Beste Deutsche im Ziel: Die Berlinerin Rabea Schöneborn - Foto: Horst Milde
Halbmarathon in Berlin: Ende der langen Durststrecke – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Selbst für die Stars war es keine leichte Aufgabe, die Form so lange zu halten: Der Halbmarathon in Berlin entließ die Läufer aus der Zwangspause.
Eine wichtige Vorbereitung für das, was noch kommt.
Als ob ein Ventil sich geöffnet hat, als ob Überdruck entwichen ist: Rund 15.000 Teilnehmer sind am Sonntag beim Halbmarathon von Berlin an den Start gegangen, rund sechstausend weniger als gemeldet.
„Es war nicht leicht, die Form acht Monate lang zu halten“, klagte die Kenianerin Joyciline Jepkosgei über eine Zwangspause ohne Wettkämpfe, die nun, dank der Veranstalter in Berlin, zu Ende sei.
Die 27-Jährige zeigte, dass sie die Zeit gut genutzt hat: Die 21,1 Kilometer mit Start und Ziel zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule brachte sie in 1:05:16 Stunden hinter sich, Streckenrekord. Ihr Sponsor hatte der Kenianerin erlaubt, sich während der Corona-Pandemie im Trainingslager abzuschirmen und ihr weiterhin Prämien gezahlt.
Die 27-Jährige zeigte, dass sie die Zeit gut genutzt hat: Die 21,1 Kilometer mit Start und Ziel zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule brachte sie in 1:05:16 Stunden hinter sich, Streckenrekord. Ihr Sponsor hatte der Kenianerin erlaubt, sich während der Corona-Pandemie im Trainingslager abzuschirmen und ihr weiterhin Prämien gezahlt.
Der Halbmarathon nun sei nicht nur eine Erleichterung, sondern auch Vorbereitung auf den London-Marathon Anfang Oktober gewesen, sagte sie am Sonntag fröhlich. Sie, die zwei Mal Weltrekord im Halbmarathon gelaufen ist und 2019 bei ihrem Debüt den New York-Marathon gewann, hat sich mit diesem Erfolg zur Favoritin auf den Sieg in England gemacht.
Schöneborn als Achte
Hinter zwei weiteren Kenianerinnen, Nancy Meto (1:05:21) und Valary Aiyabei (1:07:32), drei Äthiopierinnen und der Polin Izabela Paszkiewicz kam Rabea Schöneborn in 1:10:35 als Achte ins Ziel. Als Reserve-Läuferin für Olympia hat die Schwester von Lena Schöneborn, der Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf, zwar die Vorbereitung für den Marathon in Sapporo mitgemacht, nicht aber das Rennen. „Ich bin gut in Form“, versprach sie: „Ich will in diesem Herbst einen Marathon laufen.“ Gut möglich, dass dies der lange Lauf durch ihre Heimatstadt Berlin in fünf Wochen sein wird.
Bei den Männern blieb Philipp Pflieger als Neunter in 1:03:03 Stunden nur zwölf Sekunden unter seiner Bestzeit über die halbe Distanz. Noch in dieser Woche geht es für ihn zurück ins Höhentraining in Sestrière bei Altmeister Renato Canova. Auch Pflieger will in diesem Herbst ein Zeichen seiner Leistungsstärke geben. „Man hat gemerkt, dass alle Amateure und Hobbyläufer darauf gewartet haben, wieder bei einem Wettkampf starten zu dürfen“, beschrieb er die Stimmung auf der Strecke und an der Strecke. Selbst beim Warmmachen, als die Startnummer mit seinem Namen noch unter einer Jacke verborgen war, hätten Zuschauer und Fans – viele selbst Teilnehmer des Laufes – ihn aufgemuntert und namentlich angesprochen.
Eine Durststrecke von zwei Jahren ist mit dem Halbmarathon am Sonntag für zahlreiche Athleten zu Ende gegangen. Viele Hobbyläuferinnen und -läufer erzählten, dass ihnen durch die Absage der großen Straßenläufe im vergangenen Jahr und im Frühjahr 2021 ein Ziel und damit ein Antrieb fürs regelmäßige Training gefehlt habe.
Foto: rechts: Philipp Pflieger, Neunter, bester deutscher Läufer – Foto: Horst Milde
Restart geglückt
„Wir können einen dicken Haken daran machen“, sagte Mark Milde, der Renndirektor der veranstaltenden SCC Event GmbH, „dass wir den Restart Running hingekriegt haben.“ Sechstausend Läuferinnen und Läufer allerdings gingen am Sonntag, obwohl sie gemeldet hatten, nicht auf die Strecke – ob aus Sorge vor dem Coronavirus oder wegen Trainingsrückstands, weiß niemand. Auch für den erst 23 Jahre alten Felix Kipkoech war der Lauf eine Befreiung.
Nach fünfzehn Kilometer und knapp 42 Minuten entschied er sich, mit einer entschlossenen Tempoverschärfung seine kenianischen Landsleute Josphat Tanui (Zweiter in 59:40 Minuten) und Philemon Kiplimo (59:54) hinter sich zu lassen. Sein Solo auf den letzten 5000 Meter vom Potsdamer Platz ab durch die Mitte zum Brandenburger Tor brachte dem Neuling im Straßenlauf-Geschäft mit 58:57 Minuten die Bestzeit des Jahres und eine vielversprechende Referenz für weitere Engagements. Fürs Debüt auf der Marathon-Distanz hält er sich noch für zu jung. Erster von sechs Kenianern auf den ersten sechs Plätzen mochte er über Pläne, 42,195 Kilometer am Stück zu laufen, nicht sprechen.
Renndirektor Milde will ihn gleichwohl für den 26. September verpflichten. Als Tempomacher für den äthiopischen Star Kenenisa Bekele kann Kipkoech in die Königsdisziplin des Straßenlaufs hineinschnuppern und sich mit der zu Bestzeiten und Rekorden einladenden Strecke vertraut machen.
Kipkoech aus Kenia
Im Umgang mit dem jungen Läufer scheint Milde den richtigen Ton zu treffen. Noch am Donnerstag hing dieser in Kenia fest, weil es Schwierigkeiten mit dem Visum für Deutschland gab. Milde intervenierte, und schon kam Kipkoech geflogen.
Foto rechts: Felix Kipkoech – Foto: SCC/Events – Petko Beier
Als die Spitze am Sonntag nach rekordverdächtigem Beginn – zehn Kilometer in 27:46 Minuten – und nach dem Ausscheiden der Tempomacher im Gegenwind Tempo verlor, rief Milde Kipkoech vom Fahrrad aus zu: „Du schwitzt noch gar nicht!“
Der Athlet war sofort bereit, das zu ändern.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 22. August 2021
Die Läufer:Läuferinnen kurz vor dem Ziel – Foto: H0rst Milde
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Anfeuerung vor dem Brandenburger Tor – Foto: Horst Milde