen Kronprinzen statt. Die anwesenden 27 Vertreter aus 17 nationalen Athletikverbänden setzten auf diesem Kongreß einen „Provisorischen Ausschuß zur Gründung eines Internationalen Amateur-Athletik-Verbandes“ ein, den J. Sigfrid Edström (Schweden) als Präsident leitete.

Gleichzeitig wurde bestimmt, daß Statutenentwürfe erarbeitet werden sollten, die dann auf einem weiteren Athletik-Kongreß in Berlin verabschiedet und daran anschließend die offizielle Gründung des Verbandes vollzogen werden sollte. Berlin wurde deshalb bestimmt, weil auf der 14. IOC-Session am 4. Juli 1912 in Stockholm Berlin einstimmig als Austragungsort der Spiele der VI. Olympiade gewählt worden war.

Dieser zweite internationale Athletik-Kongreß fand im „Preußischen Abgeordnetenhaus“ (das heutige Berliner Abgeordnetenhaus) vom 21. bis 23. August 1913 statt.

Dort wurde die IAAF (damals unter dem Namen „International Amateur Athletic Association“) offiziell gegründet und J.S. Edström (Schweden) als erster Präsident der IAAF gewählt.

In den Vorstand der IAAF wurden gewählt: C. Diem (Deutschland), P.L. Fisher (Großbritannien), Frantz-Reichel (Frankreich), S. Stankovits (Ungarn), J.E. Sullivan (USA); als Sekretär des Verbandes wurde Kr. Hellström (Schweden) eingesetzt.

Auf dem Berliner Kongreß wurde weiter beschlossen:

das olympische Standardprogramm der Leichtathletik,
– die Einsetzung einer Kommission, der die Feststellung der Amateur-Weltrekorde obliegt,
– die Ausarbeitung einer gemeinsamen Amateurdefinition,
– die Einsetzung eines Ausschusses für Amateurfragen, dem alle Streitfälle zu unterbreiten sind, (Vorsitz: Runge, Deutschland; Beisitzer: Barnard, Großbritannien; Frantz-Reichel, Frankreich; Kirby, USA; Pihkala, Finnland; Wetherell, Südafrika),
– die Ausarbeitung von Regeln und Bestimmungen, die in der ganzen Welt als Grundlagen der Leichtathletik gelten sollen.

In Erinnerung an die Gründung der IAAF in Berlin wurde der 10. Kongreß der IAAF am 20./21. Mai 1930 diesmal im „Preußischen Herrenhaus“ (gegenüber dem „Preußischen Abgeordnetenhaus“) veranstaltet.

Auf diesem Jubiläumskongreß zeichnete die IAAF verdiente Mitglieder mit dem Ehrenzeichen „I.A.A.F. Veteran“ aus.

Unter den Geehrten befanden sich folgende deutsche Leichtletikfunktionäre: Friedrich Burger, Carl Diem, Justus W. Meyerhof und Johannes Runge. Der Kongreß verwarf einerseits noch den Gebrauch von Startklötzen, ließ aber andererseits unter bestimmten Bedingungen die elektrische Zeitmessung für die Anerkennung von Rekorden zu.

Die Vergütung des Lohnausfalls für Athleten lehnten die Kongreßmitglieder mit 18:4 Stimmen ab. Als Vizepräsident des IAAF-Council wurde Franz-Paul Lang (München) gewählt und Dr. Karl Ferdinand Halt (München) als Mitglied der Regelkommission bestätigt.

Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

Titelblatt der deutschen, offiziellen Protokoll- und Regelbroschüre der 1913 in Berlin gegründeten IAAF © Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

Foto © Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

Der in französischer Sprache abgefaßte handschriftliche Statutenentwurf, der auf dem Berliner Gründungskongreß verabschiedet wurde. – Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

Das „Provisorische Gründungskomitee zur Bildung einer Internationalen Athletikorganisation“ lädt zum Kongreß nach Berlin ein, um dort offiziell die IAAF zu konstituieren. – Gerd Steins, Marathoneum im Forum für Sportgeschichte, Berlin

 

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