Sabine Milde beim Training auf dem Mini-Trampolin, eine nicht zu unterschätzende Fitnessmethode für Ausdauer und Koordination ©JoAnna Zybon
Hurra, wir feiern Marathon-Geburtstag! Sabine Milde im Interview – JoAnna Zybon in SPIRIDON
Am 26. April 2017 wurde der Berlin-Marathon 42 Jahre und 195 Tage alt. Grund genug für ein längst überfälliges Interview mit Sabine Milde, ohne die weder der Hauptstadt-Marathon noch sein Erfinder, früherer Renndirektor und ihr Ehemann Horst Milde, so weit gekommen wären.
Die SPIRIDON – die übrigens am 14. Juni Marathon-Geburtstag hat – gratuliert feierlich!
Als Sabine und Horst Milde 1969 heirateten, waren sie, was den Berlin-Marathon betrifft, noch nicht einmal bei Kilometer null. Aber während Horst ab 1974 seine Talente als Lauforganisator und seine Rolle als Vater des Berlin-Marathon entfaltete, avancierte Sabine Milde keineswegs zur Mutter eben jenes Marathon, sondern hatte echte mütterliche Pflichten zu stemmen. Außerdem musste ja jemand für die Familie die Brötchen verdienen… bzw. verkaufen: Sabine wurde Chefin der familieneigenen Bäckerei.
Aber da bei den Mildes nach und nach alle Familienmitglieder in die Lauforganisation involviert wurden, übernahm sie mit den Jahren immer mehr Aufgaben rund um den Berlin-Marathon wie zum Beispiel Startnummern verteilen, Verpflegungspunkte betreuen, Informationen eintüten, Foren organisieren, den Souvenir-Stand managen. Diese vielen Aufgaben in der Bäckerei, der Familie und beim Marathon haben sie wohl jung gehalten:
Kaum zu glauben, dass sie just im März 74 Jahre alt geworden ist. Allerdings hält sie sich auch fit mit Trampolin springen, Wassergymnastik, Osteoporose-Vorsorgetraining und strammen Spaziergängen.
Den Laufsport, den sie nie ehrgeizig betrieben hat, ersetzte sie nach einer schweren Krebserkrankung 2010 durch Nordic Walking, und das Walking nun durch 40-minütige Trampolin-Sessions.
Um ihren Horizont zu erweitern, besucht sie Volkshochschulkurse, bei denen die Berliner Museen und ihre Exponate studiert werden. Auch die vielen Reisen halten sie fit, denn Horst und Sabine sind bei Marathonveranstaltungen in der ganzen Welt gern gesehene Gäste. Für Sabine waren die Reisen nach Japan, China und Indien und das damit verbundene
Kennenlernen der östlichen Kulturen besonders faszinierend.
Und wie eine Meisterin der östlichen Künste freut sie sich gelassen und dankbar über alles Schöne in ihrem Leben.
Interview mit Sabine Milde:
SPIRIDON: Der Berlin-Marathon ist ein Sonntagskind. Was für ein Kind war es außerdem? Ein Schreikind, ein stilles Wasser, ein Wonneproppen, ein Suppenkasper, ein Spielkind, ein Dreikäsehoch oder ein Zappelphilipp?
SABINE MILDE: Ganz ehrlich: Ich hab dieses „Kind“ gar nicht so ernst genommen und zunächst nicht gewusst, dass man damit ähnliche Pflichten hat wie bei einem richtigen Kind.
SPIRIDON: Du und Horst habt ja auch drei biologische Kinder. Welche machten mehr Sorgen bzw. Freude: die biologischen oder das organisatorische?
SABINE MILDE: Die biologischen! Aber das organisatorische Marathon-Kind hat furchtbar viel Zeit beansprucht.
SPIRIDON: Wie war es denn in den ersten sieben Jahren bzw. auf den ersten sieben Kilometern? Was hast du gemacht, während der Berlin-Marathon im Grunewald laufen lernte?
SABINE MILDE: Damals habe ich die Bäckerei geleitet und mich um die Familie gekümmert. Horst war auf den Marathon fokussiert, und ich hatte eben den anderen Part: Kinder plus Geschäft. Die Bäckerei war ein traditioneller Handwerksbetrieb mit 25 Angestellten. Mir hat der Umgang mit den Angestellten und den Kunden sehr viel Freude bereitet. Als ich das erste Mal im Laden stand und jemand ein halbes Brot kaufen wollte, wusste ich nicht, wie man das abmisst: ein halbes Brot! Also, wo genau ist da die Hälfte? Die studierte Lehrerin musste in der Bäckerei erst einiges lernen. Später hat der Bäckermeister oft gesagt: „Der Horst macht den Marathon – wir schmeißen den Laden“.
Wichtig war für mich auch ein geregeltes Familienleben, z. B. mit der Familie gemeinsam Frühstück und Mittag essen. Ich habe Horst in allen Belangen den Rücken freigehalten. Auch wenn er laufen ging, hab ich den Kinderwagen geschoben. Ich konnte sowieso nicht begreifen, warum er oder andere so lange laufen wollten.
SPIRIDON: 1981 kam der Berlin-Marathon zum ersten Mal in die City und durfte sich auf dem Kurfürstendamm austoben. Was ist dir davon in Erinnerung geblieben?
SABINE MILDE: An den ersten Berlin- Marathon durch die City kann ich mich leider nicht mehr erinnern, aber umso mehr an den New-York-City-Marathon in jenem Jahr, denn 1981 waren Horst und ich zum ersten Mal in New York. Dieses Erlebnis hat mich zum Laufen animiert!
Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Begeisterung dort auch noch die langsamsten Läufer im Ziel empfangen wurden. Außerdem durften wir hinter die Kulissen gucken, was sehr imponierend war.
SPIRIDON: Wann hast du denn genau das Laufen entdeckt?
SABINE MILDE: Es muss kurz nach dem Besuch in New York gewesen sein. Für meine ersten Läufe haben mir meine Kinder klassische Musik auf einen Walkman überspielt, die ungefähr 20 bis 25 min lang war. So brauchte ich keine Uhr, sondern lief einfach, bis die Musik zu Ende war und konnte mich dabei entspannen.
Ich habe viel Freude am Laufen gefunden und später die Musik wieder weggelassen, um zu hören, wie die Vögel singen oder der Regen plätschert. Bei einem Forum an der FU hat mich zusätzlich ein Vortrag von Professor Alexander Weber sehr zum Laufen inspiriert. Das eigene Laufen hat mich dann auch mehr in die Marathon-Organisation hineingebracht.
SPIRIDON: 1990 durfte der Berlin-Marathon zum ersten Mal durchs Brandenburger Tor laufen. Das war Kilometer 1,6. Dabei haben viele geheult. Du auch?
SABINE MILDE: Ich bin nicht so ein Heul-Typ, eher ein Verstandesmensch.
SPIRIDON: Welcher Kilometer war für dich im Rückblick der schönste?
SABINE MILDE (nachdenklich): Kilometer 13. Das war 1987, als ich selbst mitgelaufen bin. Die langen Trainingseinheiten zur Vorbereitung habe ich mit Horst zusammen gemacht. Mein Credo war: Hauptsache bis Lauf-km 30 kommen, weil dort unser Bäckermeister den Erfrischungsstand leitete und meine Kinder standen. Die sagten dann: „Du siehst noch gut aus, los, weiter!“ Die Zeit war für mich komplett unwichtig, die weiß ich auch nicht mehr aus dem Kopf, da muss ich erst nachgucken….
SPIRIDON: Halbmarathon war 1995. Damals hat Uta Pippig gewonnen. Was ist dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
SABINE MILDE (lacht): Die lächelnde Uta Pippig! In diesem Jahr hatte ich keine feste Aufgabe am Marathon-Sonntag, ich wollte mal das Ganze genießen statt einen bestimmten Posten zu haben.
SPIRIDON: Welche Aufgaben rund um den Marathon haben dir am meisten Spaß gemacht?
SABINE MILDE: Die Arbeit im Souvenir-Stand auf der Messe, im Shop im Mommsenstadion und der Aufbau des dazugehörigen Online-Vertriebs. Das Entwickeln der Motive vor allem für die T-Shirts.
SPIRIDON: Wann kam der Mann mit dem Hammer?
SABINE MILDE (überlegt): Gar nicht … oder vielleicht 2004, als Horst seine Leitungsfunktion aufgeben musste und damit plötzlich eine wichtige Aufgabe in seinem Leben verloren ging. Das setzt ihm auch heute noch manchmal zu, zumal er immer voller Ideen steckt. Zum Glück hat er sich neue Herausforderungen gesucht.
SPIRIDON: 2004 war bei Kilometer 30. Ok, das kommt hin. Was hast du am 26. April vor?
SABINE MILDE (guckt in ihren Terminkalender): Einen Check-Up beim Hautarzt.
JoAnna Zybon in SPIRIDON – April-4/2017
www.berliner-laufmasche.de
www.berliner-laufmasche.com
Porträt Sabine Milde
* 19.3.1943 in Swinemünde
Aufgewachsen in Quakenbrück (Niedersachsen)
Verheiratet mit Horst Milde
Drei Kinder: Karsten, Mark und Gesine
(Mark Milde ist seit 2004 der Renndirektor
des Berlin-Marathon)
Seit 1966 in Berlin lebend
Körpergröße: 1.72 m
Körpergewicht: 60 kg
Studium: Diplom-Handelslehrerin (Fächer:
Sportwissenschaft und Betriebswirtschaft)
Marathons: Berlin, New-York-City, Hawaii
Vorbild: Gesine Strempel
Motto: nicht unterkriegen lassen!
Steckbrief Berlin-Marathon
* 13. Oktober 1974
Geburtsort: „Bäckerei-Konditorei Milde“
in Berlin Tempelhof
Geschwister: Crosslauf, Frauenlauf,
Halbmarathon, City-Nacht, 5×5-km-
Teamstaffel, Pfannkuchenlauf, Neujahrslauf.
Kinder: Mini-Marathon, Skater-Marathon,
Literatur-Marathon, Läufergottesdienst,
Berlin Vital, Jubilee-Club.
Aktuelle Adresse: Straße des 17. Juni, 10557 Berlin
Aktuelle Größe: 36.000 Finisher
Aktuelles Gewicht: einer der sechs wichtigsten
Marathons der Welt
Hobbys: Weltrekorde verbessern, Menschen
in aller Welt begeistern
Lieblingszahl: 20257
Lieblingswetter: strahlender Sonnenschein
bei knallblauem Himmel, Windstille und einstelligen Temperaturen
Lieblingsgericht: Bananen
THEMA: Marathon-Geburtstag
Der BERLIN-MARATHON und sein heutiger "MARATHON"-Geburtstag
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