Sportwissenschaft ganz ohne Sportgeschichte wäre eine fatale Grenzüberschreitung!
Grenzenlose Sportwissenschaft? Sportwissenschaft ohne Sportgeschichte ist undenkbar
Sportwissenschaft ohne Sportgeschichte ist undenkbar. Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, Professor für Sportwissenschaft an der Leibniz Universität Hannover, mit Überlegungen zum dvs-Hochschultag.
Ende September findet in Konstanz der 21. Hochschultag der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) statt. Das Motto des bedeutendsten Kongresses auf dem Gebiet der Sportwissenschaft in Deutschland lautet diesmal „Sportwissenschaft grenzenlos?!“.
Das mag sowohl der geografischen Lage von Konstanz im Dreiländereck am Bodensee als auch der Tatsache geschuldet sein, dass erstmals in der Geschichte der dvs die sportwissenschaftlichen Partnerverbände aus Österreich und der Schweiz mit im Tagungs-Boot sitzen – mehr noch: Die örtlichen Ausrichter von der Fachgruppe Sportwissenschaft der Universität Konstanz wollen mit dem Tagungsthema den Fokus ausdrücklich auf Interdisziplinarität, Wissenstransfer und Dialog richten. Über 400 Veranstaltungen und Präsentationen laden drei Tage lang zur Grenzüberschreitung ein.
Die Tage von Konstanz könnten aber auch ein willkommener Anlass sein, den Blick verschärft (wieder) auf die Situation innerhalb der eigenen Grenzen der Sportwissenschaft in Deutschland zu richten – denn: In der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Sportwissenschaft“, die die dvs zusammen mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft und dem Deutschen Olympischen Sportbund institutionell herausgibt, haben drei führende Trainingswissenschaftler aus München, Mainz und Bayreuth eine „Erklärung zur Lage der universitären Trainingswissenschaft“ abgegeben, die man auch als Hilferuf verstehen kann, zumal ein „Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Trainingswissenschaft“ gleich mitgeliefert wird.
Noch viel schlechter scheint es derzeit um die Zukunftsfähigkeit der Sportgeschichte in Deutschland bestellt zu sein: Sogar die außeruniversitär angesiedelte Deutsche Arbeitsgemeinschaft von Sportmuseen, Sportarchiven und Sportsammlungen (DAGS) will sich wissenschaftspolitisch dafür einsetzen, das drohende Verschwinden des Faches Sportgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet an den deutschen Universitäten bzw. an den dortigen Instituten für Sportwissenschaft zu verhindern.
Wie wichtig und weit reichend zeithistorische Forschungen auf dem Gebiet des Sports sind, haben wir gerade in den letzten Wochen bei der viel diskutierten Studie über „Doping in Deutschland 1950 bis heute“ erfahren können; vom zeithistorischen Allerweltsthema „50 Jahre Bundesliga“ einmal ganz zu schweigen.
Insofern darf man innerhalb der Grenzen der dvs gespannt sein, ob und inwiefern es gelingt, auch die derzeit danieder liegende, weil sprecherlose dvs-Sektion Sportgeschichte, immerhin die erste Sektion, die 1976 nach Gründung der dvs ihre Arbeit aufnahm, forsch wiederzubeleben und die „letzten“ Sporthistorikerinnen und Sporthistoriker in Deutschland zurück zu gewinnen: Sportwissenschaft grenzenlos hin oder her – darüber sollten sich alle einig sein: Sportwissenschaft ganz ohne Sportgeschichte wäre eine fatale Grenzüberschreitung!
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Quelle: DOSB