Das Laufteam Kassel - Foto: Michael Bald
Herausragende Leistungen in einem in jeder Hinsicht denkwürdigen Jahr – Laufteam Kassel 2021
Auf ein in jeder Hinsicht ereignisreiches 2021 blickt das zurück. Sportlich rückte das junge Team in seinem erst dritten Jahr wieder ein Stück weiter in den nationalen und sogar internationalen Fokus und konnte sich über zahlreiche Top-Leistungen seiner Athlete freuen.
Überschattet wurde alles jedoch vom Tod des Vereinsinitiators, Zweiten Vorsitzenden und Sportlichen Leiters Winfried Aufenanger, der am 10. Oktober im Alter von 74 Jahren verstarb.
„Aufi“ hatte sich Ende 2018 mit der Gründung des Laufteam Kassel nach dem Kassel Marathon einen weiteren Lebenstraum erfüllt und den Verein schon in kurzer Zeit zu einer nationalen Top-Adresse gemacht. Nahezu alle Erfolge des Teams und der einzelnen Läuferinnen und Läufer sind
unmittelbar mit seinem Namen verbunden.
Sein Tod bedeutete für seine Athtleten einen schweren Schlag, denn er war für sie nicht nur Trainer, sondern auch Mentor, Freund und Ratgeber. Das Laufteam Kassel ohne Winfried Aufenanger, bei jeder Trainingseinheit anwesend ohne Rücksicht auf seine Gesundheit, der bei jedem Wettkampf an der Seite stand und der nahezu rund um die Uhr für seine Schützlinge da war – es ist eigentlich unvorstellbar. Doch zum Vermächtnis des umtriebigen Machers, kurz vor seinem Tod noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet, gehört auch, das „Weiter so!“. Das hat er seinem Team stets mit auf den Weg gegeben. Und so schaut das Laufteam Kassel nach anfänglich verständlicher Schockstarre nun nach vorn, sortiert sich neu und geht optimistisch ins vierte Jahr.
Mit „Aufis“ ehemaligen Athleten und später lebenslangen Wegbegleitern Ralf Salzmann und Reiner Gutschank, einst 2:10- und 2:17-Marathonläufer, hat das Laufteam Kassel zwei neue Trainer, die mit viel Elan und Engagement an die Aufgabe gehen und seine Arbeit in seinem Sinne weiterführen. Für die Mannschaft ist das ein großer Glücksfall, wie sich schon nach wenigen Wochen Zusammenarbeit herausstellt.
Reiner Guschank, Laufteam-Vorsitzenden Joachim Rolle und Ralf Salzmann – Foto: Michael Bald
Sportlich waren es 2021 erneut die Frauen im Team, die für Furore sorgten. Melat Yisak Kejeta lief beim olympischen Marathon in Tokio auf Platz sechs und sorgte damit für das beste deutsche Resultat seit dem vierten Platz von Katrin Dörre-Heinig 1996. Auch wenn Melat mit ihrer Zeit von 2:29:16 etwas haderte und sich einiges mehr vorgenommen hatte, war sie natürlich mit der Platzierung sehr glücklich. Mit diesem sechsten Rang schaffte die 29-Jährige nicht nur eine herausragende Leistung bei den Olympischen Spielen, sondern wurde so auch einem Millionenpublikum bekannt.
Die Halbmarathon-Vizeweltmeistein von 2020 hatte allerdings schon im Frühjahr mit einem Paukenschlag aufgewartet, als sie beim Halbmarathon in Istanbul in 1:07:33 auf Platz zwei der Europäischen Jahres Bestenliste lief – diesen Rang hat sie auch noch zum Jahresende inne. Mit 1:05:18 belegt Melat ja bereits Platz zwei in der Ewigen Halbmarathon-Bestenliste in Europa, ihr Ergebnis von 2021 ist das Neuntschnellste aller Zeiten. In der DLV-Bestenliste ist sie damit in diesem Jahr die Nummer eins.
Neben Melat Yisak Kejeta glänzten mit Sandra Morchner und Eva Dieterich ein Oldie und ein Youngster.
Sandra Morchner machte in ihrem ersten Jahr in der W50 da weiter, wo sie in der W45 aufgehört hatte: mit Rekorden am Fließband. Nachdem sie in der vorigen Altersklasse bereits die Deutschen Rekorde über 3.000 m, 5.000 m, 10.000 m, Halbmarathon, Marathon und Marathon-Team
aufgestellt und teilweise mehrfach verbessert hatte, legte die Sylterin in diesem Jahr mit den Rekorden über 5.000 m, 10.000 m, 10 km, Halbmarathon und Marathon auch in der W50 nach.
Damit ist die 50-Jährige weiterhin die absolute „Altersklassen-Königin“ unter den Läuferinnen. Mehr noch: Mit ihren als zweitbeste Deutsche beim Berlin-Marathon gelaufenen 2:39:36 ist sie die drittschnellste W50-Marathon-Läuferin aller Zeiten in der Welt. In der Deutschen Jahresbestenliste
ist sie damit im Kreise der jüngeren Kolleginnen sogar Achte.
Sieben Tage nach dem Tod ihres großen Mentors und Entdeckers Winfried Aufenanger lief Sandra in Hamburg in 1:15:19 Europäischen Altersklassen-Rekord. Diesen Rekord vor allem widmete sie „Aufi“, der einmal mehr mächtig stolz auf sie gewesen wäre. Verdienter Lohn für diese mentale Willensleistung: Von den Usern des Portals leichtathletik.de wurde Sandra Morchner im Oktober zum „Ass des Monats“ gewählt, die Läufervereinigung German Road Races kürte sie gar zur „Läuferin des Jahres“.
Auch das ein Sinnbild für die erfolgreiche Arbeit und Entwicklung des Laufteam Kassel: Schon im letzten Jahr wurden Winfried Aufenanger (Trainer des Jahres) und Melat Yisak Kejeta (Läuferin des Jahres) von German Road Races ausgezeichnet.
Als Dritte im Bunde machte Eva Dieterich nachhaltig auf sich aufmerksam. Die 22-Jährige lief bei ihrem Debüt im Nationaltrikot bei der U23-Europameisterschaft in Tallinn (Estland) über 10.000 m in 33:56,30 Minuten auf Platz sechs. Zuvor hatte die Studentin, die in Tübingen bei Isabel und Dieter Baumann trainiert, sich bereits bei der Deutschen Meisterschaft über 10.000 m ihren ersten Meistertitel in der U23 geholt, bei den Frauen wurde sie starke Vierte. 33:39,51 Minuten bedeuten den zweiten Platz in der DLV-Jahresbestenliste in der U23 und Platz acht bei den Frauen, auch über 5.000 m (3. U23 und 13. Frauen/16:07:21) ist Eva in der Bestenliste topplatziert.
Eva Dieterich – Foto: Michael Bald
Ihre klasse Leistungen in diesem Jahr krönte sie im Dezember mit dem zehnten Platz in 21:18 Minuten bei der Cross-Europameisterschaft in Dublin, dem deutschen Meistertitel U23 Cross und Bronze bei den Frauen. Chapeau!
Bei den Laufteam-Männern zeigte sich die erstklassige Nachwuchsarbeit ganz besonders. Mit dem Dritten der Deutschen Meisterschaft U18/U20 über 3.000 m, Moritz Kleesiek, stellt das Laufteam den schnellsten deutschen U18- und sechstschnellsten U20-Läufer des Jahres über diese Distanz
(8:35,71). Damit gehört er als 16. auch in der U23 zu den Top 20. Über 1.500 m ist Moritz mit 3:59,78 als Siebter in der U18 ebenfalls stark platziert. Über 10 km U18 steht Moritz mit 33:27 an siebter Stelle, unmittelbar gefolgt von Vereinskamerad Jakob Dieterich als Achter (33:31), der als
15. über 1.500 m (4:.06:30) auch noch zu den besten Nachwuchsläufern des Landes zählt. Auch Aaron Hermenau hat sich prächtig entwickelt.
Die Routiniers wollten da natürlich nicht hintan stehen. Jens Nerkamp kratzte über 10 km in 30:15 nochmal an der 30-Minuten-Grenze. Philipp Stuckhard blieb mit 30:54 unter der 31-Minuten- Marke. Marius Puchta verbesserte sich um stolze 1:37 Minuten auf 31:08, Dario Ernst lief in 31:38
ebenfalls neue persönliche Bestzeit. Herkules-Berglauf Sieger Leonardo Ortolano stellte seine PB mit 31:58 ein, konnte sich über 5 km in 15:27 auf Platz 17 unter die Top 20 der Deutschen Jahresbestenliste platzieren.
Ebenfalls herauszuheben: Fabian Reuter mit starken 1:06:30 im Halbmarathon (Platz 29 DLV- Jahresbestenliste) und Marcel Löber mit 4:16:30 über 50 km (Rang 22). Dazu kamen zahlreiche Podiumsplätze bei Hessischen Meisterschaften, Straßen- und Volksläufen. Mit Melat Yisak Kejata
(Olympiakader Marathon), Eva Dieterich (Perspektivkader 10.000 m), Moritz Kleesiek (Nationalkader 1 U20 Langstrecke ) und Jakob Dieterich (Landeskader Lauf) stehen vier Athleten des Laufteam Kassel im nationalen Blickpunkt.
Für Jens Nerkamp, gemeinsam mit Marius Puchta Athletensprecher des Teams, ist die Saison daher sehr gut gelaufen: „Wir haben uns in der Spitze und in der Breite wesentlich verbessert und können optimistisch ins nächste Jahr schauen.“ Ein großer Schwerpunkt wird sicher die weitere
Entwicklung der erfolgreichen Jugendarbeit und gutes Abschneiden bei den Deutschen Jugendmeisterschaften sein, für die andere stehen die Deutschen Meisterschaften Halbmarathon und Marathon im Mittelpunkt.
Mit Reiner Gutschank und Ralf Salzmann stehen zwei neue Trainer bereit, die sich, so Jens, „schon nach kurzer Zeit bestens integriert haben und sich sehr engagieren. Die machen das sehr gut, die Athleten nehmen das an und wir können sicher von den Erfolgen, die sie damals gehabt haben,
profitieren.“ Zusammen mit Wolfgang Betzin und Nikolaj Dorka bilden sie das Übungsleiter-Gespann.
Genau diese Erfahrung möchte Ralf Salzmann einbringen. Der 66-Jährige, in seiner aktiven Zeit unter den Fittichen von „Aufi“ fünfmal Deutscher Marathon-Meister, je einmal Deutscher Meister über 10,000 m und Cross-Langstrecke, Europameisterschafts-Vierter im Marathon und einmal 18. und einmal 23. beim Olympischen Marathon, nimmt die Herausforderung als Trainer an. Eine ganz neue Erfahrung. „Ich habe ja lange nichts gemacht und muss mich erstmal reinfinden in die Aufgabe und die Athleten kennen lernen“, sagt Ralf. Während sich Deutschlands einst schnellster Postbote Reiner Gutschank (62) um den Laufteam-Nachwuchs kümmert und in dieser Funktion auch in Kaufungen schon einige Talente entdeckt hat, ist Ralf Salzmann für die Top-Athleten zuständig. „Das lässt sich nur gemeinsam machen“, betont Ralf. „Ich hoffe, dass ich den Athleten viel von meiner Erfahrung mitgeben kann. Mein Ziel ist es, sie zu mehr Selbstständigkeit zu bringen, dass sie noch mehr als jetzt in sich reinhören und dann wissen, was sie machen müssen.
Sie sollen mündige Athleten sein, die uns aber auch immer ansprechen und um Rat fragen können.“ Ganz so rund um die Uhr wie Winfried Aufenanger kann er aber nicht zur Verfügung stehen. „Wir machen das sehr gerne und es macht viel Spaß, aber es ist sicher nur für eine
Übergangszeit.“
Dass es mit der Verpflichtung der nordhessischen Lauf-Legenden so schnell geklappt hat, freut auch Laufteam-Vorsitzenden Joachim Rolle: „Es ist uns sehr schnell gelungen, mit diesem aktiven Duo und Nikolaj Dorka für neues Zutrauen und weiter für Kontinuietät zu sorgen, darüber sind wir
mehr als glücklich.“ Das Jahr 2021 war auch aus seiner Sicht von der Pandemie geprägt „und die Dämonen haben uns weiter verfolgt mit dem Tod unseres Cheftrainers. Der Verlust der Führungspersönlichkeit wirkte auf uns alle natürlich besonders nach. Aber wir haben dann sehr schnell und im wechselseitigen Zusammenwirken reagiert und die Linie für die Zukunft festgelegt und uns unmittelbar wieder in Bewegung gesetzt. Ein ganz großes Dankeschön geht dabei vor allem an Wolfgang Betzin, der als Trainer sofort zur Stelle war und ohne ihn wäre das alles so nicht möglich gewesen.“
Für den Vorsitzenden ist deshalb der Blick nach vorn, auch wegen der mittlerweile über 200 Mitglieder, sehr positiv: „Unsere Perspektive ist gut und wir sind gut in Tritt.“
Michael Küppers