Das Problem der Leichtathletik ist, dass sie mit Quälerei im Training in Verbindung gebracht wird und mit schmerzverzerrten Gesichtern im Wettkampf.
HAND gestoppt – Da fängt der Spaß erst an – Friedhard Teuffel im Ta
Er ist der Showmann der Leichtathletik, der Reggaetänzer und Faxenmacher auf und neben der Bahn. Er ist der, der Respekt zu haben scheint nur vor sich selbst. Und das kann er auch: Usain Bolt ist der schnellste Mann der Welt und seit Sonntagabend auch Weltmeister mit einem schier unglaublichen Weltrekord von 9,58 Sekunden. Er mag viele Faxen machen. Er kann es sich leisten.
Mit Usain Bolt ist eine Frage in der Leichtathletik aufgelaufen: Wie viel Spaß darf man sich erlauben in einem Wettbewerb? Das war in Peking schon eine heiße Diskussion, nachdem Bolt im Finale über 100 Meter nur 80 Meter Tempo gemacht hatte, sich dann nach seinen Gegnern umsah und schon vor dem Ziel jubelte. Diese Diskussion darf nun in Berlin weitergehen nach diesem furiosen Finallauf, der die Zuschauer begeistert hat und Beobachter doch zweifeln lässt.
Denn Bolt hatte im Ziel noch Zeit, zur Uhr zu schauen. Und in der zweiten Runde des 100-Meter-Wettbewerbs hatte er sich mit seinem Kollegen Daniel Bailey beim Laufen sogar mehrmals ein Grinsen zugeworfen, während sich die anderen Läufer hinter ihnen vergeblich ums Aufholen bemühten. Darf man das?
Wenn es nach dem Publikum im Olympiastadion geht, darf Bolt das auf jeden Fall. Denn es hat sich bestens amüsiert, und weil es so lustig war, wurden seine Szenen noch einmal in Zeitlupe gezeigt. Ein lautes Lachen im Stadion – und ein begeistertes Raunen.
Das Problem der Leichtathletik ist, dass sie mit Quälerei im Training in Verbindung gebracht wird und mit schmerzverzerrten Gesichtern im Wettkampf. Und jetzt kommt einer, der im Training hart dafür gearbeitet hat, den Wettkampf genießen zu dürfen, und das ist falsch? Soll Sport nicht Spaß machen und Ausdruck eines Lebensgefühls sein? Es ist Ansichtssache, ob man Bolt unterstellt, seinen Gegner mit solchen Späßen nicht genug Respekt entgegenzubringen. Oder ob er sich auf Kosten anderer verlustiert. Im Ziel ist es auch einfach so:
Der Showmann der Leichtathletik hat noch jedes Grinsen mit einem ungewöhnlichen Lauf gerechtfertigt.
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Montag, dem 17. August 2009