Das erfolgreiche deutsche Männerteam posiert mit dem Maskottchen der 2014 in der Schweiz stattfindenden Leichtathletik-Europameisterschaften – von links: Marco Sturm, Ulrich Benz, Martin Schedler, Stefan Hubert und Christian Seiler. ©wus-media - Wilfried Raatz
Hohenwarter und Kremer Berglauf-Weltmeister, deutsches Männer-Team gewinnt Bronze
Es waren emotionale Siegerehrungen vor dem mondänen Grand-Hotel Victoria Jungfrau in Interlaken für die weltbesten Bergläufer auf der Marathondistanz mit 1832 Höhenmetern. Für die Athleten war das eine Belohnung für außergewöhnliche Leistungen. Während der Kärntner Markus Hohenwarter als letztjähriger Jungfrau-Marathonsieger zumindest mit der Strecke bestens vertraut war, ist der Weltmeistertitel für ihn doch etwas Besonderes.
„Nach meiner Nicht-Nominierung für Olympia ist das mehr als nur ein großartiger Ersatz“, freute sich der 32-Jährige über den WM-Titel. Die Deutsch-Amerikanerin Stevie Kremer hatte hingegen keiner auf der Rechnung, denn die 29-jährige Lehrerin katapultierte sich von anfangs Rang vierzig im schweren Schlussanstieg vor dem majestätischen Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau bis auf Rang eins und holte sich vor der Österreicherin Sabine Reiner und einer weiteren US-Amerikanerin, Kim Dobson, den Weltmeistertitel. Insgesamt 8000 Läufer aus 71 Nationen gingen beim 20. Jungfrau-Marathon mit dem i-Tüpfelchen „Long Distance Mountain Running World-Challenge“ an zwei Tagen auf die „schönste Marathonstrecke der Welt“, von Interlaken zur kleinen Scheidegg.
Hohenwarter lief bei der 20. Auflage des Jungfrau-Marathons bei Bilderbuchwetter praktisch 40 km lang Seite an Seite mit dem Kenianer Hosea Tuei, um dann im steilen Anstieg über die Moräne zum Ziel zu attackieren – und auf der Kleinen Scheidegg in 2100 Metern Höhe als Weltmeister nach 2:59:42 Stunden ins Ziel einzulaufen. Der als Titelverteidiger gestartete Mitja Kosovelj (Slowenien) wurde mit einer Minute Rückstand Zweiter vor dem am Ende etwas eingebrochenen Kenianer, der mit 3:01:24 Stunden aber immerhin noch die Bronzemedaille sichern konnte.
„Ich stehe natürlich unter großem Druck“, sagte der Kärntner noch am Morgen vor dem Start. Schließlich war seine Freundin am Vortag überraschend hinter der Deutsch-Amerikanerin Stevie Kremer auf den Silberrang eingelaufen. „Ich wäre froh, wenn ich dieses Ergebnis auch erzielen könnte!“ Dies allerdings beim Blick auf die starke Konkurrenz mit den früheren Weltmeistern Marc Lauenstein (Schweiz/2009) und Mitja Kosovelj (Slowenien/2011), dem mehrfachen Bergauf-Bergab-Weltmeister Marco de Gasperi (Italien) sowie den unberechenbaren Läufern aus Kenia und Äthiopien.
„Nach 40 km erst war ich mir sicher, dass ich den Kenianer packen würde. Ich war aber selbst ziemlich am Limit“, gestand ein glückstrahlender Weltmeister. „Dieser Weltmeistertitel macht die entgangene Olympiateilnahme mehr als wett!“ Denn Hohenwarter war mit 2:15:34 beim Linz-Marathon an der Olympianorm von 2:14:00 gescheitert – als persönlicher Tempomacher war damals übrigens Hosea Tuei dabei!
Am ersten Tag des zum Jubiläum auf zwei Tage gestreckten Jungfrau-Marathons war Stevie Kremer die Überraschung schlechthin. „Trailrunning ist mein Ding“, sagte sie im Ziel an der Kleinen Scheidegg in perfektem Deutsch. „Natürlich bin ich auch schon beim Boston-Marathon gestartet, aber Asphalt mag ich nicht besonders. Ich habe erst vor kurzem von dieser Weltmeisterschaft gehört und habe mich spontan dafür entschieden, weil ich vor einer Woche an den Berglauf-Weltmeisterschaften in Ponte di Legno über die Kurzdistanz teilgenommen habe und deshalb schon in Europa war.“
Dort wurde sie übrigens Siebente auf einer in der Tendenz bergauf führenden Strecke über 8,8 km und 700 Höhenmetern. Im Alter von sechs Monaten war sie übrigens mit ihren (deutschen) Eltern von ihrem Geburtsort Bad Soden bei Frankfurt in die USA ausgewandert – und kehrt nun zumindest für ein Jahr als Grundschullehrerin nach Europa zurück, nach Triest (Italien). „Ich wollte so gerne unter die Top Ten – und nun bin ich Weltmeisterin! Und das auf der schönsten Strecke der Welt.“ Dass selbst die US-Mannschaftsführung sie nicht auf der Rechnung hatte, das belegt die hohe Startnummer 3492, denn sie hatte sich als „Individual“ gemeldet.
Mit einer nicht minder beachtlichen Leistung sprang die Österreicherin Sabine Reiner als Zweite auf das Podium. „Für mich war dies heute ein unglaubliches Rennen. Vor allem, als es endlich richtig steil wurde, war ich in meinem Element. Als Stevie nach 35 km an mir vorbeigesprintet ist, ich aber wiederum die Vorjahressiegerin Aline Camboulives überholen konnte, war es für mich perfekt.“ Hinter Kim Dobson kam die Französin letztlich auf Rang vier, nachdem sie 35 Kilometer lang dem Rennen ihren Stempel aufgedrückt hatte.
Die Mannschaftswertung der Männer gewann Gastgeber Schweiz (9:32:11) vor den USA (9:38:20) und überraschend Deutschland (9:42:22). Marco Sturm, Stefan Hubert und Ulrich Benz machten letztlich das wahr, was den deutschen Frauen am Vortag noch knapp verwehrt blieb, nämlich eine Mannschaftsmedaille zu gewinnen.
„Ein super Ergebnis für den deutschen Berglauf“, sagte der erfreute DLV-Berglaufberater Wolfgang Münzel, nachdem die offizielle Rangliste mit der Bronzemedaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) verkündet wurde. „Damit hat der DLV bei den Europameisterschaften, den Weltmeisterschaften auf der Normaldistanz und nun auch auf der Langdistanz jeweils Medaillen geholt.“
Die deutschen Läufer überraschten auf dem Weg von Interlaken zur Kleinen Scheidegg über die 42,195-km-Distanz und 1832 Höhenmetern durch einen kompakten Auftritt, der allerdings durch den vorzeitigen Ausstieg des zwischenzeitlich auf Rang sechs laufenden Christian Seiler (LG Ohra Hörselgas LC Erfurt) etwas getrübt wurde. „Ich hatte in der Nacht vor dem Rennen kaum geschlafen. Scheinbar habe ich das Essen am Samstag nicht vertragen.
Als die Krämpfe im Aufstieg nach Wengen zu stark wurden, musste ich leider aufgeben. Aber die Jungs haben das ja auch ohne mich super hingekriegt“, lobte Christian Seiler die Leistung seiner Kollegen. „Das zeigt die Stärke unserer Mannschaft, dass sie den Ausfall von Christian glänzend kompensieren konnten“, ergänzte Münzel mit Blick auf die starke Konkurrenz.
Der mit Magenproblemen aus dem kenianischen Höhentrainingslager angereiste Marco Sturm (LLC Marathon Regensburg) wurde als Zehnter nach 3:10:52 Stunden bester Starter im deutschen Team. Bei den Frauen überwog trotz der verpassten Medaille die Freude über Rang vier hinter den überragenden US-Amerikanerinnen (11:00:50), der Schweiz (11:09:53) und Österreich (11:35:29) in der Gesamtzeit von 11:39:13. Das Team lag noch vor den stark eingeschätzten Russinnen und Britinnen.
Als beste DLV-Einzelstarterin lief Stefanie Wiesmair (PSV GW Kassel) mit einem starken Schlussteil noch vor Brandy Erholtz, der Weltmeisterin 2010, nach 3:48:40 Stunden ins Ziel. „Schade, im Schlussteil hatte ich noch Krämpfe, aber ansonsten lief es für mich sehr gut“, sagte die mehrfache Rennsteiglauf-Siegerin im Ziel auf 2100 m.
race-news-service.com/Wilfried Raatz