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03
09
2010

Die Wissenschaftler Perikles Simon und Michael Bitzer arbeiten seit Jahren an einem Verfahren, mit dem die Manipulation des Erbguts aufgedeckt werden kann. Für diesen Donnerstag kündigen sie eine Enthüllung an mit dem Titel: „Das vorzeitige Aus für Gen-Doping?“

Gen-Doping – Das Unnachweisbare nachweisen – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Ein unscheinbarer Satz belegte, dass das Zeitalter des Gen-Dopings angebrochen war: „Das neue Repoxygen ist schwer erhältlich.“ Er stand in einer E-Mail des Trainers Thomas Springstein an den spanischen Doping-Arzt Miguel Peraita, die das Amtsgericht Magdeburg am 16. Januar 2006 im Prozess gegen Springstein veröffentlichte. Niemand weiß, ob und in welchem Ausmaß Gene zur Steigerung von Kraft oder Ausdauer im Sport manipuliert werden, wie es mit Repoxygen möglich sein sollte.

Der schwedische Doping-Experte Bengt Saltin sagte damals, dass bei Gendoping der Nachweis einer verbotenen Substanz im Körper des Athleten, die Voraussetzung für einen positiven Doping-Befund, nicht funktioniere: „Es ist unmöglich, das Gen zu finden.“
 
Der pervertierte Bauplan: Aus den Studios in den Leistungssport

Doch schon damals arbeiteten der Mediziner und Molekularbiologe Perikles Simon, inzwischen an die Universität Mainz berufen, und sein Kollege Michael Bitzer an der Universitätsklinik Tübingen daran, das Unmögliche möglich zu machen: den Nachweis eines Eingriffs in die menschliche Erbsubstanz, die das Ziel hat, den Körper zur Produktion leistungssteigernder Substanzen zu veranlassen.

Für diesen Donnerstag haben beide zu einer Pressekonferenz geladen. „Das vorzeitige Aus für Gen-Doping?“ heißt die Veranstaltung. In den vergangenen Tagen waren sie unter Hinweis auf die Pressekonferenz nicht zu sprechen. Doch im April schon hatte Simon angekündigt, dass ein Nachweisverfahren im Blut spätestens in zwölf Monaten zur Verfügung stehe. Nun scheint es so weit zu sein.

 

Entschlossen, beim Schwierigsten einzusteigen

 
„Ich will beweisen, dass der Nachweis möglich ist. Ich habe mir das Thema 2005 rausgepickt, weil Gen-Doping als absolut nicht nachweisbar galt“, sagte Simon am Rande einer Veranstaltung an der Humboldt-Universität in Berlin. „Damals erschienen Artikel, die sagten: Jetzt ist es vorbei mit der Doping-Verfolgung. Der Vergleich mit dem Märchen vom Hasen und vom Igel ärgert mich sowieso, denn er bedeutet ja: Ihr schafft es nicht. Deshalb habe ich mich entschlossen, beim Schwierigsten einzusteigen.“

Simon glaubt, dass Genmanipulation immense Risiken berge. Wohl nur Bodybuilder, die durch die Überdosierung von Steroiden verrückt geworden seien, würden sich ihr aussetzen. „Sie sind extrem risikobereit und könnten sich auf so etwas einlassen“, sagte er. „Aus den Studios würde Gendoping irgendwann auf den Leistungssport überschwappen.“

„Eine effektive Analytik wäre die beste Doping-Bekämpfung“

Simon ist überzeugt, dass die Wissenschaft es mit den Manipulateuren aus Hinterzimmern und Untergrund-Laboratorien, wie sie mit ihren Blutbanken in Madrid und Wien sowie mit dem Doping-Mittel-Vertrieb Balco in San Francisco aufflogen, aufnehmen kann. Mit gehörigem Furor fordert er deshalb seit Jahren Forschungsmittel von der Politik. Mit 980.000 Dollar jährlich hat die Welt-Antidopingagentur (Wada) die Forschung von Simon und Bitzer seit 2007 gefördert. „Das ist ein Sechstel ihres Etats, der nicht größer ist als das Jahreseinkommen manches Fußballprofis“, klagte Simon. „Sechs Millionen Dollar – so viel wirbt ein einzelner guter Wissenschaftler an Drittmitteln ein. Wenn Sport und Politik realisieren, dass Doping die Existenz des Sports gefährdet, werden sie hoffentlich den Forschungsetat der Wada aufstocken. Eine effektive Analytik wäre die beste Doping-Bekämpfung.“

Das Verfahren von Simon und Bitzer basiert darauf, dass das menschliche Genom über Abschnitte verfügt, die für die Entstehung eines Proteins keine prinzipielle Voraussetzung darstellen, so genannte Introns. Diese Einschübe fehlen aus technischen Gründen Genen, die von außen eingebracht sind. Daran sind sie zu erkennen. Bei ihrer Analytik müssen Simon und Bitzer allerdings definieren, nach welchen von außen eingebrachten Teilen der DNA sie suchen, die für die Produktion leistungsfördernder Substanzen zuständig sind.

Davon gebe es nur eine Handvoll, sagte Simon und nannte Epo und den Transkriptionsfaktor Hif1 für die Sauerstoffversorgung und damit Ausdauer, IGF1 und andere Gefäßwachstumsfaktoren sowie Follistatin für Muskelwachstum. Für den Nachweis sei es einerlei, ob das Gen – beispielsweise durch die Gabe von Penicillin – ein- oder ausgeschaltet sei und die Substanz, für die es eingepflanzt wurde, gerade produziere oder nicht.

 

Einsatz schon in London?

 

Den Umgang des Sports mit dem Nachweisverfahren für Gendoping sieht Simon als Test für die Ernsthaftigkeit der Dopingbekämpfung. „Wenn wir beweisen, dass das vermeintlich Unnachweisbare nachweisbar ist, sollte das für tiefere Einsicht sorgen und konsequenterweise für mehr Forschungsmittel“, findet er. „Wir brauchen nur fünf bis zehn Mal mehr Geld. Vergleichen Sie diese Summen mit dem, was im Sponsoring und Rechtehandel fließt, und Sie wissen, dass das sportpolitisch Peanuts sind.

Wenn aber regelmäßig wirklich neue wichtige oder verbesserte Nachweisverfahren auf den Markt kommen, wissen die Doper nicht mehr, was sie machen oder lassen sollen. In der Folge wird endlich wieder Sport getrieben. Bisher ist der Rhythmus doch so: Im Jahr 2000 kam der Epo-Nachweis, etwa 2005 wurden einige Steroide länger und auch neuere Designersteroide nachweisbar, 2010 kam endlich der Test auf Wachstumshormon. Das ist einfach kein olympisches Tempo.“

Wenn er eingeführt werden soll, muss der Test zunächst validiert werden. Das heißt, dass Labore der Wada ihn einsetzen und sportrechtliche Entscheidungen darauf basieren können. Vor Gericht muss das Verfahren hieb- und stichfest sein. Ob das den Einsatz bei den Olympischen Spielen 2012 in London zulässt?

Simon sagt: „Das wäre der Wunschtraum.“

Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 2. August 2010

author: GRR

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