Günter Hallas - Foto: Horst Milde
Günter Hallas, Sieger des 1. BERLIN-MARATHON 1974 – „Det kann doch nicht der Sieger sein!“ – Horst Milde berichtet
Am 18. Januar 2023 wurde Günter Hallas – der Sieger des 1. BERLIN-MARATHON 1974 81 Jahre alt.
Günter Hallas (LG Nord) gewann am 13. Oktober 1974 den 1. BERLIN-MARATHON, der damals noch „1. Berliner Volksmarathon“ hieß, in 2.44:53. Es war damals ein außergewöhnlicher Marathon, denn es konnten auch vereinlose Läufer/-innen teilnehmen, was bis dato vorher nicht möglich war. 286 Teilnehmer/-innen starteten in der Waldschulallee 80, 244 erreichten das Ziel in der kleinen Vorfahrtstraße am Mommsenstadion.
Auf dem Startbild des 1. Berliner Volksmarathon in der Waldschulallee 80 ist Günter Hallas (Startnummer 37) nicht zu erkennen, das sollte sich schnell ändern, denn er lief bald an die Spitze. Ab Kilometer 10 lag er vorne, an der Verpflegungsständen lief er meistens vorbei „bloß keine Zeit verlieren, man muß ja weiterrennen“ so sein Kommentar. Eine Salztablette habe er genommen mit einem Glas Wasser (gehörte 1974 zur offiziellen Verpflegung) – und warme Brühe im Ziel!
Günter Hallas (18.01.1942), geborener Spandauer, 2 Kinder und eine Enkelin, war Postzusteller und beim TSV Siemensstadt, später beim BSC Rehberge zu Hause, lief aber offiziell für die LG Nord.
Zum Laufen kam er über Umwege, er wollte als Sechzehnjähriger das Sportabzeichen machen, scheiterte aber am 100 m Lauf. Erst als 18-Jähriger schaffte er dann das Sportabzeichen, weil er auf die 400 m ausweichen konnte. Herbert Pulver, das damalige Leichtathletik-Original vom TSV Siemensstadt brachte ihn auf diesen Weg. Er trainierte dann später bei Helmut Klafki am Dienstag und Freitag – Sonntags lief er bei Volksläufen mit, als „Ali“, wie ihn auch seine Freunde wegen seines etwas dunkelhäutigen Aussehens nannten. Er lief als Vorbereitung auf den 1. Berliner Volksmarathon des SCC einmal vor dem Marathon 20 – 25 km, das war es dann. „Den Rest bis 42 km kannste auch noch so schaffen“ war die optimistische Prognose für die Lauf-Premiere.
Günter Hallas – in voller Aktion – hier bei einem anderen Lauf – Foto: privat
101 km in der Woche – „aber nur einmal und nie wieder.“
Trainingsmäßig kam er auf 50 Kilometer, max. 60 Kilometer die Woche (3 – 4 x die Woche „etwa 10 – 15 km Trainingseinheiten“). „Det haben mir die SCCer nie gegloobt“ sagt er. Eingeladen hat er sie, immer mit ihm zu trainieren, aber gekommen ist keiner. Einmal ist er die Woche mal insgesamt 101 km gelaufen – „aber nur einmal und nie wieder.“
Günter Hallas wurde vor Jahren vom Veranstalter zu einem Treffen eingeladen und er sollte dazu auch alte Erinnerungsstücke mitbringen.“Da muß ich aber tief und lange wühlen, bis ich da noch was finde“ war die Antwort am Telefon von Günter Hallas. Tatsächlich erschien dann Günter Hallas zum Treffen mit einem dicken Kuvert und vielen Erinnerungsstücken an seinen ersten Sieg, Zeitungsausschnitten, Bildern und in einer Plastiktüte die alten abgelatschten Puma-Schuhe von damals, die heute in einer Vitrine im Sportmuseum Berlin – Marathoneum – ausgestellt zu sehen sind.
Die abgelatschten PUMA-Siegerschuhe (r. unten) im Sportmuseum Berlin – Marathoneum – Foto: Gerd Steins, Berlin
„Hat alles meine Frau gefunden“ so sein kurzer Kommentar. Zu seiner eigenen Überraschung war die Sieger-Urkunde mit der Unterschrift des Veranstalters dabei – „die sehe ich jetzt nach 29 Jahren auch wieder zum ersten Mal“. Auch ein Bild „nicht ganz scharf“ war dabei. Es zeigt Günter Hallas auf der Straße vor dem Mommsenstadion, links winkt ihm sein Clubkamerad Dieter Weiß zu, dahinter ein Läufer vom BSV 92. „Das muß nach der ersten Runde sein, da lache ich noch“ erinnert sich Günter Hallas, denn zum Schluß, da war nichts mehr mit Lachen.
Günter Hallas (lks.) nach der ersten Runde am Mommsenstadion – da lacht er noch! – Foto: privat
Günter Hallas am Verpflegungsstand am Mommsenstadion nach der ersten Runde – Ausriss aus einer Berliner Zeitung – Foto: Horst Milde
Zum Lachen war ihm auf der zweiten Runde überhaupt nicht mehr. In der Nähe des Auerbachtunnels (bei 39 km/40km) an der AVUS ging es ihm so schlecht, daß er sich an den Zaun hing und aufhören wollte. Ein einsamer Zuschauer ermunterte und überredete ihn dann noch, sein Vorsprung gegenüber dem Zweiten war so groß: „Det schaffste noch!
„Det kann doch nicht der Sieger sein“- So wurde Günter Hallas der Champion des 1. BERLIN-MARATHON.
Günter Hallas schaffte es tatsächlich noch, aber der Ausruf eines Zuschauers hat er heute noch im Ohr: „Det kann doch nicht der Sieger sein!“ – so langsam und abgekämpft kam er nach 2:44:53 ins Ziel am Mommsenstadion an vor Rudolf Breuer (SV Helios) 2:46:43 – 3. Günter Olbrich (Polizei SV) 2:48:08 – 4. Dieter Daubermann 2:48:40 – 5. Dieter Sickert 2:49:01 und 6. Clifford Lewitz (USA/US Army) 2:49:42.
Dass dieser 1. Berliner Volksmarathon von 1974 mal in die Geschichtsbücher eingehen wird, hat zu diesem Zeitpunkt kein Mensch vermuten können und Günter Hallas mit den großen Champions wie Paul Tergat, Haile Gebrselassie und Eliud Kipchoge in einer Siegerliste stehen würde, wohl auch keiner.
Günter Hallas ist dem Laufen treu geblieben, trotz aller Malaisen, die man in einem Läuferleben über sich ergehen lassen muss. Günter lief nicht nur in Berlin, sondern auch beim Vancouver-Marathon, das war sein schönster Lauf im Ausland, auch beim New York City Marathon, in Lissabon und auf Hawaii, und auf vielen anderen Veranstaltungen in Deutschland
Günter Hallas mit seinem Ebenbild 2018 auf der „Hall of Fame“ des BERLIN-MARATHON am Brandenburger Tor – Foto: Horst Milde
Er gehört natürlich dem BERLIN-MARATHON Jubilee-Club an. Er trägt die „ewige“ Startnummer 425 und ist 42-facher Finisher, seine Bestzeit beim BERLIN-MARATHON ist 2:38:00 – seine Bestzeit im übrigen 2:35.00 (so genau weiß er es aber nicht).
Günter Hallas beim BERLIN-MARATHON unterwegs (r.)- mit der Jubilee-Startnummer auch auf dem Rücken – Foto: Horst Milde
Günter Hallas, der Champion von 1974, ist ein knorriger und gestandener Läufer von altem Schrot und Korn mit seinem ureigenem Humor und blitzenden Augen. Er kann Vorbild für die heutige Läufergeneration sein, wie man mit Laufen den Beruf, Leben und Familie meistern kann – und dabei das Laufen auch nicht als todernste Angelegenheit ansieht.
Zeittabellen, Ernährungs- und Diäthinweise, Trainingslager, integrierte Laufschuhmodelle, Laufstrategien und wissenschaftliche Vorbereitungen auf den Lauftag X – das gehörte nicht in die Laufwelt von 1974 ff.
Man kann wohl davon ausgehen, daß Günter Hallas am 25. September 2022 auf den Straßen Berlins zu finden ist und er seinen 43. BERLIN-MARATHON finisht.
Alles GUTE Günter für heute, für den 26. Januar und natürlich für den 25. September 2022.
Horst Milde – und die vielen Anderen.
Ausriss aus der Berliner Abendzeitung „Der Abend“ (gibts nicht mehr) – Foto: Horst Milde
Die Urkunde für den 1. Platz – Foto: Horst Milde
Sieben BERLIN-MARATHON Sieger/-innen beim BERLIN-MARATHON Erinnerungslauf 1998: (v.lks.): Ingo Sensburg (3 Siege 1976, 1979 und 1980), Christin Bochröder (1975), Günter Hallas (1974) , Jutta von Haase (1974) und Rolf Bochröder (1975) – Ausriss aus dem TAGESSPIEGEL – Foto: Horst Milde
Foto: oben: Günter Hallas (lks.) und Bernd Hübner (34-facher Finisher beim BERLIN-MARATHON – Foto: Horst Milde – Günter Hallas (lks.) und Wilfried Köhnke (44-facher Finisher beim BERLIN-MARATHON und damit der Rekordler) – Foto: Alexander von Uleniecki
Zeitzeugen in Laufsport und Leichtathletik: Horst Milde – Berlin –
youtube Video von Helmut Winter
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