Blog
15
08
2011

2011 Boston Marathon Weekend April 17, 2011, Boston, MA Photo by: Victah Sailer Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Geoffrey Mutai: Der schnellste Marathonläufer der Welt – Herausragende Marathonläufer des ersten Halbjahres 2011 (Teil 5)

By GRR 0

Als 21-Jähriger hatte er den Laufsport schon aufgegeben, doch acht Jahre später ist Geoffrey Mutai der schnellste Marathonläufer aller Zeiten. In sensationellen 2:03:02 Stunden gewann der Kenianer im April den Boston-Marathon. Damit war er gleich 57 Sekunden schneller als Haile Gebrselassie (Äthiopien) bei seinem Weltrekord in Berlin 2008.

Dass Mutais famose Leistung nicht als Rekord anerkannt werden kann und Gebrselassie weiterhin der offizielle Weltrekordler ist, hängt damit zusammen, dass es sich in Boston um eine Punkt-zu-Punkt-Strecke handelt und das Ziel zudem 139 Meter niedriger liegt als der Startpunkt (erlaubt ist maximal ein Gefälle von 42 Metern). In der Tat wehte in Boston an jenem 18. April ein eher seltener Rückenwind, der die Läufer begünstigte.

Doch unabhängig davon ist klar, dass der Boston-Marathon aufgrund einer Reihe von Hügeln alles andere als eine einfache Strecke ist. Wenn Geoffrey Mutai dort 2:03:02 laufen kann, müsste er in der Lage sein, auf einem schnellen Rundkurs, wie beispielsweise beim Berlin-Marathon, diese Zeit auch ohne Rückenwind ebenfalls zu erreichen und sie sogar noch zu unterbieten. Es ist also vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, wann Geoffrey Mutai auch der offizielle Weltrekordler im Marathon sein wird. Allerdings ist er nicht der einzige Kenianer, der das Vermögen hat, die Zeit von Haile Gebrselassie zu unterbieten. Es kann ihm also auch ein anderer zuvor kommen.

Geoffrey Mutai stammt aus dem Koibatek-Gebiet, das zwischen Eldoret und Nairobi in der Provinz Great Rift Valley liegt. Er ist das älteste Kind der Familie und hat acht Geschwister, von denen bisher aber kein anderer läuferisch erfolgreich ist. „Laufen ist in meinem Blut", hat Geoffrey Mutai einmal gesagt. Als Zehnjähriger, so erzählte er der kenianischen Zeitung „The Nation", bezahlte er fünf kenianische Schillinge, um mit Freunden zusammen in der nahen Ortschaft die Olympischen Spiele 1992 in einem Schwarz-Weiß-Fernseher verfolgen zu können.

Mit dem Laufen begann Geoffrey Mutai in der Grundschule, für die er als 12-Jähriger bei Wettkämpfen startete. „Ich habe damals schon täglich trainiert. Ohne das Laufen habe ich mich nicht wohl gefühlt", erzählt Geoffrey Mutai, der es sich später nicht mehr leisten konnte, auf die Oberschule zu gehen. „Nach meiner Grundschulzeit verlor mein Vater seine Arbeit in einer Textilfabrik in Eldoret." Das Schulgeld für Geoffrey fehlte. So konzentrierte er sich frühzeitig auf das Laufen und sah darin eine Chance.

Als 18-Jähriger wechselte er auf die 3.000-m-Hindernisstrecke. Nachdem er sich bereits für die Junioren-Weltmeisterschaften 2002 qualifiziert hatte, zog Kenias Leichtathletik-Verband seine Nominierung wieder zurück, weil er keine Geburtsurkunde besaß. Einige Monate später erlitt Geoffrey Mutai einen weiteren Rückschlag, als er sich eine Achillessehnenverletzung zuzog. „Danach entschloss ich mich, das Laufen aufzugeben und mir eine Arbeit zu suchen", erzählt Geoffrey Mutai, der dann für die Elektrizitätswerke Bäume fällte, die als Strommasten gebraucht wurden.

„Doch nach einer Weile merkte ich, dass mir das Laufen fehlte. Also rannte ich jeden Morgen vor der Arbeit." Als er mit 23 Jahren seine Arbeit verlor, begann Geoffrey Mutai wieder mit richtigem Training. Er brauchte mehrere Anläufe und Glück, um schließlich eine echte Chance zu bekommen. Nachdem er sich einem Leichtathletik-Verein in Eldoret angeschlossen hatte, wo er heute noch Mitglied ist, startete er 2006 beim Kilimandscharo-Halbmarathon in Tansania. Dort belegte er Platz sechs.

Entscheidend war dann, dass beim Eldoret-Marathon 2007 Gerard van de Veen auf ihn aufmerksam wurde. Nachdem Geoffrey Mutai dort Zweiter geworden war, bot ihm der holländische Manager an, ein Rennen in Europa zu vermitteln. Der Kenianer nutzte die Chance seines Lebens: Geoffrey Mutai gewann im März 2008 den Monte Carlo-Marathon in 2:12:40 Stunden. Noch im gleichen Jahr steigerte er sich um fast fünf Minuten: Im Oktober siegte er beim Eindhoven-Marathon in der Streckenrekordzeit von 2:07:50. Ein Jahr später kehrte er nach Eindhoven zurück, gewann erneut und steigerte seine Bestzeit auf 2:07:01.

In der Marathon-Weltspitze etablierte sich Geoffrey Mutai im Frühjahr 2010 in Rotterdam. Nachdem er im Februar bereits mit einem Sieg beim hochkarätigen Halbmarathon von Ras Al Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten (59:43) auf sich aufmerksam gemacht hatte, überraschte er in Holland mit einer Zeit von 2:04:55. Nur sieben Sekunden hinter seinem Landsmann Patrick Makau wurde er Zweiter. Bei der Neuauflage dieses Duells in Berlin wurde es im strömenden Regen noch knapper, doch wieder war Makau in 2:05:08 etwas schneller. Mit nur zwei Sekunden Rückstand wurde Mutai dieses Mal Zweiter. Die beiden Kenianer waren die dominierenden Marathonläufer des Jahres 2010. In der Jahresweltbestenliste belegten sie die Ränge eins und drei (Makau) beziehungsweise zwei und vier (Mutai).

Trotz inzwischen großer internationaler Erfolge läuft Geoffrey Mutai immer wieder auch bei Rennen in seiner Heimat. „Bei den lokalen Rennen konnte ich mich früher  entwickeln, sie haben mir eine gute Grundlage für meine internationalen Starts gegeben", erklärte er, nachdem er vor rund einem Jahr einen Halbmarathon in Kenia gewonnen hatte. „Ich bin nicht in das Rennen gegangen, um zu siegen. Es ging mir darum, die jungen regionalen Athleten zu inspirieren. Es ist motivierend für sie, wenn sie neben Topläufern an den Start gehen können. Ich versuche auch andere erfolgreiche Läufer zu überzeugen, bei diesen Rennen teilzunehmen", erzählte Geoffrey Mutai, der sich selbst trainiert und keinen Trainer hat. „Ich habe mein eigenes Trainingsprogramm, das ich für unterschiedliche Distanzen anpassen kann. Ich mache mein Training lieber ohne Trainer, dann kann ich es besser auf mein nächstes Rennen abstimmen."

Dennoch trainiert er aber nicht alleine, sondern immer wieder mit anderen Weltklasseläufern. Dazu zählen William Kipsang, der Rotterdam-Marathon-Sieger von 2008, oder auch Robert Kiprono Cheruiyot (Sieger Frankfurt 2008 und Boston 2010) und David Barmasai (Sieger Dubai 2011). Mutais Trainingscamp in Kapngetuny (rund 50 km von Eldoret entfernt) liegt in der Nähe von jenem von Cheruiyot und Barmasai. „Für den Boston-Marathon hat Geoffrey bis zu 240 Kilometer pro Woche trainiert", erzählt sein Manager Gerard van de Veen.

Bemerkenswert ist auch, dass Geoffrey Mutai als Marathonläufer parallel im Crosslauf und über 10.000 m erstklassige Leistungen erreicht. Im vergangenen Jahr wurde er bei den kenianischen Meisterschaften Zweiter über 10.000 m. Dabei lief er in der leistungsmindernden Höhenluft von Nairobi beachtliche 27:27,59 Minuten. Bei den Afrikameisterschaften wurde er wenige Wochen später Dritter. Nachdem er sich im November 2010 bei seinem Halbmarathonsieg in Neu Delhi auf 59:38 Minuten gesteigert  hatte, lief er im vergangenen Winter eine ausgezeichnete Crosssaison. Geoffrey Mutai gewann die nationalen Meisterschaften und belegte dann bei der Cross-WM in Punta Umbria (Spanien) Platz fünf. Das Crosslauf-Training hat ihm offenbar auch bei der Vorbereitung auf den Boston-Marathon geholfen.

Mit den enormen Preisgeldern, die Geoffrey Mutai inzwischen verdient hat – alleine in Boston erhielt er Sieg- und Zeitprämien von insgesamt 225.000 Dollar -, hilft er auch seinen Eltern und seinen Geschwistern. „Ich bezahle meinen Geschwistern das Schulgeld, denn ich weiß wie wichtig die Schulausbildung für sie ist. Außerdem habe ich meinen Eltern ein Haus gebaut und Land gekauft", erzählt der 29-Jährige, der mit seiner Frau zwei kleine Töchter hat.

 

Geoffrey Mutais Marathonläufe

 

Zeit nicht bekannt      2. Eldoret                   2007

2:12:40                       1. Monte Carlo           2008

2:07:50                       1. Eindhoven              2008

ausgestiegen               Seoul (Dong-A)          2009

2:10:45                       8. Daegu                     2009

2:07:01                       1. Eindhoven              2009

2:04:55                       2. Rotterdam              2010

2:05:10                       2. Berlin                      2010

2:03:02                       1. Boston                    2011

 

 race-news-service.com

 

Moses Mosop: Das sensationellste Marathondebüt aller Zeiten – Herausragende Marathonläufer des ersten Halbjahres 2011 (Teil 4)

 

Mary Keitany über Olympia 2012 und den Marathon-Weltrekord – Herausragende Marathonläufer des ersten Halbjahres 2011 (Teil 3)

Emmanuel Mutai: Durchbruch in London – Herausragende Marathonläufer des ersten Halbjahres 2011 (Teil 2)

 

David Barmasai: Aus dem Nichts in die Weltklasse – Herausragende Marathonläufer des ersten Halbjahres (Teil 1)

 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply