Macht die Schubladen auf und holt eure Programme zur Entwicklung der Leichtathletik raus!
Harald Schmids WM-Kolumne – Der Boom wird nicht lange anhalten – Harald Schmid in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
24. August 2009 Ich habe kurz nachgezählt, wie viele Finalteilnehmer auf allen Laufstrecken der Weltmeisterschaft in Berlin aus Europa kommen: bei den Frauen sind es 19, bei den Männern 15. (Die Staffeln habe ich nicht gezählt.) Das passt zu dem Ergebnis des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Die meisten Erfolge wurden im Wurf und im Sprung erreicht.
Manchmal eröffnet sich durch eine Leichtathletik-WM sogar der Blick auf die Lebensbedingungen der Menschen. Wir bewegen uns doch kaum noch zu Fuß irgendwo hin, unsere Kinder spielen in geschlossenen
Macht die Schubladen auf und holt eure Programme zur Entwicklung der Leichtathletik raus!
Jetzt wäre der geeignete Zeitpunkt. Die Weltmeisterschaften waren großartig und haben ein hohes Interesse in der Bevölkerung geweckt. Also macht die Schubladen auf und holt eure Programme zur Entwicklung der Leichtathletik raus! Leichtathletik an der Schule beliebt machen, Lehrer fortbilden und motivieren, Trainer schulen, Aktionen gegen den Drop-out der Jugendlichen, Laufen als die gesündeste Sportart. Ihr habt die Programme doch vorbereitet, oder?
Preisgestaltung und Promotion waren mangelhaft
Der WM-Boom wird nicht lange anhalten. Die nächsten großen Sportereignisse warten schon. Vancouver 2010, ja, Winter-Olympia ist bereits in wenigen Monaten. Da wird das Zeitfenster überschaubar klein. Und die Europameisterschaften der Leichtathleten stehen 2010 auch an. Da wird es wieder ohne Heimvorteil und ohne fantastische Zuschauerunterstützung gehen müssen.
Woran kann der Deutsche Leichtathletik-Verband bis dahin arbeiten? Man kann Trainingsplanung und -steuerung optimieren, neueste Techniken aufgreifen, Athleten gegen äußere Einflüsse abhärten, den Leistungsabruf auf den Punkt einüben, all das hart trainieren. Viele Trainer und ehemalige Athleten haben mir bei der WM noch gesagt, dass sie großen Wert auf das Auftreten ihrer Sportler in der Öffentlichkeit legen und mit ihnen immer wieder über ihre Einstellung zu ihrem Sport und zu ihrer Leistungsbereitschaft sprechen.
Die Weltmeisterschaften waren ein schönes Sportereignis. Ich hebe besonders das Stadiondesign, die perfekte Organisation, die unglaublich netten Volunteers und die überragende Fairness der Zuschauer heraus. Darüber steht noch die erfolgreiche deutsche Leichtathletikmannschaft. Die Veranstaltung hätte ohne die Marketingversäumnisse grandios werden können. Preisgestaltung und Promotion waren mangelhaft.
„Brauchen wir die Leichtathletik wirklich als Beispiel für die Gesellschaft?”, fragt Harald Schmid
Harald Schmid war in den 70er und 80er Jahren einer der besten 400-Meter-Hürdenläufer der Welt und ein herausragender Repräsentant der internationalen Leichtathletik. Er wurde fünf Mal Europameister, gewann drei WM-Medaillen (zwei Mal Silber 1983 und Bronze 1987) und zwei Mal olympisches Edelmetall (Bronze 1976 mit der Staffel und 1984 über 400m Hürden).
Für FAZ.NET analysierte der promovierte Sportwissenschaftler in seiner Kolumne während der Leichtathletik-WM in Berlin jeden Wettkampftag. Der Gelnhausener betreibt eine Agentur für Sport und Kommunikation. Besonders am Herzen liegt ihm die Kampagne zur Suchtvorbeugung „Kinder stark machen“ (siehe: Homepage von Harald Schmid).
Harald Schmid, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Montag, dem 24. August 2009
Siehe auch unseren Beitrag über Harald Schmid in der Serie "Der läuferische Rückblick":
Zwischen Daumen und Zeigefinger – Robert Hartmann schreibt über die 400 m Hürden und die 110 m Hürden in Rom 1987 – Edwin Moses und Harald Schmid – Der läuferische Rückblick – Teil IV