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27
09
2025

Foto: Felix Streng © Tom Weller / DBS

„Heiße Eisen im Feuer“: Deutsche Para Leichtathletik möchte „Tiefpunkt“ überwinden – Deutscher Behinderten sportverband e.V. (DBS)

By GRR 0

Ein Mal Gold, drei Mal Silber und vier Mal Bronze gab es für die deutsche Para Leichtathletik-Nationalmannschaft bei den Paralympics 2024 in Paris.

„Ein Tiefpunkt“, wie Bundestrainerin Marion Peters rückblickend sagt. Bei den Weltmeisterschaften vom 27. September bis zum 5. Oktober im indischen Neu-Delhi hofft sie auf ein besseres Ergebnis – obwohl das Team kleiner ist.

„Das Stadion ist wunderschön geworden“, schwärmt Marion Peters vom Jawaharlal-Nehru-Stadion, das Platz für 60.000 Menschen bietet: „Sie haben die Sitzschalen erneuert und generell alles hübsch gemacht. Auch der Warm-Up-Platz ist in unmittelbarer Nähe, das geht kaum besser und ist sehr athletenfreundlich. Ich würde es mit dem Olympiastadion in London vergleichen.“ Die Bundestrainerin ist guter Dinge vor der WM. Im März war sie zum Grand Prix in Indiens Hauptstadt, danach hatten sich doch einige Fragezeichen angesammelt. Nun sieht sie nur noch einen Punkt, der sich kritisch auf ihr 20-köpfiges Team auswirken könnte: „Der Verkehr kann der Endgegner werden. Eigentlich bräuchte man einen Hubschrauber“, sagt Peters und lacht: „Zum Training wurden wir einmal sogar von der Polizei eskortiert, das hat immerhin etwas geholfen. Es ist ein Irrsinn, du steckst einfach im Verkehr und es hupt von allen Seiten.“

Sportlich ist Peters optimistisch. „Wir haben starke Leute dabei, trotz der Tatsache, dass mit Irmgard Bensusan und Nele Moos klare Medaillenkandidatinnen gesundheitsbedingt absagen mussten. Da sind einige heiße Eisen im Feuer“, verrät die Bundestrainerin und sagt auch gleich, wen sie meint: Johannes Floors beispielsweise, der erst seinen Weltrekord über 200 Meter verbesserte und sich dann auch – nach sechs Jahren – über die 400 Meter deutlich auf 45,26 Sekunden steigerte. Vor einem Jahr bei den Paralympics hatte Floors erstmals seit 2017 über die Stadionrunde nicht Gold, sondern Silber geholt. „Er überzeugt mich sehr mit seinen Vorleistungen“, meint Peters (mehr zu Johannes Floors und seinen Zielen für die WM gibt es hier).

Auch von Paralympics-Sieger Markus Rehm, der seit 2011 alle 16 Titel im paralympischen Weitsprung gewonnen hat, ist Peters „sehr überzeugt“: „Er ist dieses Jahr stabil über die acht Meter gesprungen und wird seiner Trainerin Steffi Nerius sicher ein schönes Abschiedsgeschenk machen wollen.“ Tokio-Paralympics-Sieger Felix Streng, der in Paris über die 100 Meter Bronze gewonnen hatte, ist für Peters über seine Paradestrecke und auch über die 200 Meter ein Medaillenkandidat: „Ich habe ihn in Berlin beim ISTAF gesehen, da hat er sehr fokussiert und stark gewirkt – auch im Vergleich zu seinen Konkurrenten.“

Bleiben von den Paris-Dekorierten noch Lindy Ave, Niko Kappel und Katrin Müller-Rottgardt. Tokio-Siegerin Ave war in Paris kurz nach ihrer Babypause zurückgekehrt und hatte Bronze über die 400 Meter gewonnen, auch jetzt macht sie „einen guten Eindruck“, wie Peters findet: „Die Trainerin ist nicht unzufrieden, aber sie hat natürlich eine extreme Konkurrenz.“ Hinter Kugelstoßer Niko Kappel, 2016 in Rio Paralympics-Sieger und vergangenes Jahr in Paris Silbermedaillengewinner, stehe hingegen ein großes Fragezeichen: „Er läuft hier mit einem dick eingewickelten Ellenbogen herum.“ Fünf Wochen konnte Kappel nicht stoßen und sagt: „Dass es weh tut, ist unvermeidbar, aber da muss ich durch. Topform ist etwas anderes. Ich hoffe, dass es einigermaßen hält und ich gegen die Kugel hauen kann. Dann muss ein Stoß fliegen.“

Unklar ist auch, wie die Chancen von Katrin Müller-Rottgardt sind: In Paris hatte sie noch mit Noel Fiener an ihrer Seite Bronze über 100 Meter gewonnen, doch da sie momentan keinen Guide hat, kann sie nur im Weitsprung antreten: „Mit Guide war sie eine Bank für Medaillen, im Weitsprung muss sie schon einen sehr guten Tag erwischen“, mutmaßt Peters.

Léon Schäfer, der als Doppel-Weltmeister von Kobe 2025 anreist, in Paris im Weitsprung und über 100 Meter allerdings nur Vierter geworden war, wird laut der Bundestrainerin „viel Ehrgeiz in sich haben, mindestens eine Medaille mitzunehmen. Er muss für sich die Dinge wieder richten.“ Marcel Böttger mit Guide Alexander Kosenkow, die jüngst zum deutschen Rekord gesprintet sind, traut sie eine Finalteilnahme zu und von Mittelstreckler Felix Krüsemann erwartet Peters, „dass er uns alle Lügen strafen wird. Eine Platzierung unter den besten Sechs wäre ein Erfolg.“ 400-Meter-Sprinter Max Marzillier sah im Trainingslager ebenfalls gut aus: „Ich würde es ihm wünschen, dass er endlich mal in den Medaillenbereich kommt.“ Speerwerferin Francés Herrmann, jahrelang Medaillengarantin und in Paris zuletzt Fünfte, hat wie Yannis Fischer, Kugelstoß-Weltmeister von Paris 2023, gesundheitlich „ein Auf und Ab“, sagt Peters: „Sie brauchen einen guten Tag.“

Positiv gestimmt ist Peters bei Lisa Martin Wagner, die zuletzt beständig über elf Meter stieß, sowie bei Nachwuchstalent Jule Roß, der sie eine „vordere Finalplatzierung“ zutraut: „Ihr kometenhafter Aufstieg ist noch nicht zu Ende.“ Auch Speerwerferin Lise Petersen sieht die Bundestrainerin im Aufwind: „Sie war zuletzt wieder gut drauf. Wenn ihr ein Knaller herausrutscht, kann sie weit werfen.“ Von den Kugelstoßerinnen Charleen Kosche und Kim Vaske, Weitspringer Andreas Walser sowie Laura Burbulla und Friederike Brose in Sprint und Sprung erhofft sich Peters, dass sie weitere Erfahrungen sammeln und den nächsten Karriereschritt machen.

Die Wettbewerbe starten am Samstag und dauern bis zum 5. Oktober an. „Wenn wir mit weniger Athletinnen und Athleten auf das Ergebnis von Paris kommen, wäre ich froh“, fasst Peters die Erfolgsaussichten zusammen: „Schließlich waren wir da auf einem Tiefpunkt, das kann man nicht schönreden. Wenn wir die acht Medaillen von Paris übertreffen, wäre ich sehr zufrieden.“

Weitere Informationen sowie Ergebnisse der Para Leichtathletik-WM gibt es auf World Para Athletics.

Nico Feißt / DBS

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