Gruppeneffekt bewegt die Deutschen - Laufboom setzt sich fort - Aktuelle Ergebnisse aus dem Halbjahr-Statistik 2014 - Prof. Detlef Kuhlmann (unter Mitarbeit von Kristof Grätz) in LAUFZEIT & CONDITION ©Camera 4
Gruppeneffekt bewegt die Deutschen – Laufboom setzt sich fort – Aktuelle Ergebnisse aus dem Halbjahr-Statistik 2014 – Prof. Detlef Kuhlmann (unter Mitarbeit von Kristof Grätz) in LAUFZEIT & CONDITION
Laufen in Deutschland boomt nach wie vor: Die Einlaufzahlen bei organisierten Wettkampfläufen sind im ersten Halbjahr 2014 weiter gestiegen: von 165.682 im Vorjahr auf nunmehr 185.758.
Das geht aus einer statistischen Auswertung sämtlicher großen Marathonläufe in Deutschland hervor, die am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover entstanden ist: „Laufreport 2011-2014" nennt sich diese Längsschnittstudie, bei der die Teilnehmerzahlen aller Läufe in Deutschland erfasst werden, die als Tagesveranstaltung mindestens tausend Frauen und Männer im Ziel aufweisen und sich namentlich (!) als Marathonlauf präsentieren.
Allerdings geht es dabei meistens nicht mehr allein nur um den Marathon: Wer als Veranstalter einen Marathonlauf über 42,195 km anbietet, hat heutzutage fast immer noch andere Läufe über kürzere Distanzen im Programm. Dieser Trend setzt sich schon seit Jahren immer stärker fort – mit mindestens einer rühmlichen Ausnahme:
In Berlin wird nach wie vor am letzten Septembersonntag „nur" der Marathon gelaufen; für andere Strecken (zum Beispiel Halbmarathon, 10 km und Staffeln) sind dort eigene Läufe mit anderen Terminen beziehungsweise auf anderen Strecken im Angebot.
Die Halbjahresauswertung für 2014 belegt eindrucksvoll, wie sich das Teilnehmerfeld
bei den insgesamt 42 für die Studie erfassten Läufe weiter ausdifferenziert: Den
Löwenanteil der Gesamteinläufe bei Marathonveranstaltungen machen demnach
die Halbmarathonläufer und -läuferinnen mit 39,76 Prozent aus.
Von insgesamt 42 Marathonläufen, die von Anfang Januar bis Ende Juni 2014 stattfanden, verzichten nur fünf auf einen Halbmarathon im Angebot. 73.858 Läuferinnen und Läufer wurden im Halbmarathonzielen gezählt, im Durchschnitt sind dies 1.996 pro Lauf.
Derzeitiger „Marktfuhrer" im ersten Halbjahr mit genau 7.009 Halbmarathonergebnissen ist der Freiburg Marathon. Vergleichweise „nur" 1.035 Aktive kamen dort über die Marathondistanz ins Ziel. Das zeigte noch eine weitere Entwicklung, wonach die Einlaufzahlen über die Marathondistanz in absoluten Zahlen zwar weiter stieg (beispielsweise von 32.781 im Jahre 2011 auf 36.027 in diesem Jahr), dagegen der relative Anteil an den Gesamtteilnehmerzahlen innerhalb eines Events mit mehreren Streckenangeboten von 21,19 Prozent im Jahre 2011 auf
nunmehr 19,39 Prozent weiter zurückgegangen ist.
Geteilte Marathons im Trend
Diese Entwicklung kann auch so bewertet werden: Es gelingt den Laufveranstaltern in Deutschland offensichtlich weiterhin und immer mehr, Laufinteressierte für eine wettkampfbezogene Teilnahme zu gewiimen. Allerdings starten längst nicht mehr alle angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Marathonlauf, obwohl die Veranstaltung diesen Namen trägt. Der Trend geht eindeutig zu kürzeren Strecken.
Daneben boomt ein völlig neues „Marathon-Format". Das sind die Marathonstaffeln, bei der sich mehrere Personen nacheinander laufend die Marathondistanz aufteilen.
Die Staffelteilnehmer laufen bei dem geteilten Marathon über jeweils eine kürzere Strecke (meist nicht mehr als 10 km). Die großen Veranstalter haben diese Marktlücke längst erkannt: Inzwischen bieten mehr als die Hälfte aller Anbieter von Marathonläufen zeitgleich eine Marathonstaffel an – beispielsweise Hannover seit 2008.
Stefanie Eichel, Race-Direktorin des Hannover Marathons, begründet die Einfuhrung so: „Der Teamgedanke, das Miteinander, ist auch im Laufsport ein Ziel in der Kommunikation sowie Verteilung der Teilnehmerzahlen bei Läufen – Frühjahr 2014
Eventgestaltung. Die Staffel bietet die Möglichkeit der Vorbereitung und Einstimmung
sowie Teilnahme in einer Gruppe, gemeinsam wird ein Ziel erreicht."
Noch vor rund zehn Jahren war die Marathonstaffel bei uns in Deutschland in dieser Form völlig unbekannt. Der Laufreport der Leibniz Universität Hannover weist für die erste Jahreshälfte 2011 insgesamt 18.461 Staffellaufende aus, im ersten Halbjahr 2014 sind es dagegen schon 31.627. Damit verzeichnen die Marathonstaffeln die größten relativen Zuwächse und sind auf dem besten Wege, zum richtigen (dem ganzen) Marathon zahlenmäßig aufzuschließen.
Konkret bedeutet dies: Bei den Marathonstaffeln, die im ersten Halbjahr 2014 angeboten worden sind, waren nur noch rund 5.000 Männer und Frauen weniger unterwegs als beim Einzel-Marathon. Dabei ist der Marktanteil der Staffeln von 11,93 (2011) auf 17,03 Prozent (2014) gestiegen. Die teilnehmerstärksten Staffeln weisen übrigens die Marathonläufe in Düsseldorf (9.808) und Hamburg (6.028) auf.
In der Hansestadt wurde die Staffel erst 2012 mit in das Programm aufgenommen und stellt heute bereits knapp ein Drittel aller Gesamtteilnehmer der Veranstaltung.
Neuer Glanz für Marathontradition
Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? Die Sporrwissenschaftler aus Hannover
bringen ihre Befunde mit zwei Begriffen auf den Punkt:
Konstanz und Differenzierung innerhalb der Laufbewegung – denn: auch im 51. Jahr ihres Bestehens ist die modernen Laufbewegung eine Konstante in der Sportlandschaft und keinesfalls rückläufig. Diese Konstanz erreicht sie offensichtlich auch dadurch, dass sie sich weiter ausdifferenziert und dadurch bisher fern stehende Menschen anzieht.
Dies gelingt hauptsächlich durch neue Angebote, die in die bereits bestehenden
Läufe integriert werden – allen voran die Marathonstaffeln. Doch was ist das Faszinierende an den Staffelläufen? Stefanie Eichel hat eine Erklärung: „Neben dem
Teamgedanken und dem gewünschten Miteinander besteht der Wunsch, beim Marathon auf der Königsdistanz über 42,195 Kilometer am Start zu sein und die Atmosphäre auf und an der Strecke zu genießen."
Auch für sportlich nicht so ambitionierte Läufer wird dadurch die Marathondistanz interessant: „Die Staffel bietet die Chance der Teilnahme mit reduzierter Kilometerleistung. Somit ist die Resonanz und der Trainingseffekt in der Gruppe auch größer, eine Etappe ist schaffbar", so Stefanie Eichel weiter.
Dass diese neue Marathonstaffel auch in Hannover angenommen wird, zeigt sich an
den Teilnehmerzahlen, die sich 2014 im Vergleich zu 2013 fast verdoppelt haben.
Fazit: Differenzierung der jeweiligen Streckenlängen und flexiblere Teamgestaltung sind ein Trend, der den Marathonläufen hierzulande zu neuem Glanz verhelfen könnte.
Prof. Detlef Kuhlmann (unter Mitarbeit von Kristof Grätz) in LAUFZEIT & CONDITION – 10/2014