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10
12
2009

Weltklassemarathonläuferin Irina Mikitenko und Kenialäufer Nicholas Koech-Kiprutto siegten unangefochten.

Human Race – Tempostark durch Berlins Lichtermeer – Volker Schubert berichtet

By GRR 0

Schon fast im Wochentakt erweist sich Berlin als deutsches Straßenlaufmekka. Ende Oktober gingen über 6.000 Laufsportler durch Berlins illuminierte Stadtmitte an den Start. Beim 10 km Human Race Light Run, das weltweit größte Laufevent. So rannte die Hauptstadt mit 27 Großstädten aus vier Kontinenten zeitgleich um die Wette.

Weltklassemarathonläuferin Irina Mikitenko und Kenialäufer Nicholas Koech-Kiprutto siegten unangefochten.

Marx, Engels und Co.  hätten sicherlich ihre Freude gehabt – zumindest für wenige Augenaufschläge – denn Rot war die dominierende Farbe beim Human Race Light Run, das am Sonnabend des letzten Oktoberwochenendes der in der deutschen Hauptstadt stattfand. Doch in Wirklichkeit wäre dem gleichgetaktetem Vorschussapplaus der revolutionären, nun gut 150 Jahre alten Genossen, rasch kühle Ernüchterung gefolgt: zwar waren beim Massenauflauf die über 6.000 Ausdauersportler allesamt in die „Farbe der Aktion“ gehüllt, doch der 10 km Human Race Light Run war alles andere als eine verordnete Jubelparade rotlichtbestrahlter Parteikader, als das Hauptfeld am einst ideologisch sinnstiftenden „Marx-Engels-Forum“ – dem Wendepunkt der Strecke – von viel Zuschauerbeifall umgarnt, vorbeihuschte.

Schön anzusehen war der lauffreudige Lindwurm, der sich da mehr oder weniger schnell durch die Mitte Berlins wälzte, auf jeden Fall. Denn beim 10 km Human Race Light Run präsentierte sich die „rennende menschliche Rasse“ gänzlich in einheitlichen, roten Laufshirts – sicherlich die deutlich charmantere Variante vom „Ideal der klassenlosen Gesellschaft“.

Zudem wartete der 10 km Human Race Light Run mit einer weiteren Attraktion auf: von Beginn an liefen die 6.000 vor imposanter Kulisse um Zeiten und Platzierungen. Anlässlich des jährlich im Spätherbst stattfindenden „Festival of Lights“, war die Laufstrecke, die Berlins historisch-pittoreske Wahrzeichen, wie den Gendarmenmarkt, den Berliner Dom, die Staatsoper und die Humboldt Universität, umschloss, in ein fassentenreiches Glitzerkleid effektvoll inszenierter Illuminationen getaucht.

Zudem eine echte Berliner Premiere: ein Jahr zuvor präsentierte sich das Sportevent lediglich als 7,5 km langer Light Run. Nunmehr, in die Organisation des 10 km  Human Race eingebettet, gesellte sich zum schillernden Lichterlaufspektakel sich ein weiteres Highlight: Berlin rannte nicht allein um die Wette!  

Der Clou des Goodwill-Rennens – ein Teil des Berliner Startgeldgewinns kam der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zu Gute – war, das weltweit 27 Großstädte datumsgleich mit an den Start gingen. So bedeutete der Startschuss in  Berlin auch das Signal um in Metropolen wie New York,  Los Angeles und Rom oder Rio de Janeiro zeitgleich und mit homogener Laufoptik loszuspurten. Doch die Teilnahme am Megaevent war auch virtuell möglich. Wer nicht bei den Cityläufen dabei war, konnte trotzdem mitlaufen – per Internetanmeldung und am gleichen Tag irgendwo auf der Welt seine ganz persönlichen 10 km abspulen.

Möglich war dies durch ein persönliches Online Trainingstool, wobei die individuelle Leistung später übers World Wide Web ins Auswertesystem eingespeist wurde. Rund 800.000 Läufer waren so letztes Jahr über den ganzen Globus verteilt beim 10 km Human Race dabei. In Berlin konnte man den flachen wie schnellen Kurs gleich doppelt absolvieren, denn der 10 km-Parcours bestand aus zwei Runden.

Ob Verena Sailer (MTG Mannheim), die bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Berlin mit der 4×100-Meter-Staffel Bronze zu eilte, gleich nach dem Startschuss die schnellsten ersten 100 Meter des Rennens lief, ist nicht bekannt. Ihre Stimmungslage nach dem für Sprinter „langen Kanten“ schon: „Pure Emotion, wenn man hier in Berlin laufen kann.“ Gleiche Begeisterung versprühte auch Claudia Montag. „Das einheitliche Outfit schafft ein tolles Gemeinschaftsgefühl beim Laufen.

Besonders reizvoll ist auch der Lauf durchs denkmalpflegerisch tiptop sanierte Brandenburger Tor“, so „Berlins ausdauernste Juristin“. Das musste die läuferisch ambitionierte „Paragrafeninterpretin“ von der Industrie- und Handelskammer zu Berlin insgesamt vier Mal passieren, bevor es in die hell angestrahlte Zielgasse ging, um dort in erleuchteten Ziffern mit 40:08 min ihre neue Bestzeit zu registrieren.

Doch eine „39 hoch“ wäre vermutlich noch drin gewesen, hätten sich die schnellen Hasen in der zweiten Runde nicht per abgebremstem Zick-Zack-Lauf durch die überrundeten Sightseeingläufer wühlen müssen. So ging es auch dem Sieger, Kenialäufer Nicholas Koech-Kiprutto, dem kaum Zeit zur Stadtbesichtigung blieb. Zwar lief Koech-Kiprutto mit 28:42 min die weltweit schnellste Zeit im Human Race Ranking, doch zur Pulverisierung seiner Bestzeit fehlten ihm letztlich schlappe vier Sekunden. Das er überhaupt so schnell lief, ist wohl zwei Kradfahrern der Berliner Polizeimotorradstaffel zu verdanken. Die eskortierten den Favoriten ab der zweiten Runde: mit Blaulicht und Sirene fungierten die Zweiradpiloten quasi wie Wellenbrecher gegen die sich massiv verdichtenden Joggermassen.

Nach hervorragendem Sieg bei den diesjährigen World Marathon Majors und als  Chicago-Marathon-Zweite ließ es Irina Mikitenko (TV Wattenscheid 01) beschaulich angehen und siegte mit 34:56 min ebenfalls ungefährdet. „Berlin ist für mich die schönste Stadt zum Laufen“, freute sich Mikitenko, die eigentlich eine Trainingspause einlegen wollte.

Auch sonst konnte Berlins Innenstadt dem Laufspektakel nicht entrinnen: übers reguläre Haupttor jedenfalls wäre Bundesaußenminister Franz Walter Steinmeier nicht zur letzten Amtshandlungen gelangt. Rund ums Außenamt wie peripheren Straßennetz lag die innerstädtische Infrastruktur im 90-minütigen „Dornröschenschlaf“. So erging es allerdings auch der abschließenden Bühnenveranstaltung: coole Klänge waren da zu hören, aber kein tanzendes Läufervolk zu sehen.

Das wartete in langen Schlangen durchgeschwitzt fröstelnd vor den Sponsor-Lkws eines schleswig-holsteinischen Möbelfabrikanten auf die warme Wechselkleidung. Soll’s nächstes Mal anschließend richtig rockig zugehen, sollte der Organisator nachsteuern, bei einer Veranstaltung, die sich auf der Imageseite insgesamt als Guthabenbuchung niederschlagen dürfte.

Volker Schubert
 

author: GRR

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