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29
06
2022

Start zur Braustübl Men's Challenge beim 44. Darmstädter Stadtlauf - Foto: Tomas Ortiz-Fernandez.

Gelungener Restart – Ein Schuss „Cup da Franco“-Revival bei der 44. Auflage des Darmstädter Stadtlaufs bei traditionell heißen Lauftemperaturen – von Ludwig Reiser

By GRR 0

Läufer noch eher zurückhaltend, jedoch die Stimmung wie „früher“ beim zweitältesten deutschen Stadtlauf

Sie alle bekamen ihren Beifall, ob die Tagesschnellsten oder die eher etwas langsamer durch die Innenstadt laufenden Stadtläufer, ob die vor aufgeregtem Familienanhang die Runde durch die Innenstadt laufenden Kids – zweifellos die bemerkenswerteste Feststellung an einem schwülheißen Mittwochabend in Darmstadts Fußgängerzone. Nach zwei Jahren Corona bedingter Abstinenz ist es gewiss leicht, die Messlatte gefühlt deutlich niedriger zu legen, wenn es um die Einordnung des Restarts beim 44. Darmstädter Stadtlauf geht.

Eines jedenfalls ist gewiss, dank des trendigen Streetwear-Sneaker-Shops Asphaltgold kam sogar ein Schuss „Cup da Franco“-Atmosphäre auf, denn die Shop-Mitarbeiter hatten vor ihrer Ladentür unweit des Startareals am Ludwigsplatz nicht nur einen DJ und eine Bar aufgebaut, sondern die Schaufenster mit dem Schriftzug des einstmals unter „Cup da Franco“ firmierenden Stadtlaufes drapiert – und „Pizza to go“ angeboten! „Der ‚Cup da Franco‘ ist Kult in Darmstadt und hat mich früher schon fasziniert als ich noch Schüler war“, erinnert sich Christian als einer der Initianten der Fete am Rande des Stadtlaufes 2022 im Gespräch mit Wilfried Raatz, dem Stadtlaufmacher seit eh und je.

Einmal mehr war es die Symbiose zwischen Leistungs- und Freizeitsport bei den insgesamt sieben kurzweiligen Rennen über eine Originalrunde bzw. einer oder drei erweiterten Runden mit der Schleife hinauf zur St. Ludwigskirche mit dem markanten Kuppeldach. „Es hat einfach wieder Spaß gemacht“, bringt es Wilfried Raatz nach Zweieinhalbstunden Laufsport auf den Punkt und spricht dabei nicht nur für die achthundert LäuferInnen, sondern auch für die vielen Zuschauer am Streckenrand, die traditionsgemäß ihre Familie, Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen mit Getöse und Begeisterung anfeuern oder als eher stille Genießer in einem der vielen Cafés und Restaurants am Rand der Strecke sitzen.

Darmstadts Bürgermeisterin und Sportdezernentin Barbara Akdeniz übernahm dann auch sehr gerne einen der Startschüsse und freute sich über den großen Andrang vor allem bei den vier Schülerläufen. „Ich verfolge natürlich den Stadtlauf schon seit vielen Jahren, denn meine Kinder sind hier auch schon mehrfach mitgelaufen. Der Stadtlauf gehört einfach in die Darmstädter Innenstadt und es ist einfach toll, was hier Jahr für Jahr auf die Beine gestellt wird!“

Softstart bei den Bambini’s oder Schnellstart bei den Arrivierten – viele darunter sind Stammgäste wie Masterssieger Jürgen Zehnder mit „gefühlten zwanzig Starts“ (wie er offen zugibt) oder wie Herbert Siefert aus Beerfelden im Odenwald, der bislang keinen einzigen (!) der 44 Stadtläufe ausgelassen hat. Der Dauerbrenner in Sachen Stadtlauf hat längst ein Abonnement auf die Startnummer, denn diese besteht seit zwei Jahrzehnten aus der jeweiligen Jahreszahl. Das Virus Stadtlauf hat längst die fünfköpfige Familie Zehnder aus dem nahen Riedstadt ergriffen, Jürgen dominiert (natürlich) als deutscher M 45-Meister über 10.000 m das Mastersrennen über 4 200 m mit einem Vorsprung von einer Minute, Tanja gelingt als Achte des Frauenlaufes ein vorzügliches Rennen, Emilie wird Dritte der U18 im gleichen Lauf über 4 200 m, auf kürzeren Schüler gerechten Strecken Lucie 16. der U14 und Philipp 11. der U10.  Auch der von vielen Marathon- und Triathlon-Vveranstaltungen als Moderator des Hessischen Rundfunks bekannte Markus Philipp schickt als Stadtlauf-Moderator seine beiden Töchter Jola und Lotta ins Getümmel der Schülerrennen und darf stolz herausragende Ergebnisse kommentieren.

„Der Stadtlauf ist eines meiner Lieblingsrennen“, freut sich Kerstin Bertsch als inzwischen vierfache Mutti auf ein Rennen, das ihr als langjähriges Berglauf-Nationalmannschaftsmitglied offenbar auf den Leib geschnitten ist, denn neben einer tückischen Treppenpassage wartet pro Runde auch der Anstieg zur St. Ludwigskirche. Ein dreiviertel Jahr nach der Geburt ihres vierten Kindes ist Kerstin bereits wieder erstaunlich fit und wird hinter der für die HTG Bad Homburg laufenden Franziska Baist Zweite (!). Das gewiss mit Spannung erwartete Duell mit der W45-Berglauf-Weltmeisterin und 10 km-Hessenmeisterin und Lokalmatadorin Simone Raatz musste leider wegen eines Todesfalls in ihrer Familie ausfallen. Kerstin Bertsch ließ sich offenbar aber auch die forschen Auftritte ihrer Kinder Emil und Toni als Dritter und Fünfter der U8 und vor allem durch den Bambinilauf-Sieg von Johanna Bertsch (U10) motivieren, die somit ihre Mutter mit einer besonderen Steilvorlage auf den Drei-Runden-Kurs geschickt haben. Und sie lächelte alles weg, gestand am Mikrofon, dass die Lauflust der Kids schon ein geregeltes Training zulasse. Mit oder ohne Babyjogger, denn hier hält sie ohnehin schon zwei Einträge im Guinnessbuch der Rekorde, mit Doppelbabyjogger als Weltrekordlerin über die Halb- und Marathondistanz. Und mittendrin im familiären Trubel wurde sie übrigens 2019 in Breitungen/ Rhön deutsche Berglaufmeisterin der Frauenklasse.

Werfen wir zunächst weiterhin den Blick auf die mit viel Elan startenden Kids der unterschiedlichen Altersgruppen.

So gewinnt Johanna den über 1300 m führenden Entega Bambinilauf mit deutlichem Vorsprung vor der DSWlerin Vivian Wiegand und gleich drei Läuferinnen des Veranstalters ASC Darmstadt mit Johanna Gebhardt, Greta Mohsler und Lisa Edelmann. Bei den Jungs gefallen vor allem die um den Sieg spurtenden Julian Muik (TV Seeheim) und Michel Weißmantel (TV Eberstadt). Der der Sportklasse 6aG des Schuldorfs Bergstraße angehörende Julius Lieblang läuft mit einem klaren Vorsprung dem Sieg der H+ Hotel Darmstadt Schüler Challenge II auf der 1800 m-Distanz vor dem ASC-Schüler Leo Massimo Stoerkle entgegen. Viel Beifall gibt es für die als Gesamtfünfte einlaufende Marlene Lemelson, die damit mit deutlichem Vorsprung schnellstes Mädchen ist. Den einzigen Sieg für den ASC sichert sich beim Wettbewerb SportHübner Schüler Challenge I der 15jährige Mika Siebenborn, der die 1800 m-Strecke in 5:39 Minuten herunterspult. Auch bei den Mädchen bleibt der Sieg in Darmstadt, geht jedoch an die junge Tennisspielerin Viktoria Trautmann vom Andrea Petkovic-Club TEC Darmstadt.

Mit Darmstadt verbunden ist gewiss auch der Braustübl Men’s Challenge-Sieger Marek Spriesterbach im Trikot des Diezer TSK Oranien, der in Darmstadt studiert und von zu Hause aus Hindernisläufer mit einer 9:20er Bestzeit ist. Nach einem spannenden Duell mit dem für die Triathleten des DSW 1912 Darmstadt startenden Jonas Uster läuft der Rheinland-Pfälzer auf der wegen eines Versehens der Streckenposten nur 1300 m langen Erweiterungsrunde und der damit folglich mit der Passage Start-Ziel nur 4 200 m langen Distanz schnelle 13:07 Minuten – und vier Sekunden vor seinem Triathlon-Konkurrenten ins Ziel. „Auf dem Bergabstück konnte Marek den Schwung besser ausnutzen, gegen diesen Spurt war ich machtlos“, so der in der zweiten Triathlon-Bundesliga startende Jonas Uster. Diesen Schwung benötigte Franziska Baist nicht mehr, um den Riese & Müller Frauenlauf in 15:22 vor Kerstin Bertsch (15:35) zu gewinnen. Der Schützling der zweifachen Olympiastarterin Petra Wassiluk genießt den Sieg in Darmstadt und nimmt eine ordentliche Portion Motivation mit für die anstehenden Vorbereitungsrennen für das große Saisonziel, den Frankfurt-Marathon Ende Oktober.

Regionalen Touch gibt es sehr zur Freude der vielen Zuschauer am Streckenrand zwischen dem Ludwigsplatz, dem Carree, der Piazza und dem Ziel am Luisenplatz auch bei der finalen Sparkasse Masters-Challenge. Hinter dem für den TSV Pfungstadt laufenden Jürgen Zehnder holt sich Stefan Unger im Dress des SSC Hanau-Rodenbach Rang zwei vor den beiden ASC-Läufern Sascha Boxheimer und Kai Trukenmüller, bevor mit Tobias Hegmann der schnellste Mitarbeiter von Sponsor Riese & Müller ins Ziel kommt, der mit 112 Mitarbeitern auf der Strecke (und den fünf Führungsräder-Kollegen) für eine überzeugende Sportaffinität unter Beweis stellen kann. Kein Wunder, denn Firmengründer Heiko Müller ist ein „Alt-ASCler“ und in der Trainingsgruppe von Wilfried Raatz das „gepflegte Laufen“ einstmals lernte, bevor er mit seinem Studienkollegen Markus Riese das innovative Radlabel „Riese & Müller“ schuf.

„Ein gelungener Restart“ fasst Organisator Wilfried Raatz die Neuauflage des Kultlaufes in der Darmstädter Innenstadt auf einem Nenner zusammen.

„Eine gewisse Zurückhaltung ist natürlich überall zu spüren, was allerdings auch angesichts der allgemein steigenden Inzidenzien auch absolut nachvollziehbar ist. Unter diesem Vorzeichen ist die Beteiligung mit real und virtuell 920 Anmeldungen absolut zufriedenstellend!“ Nachlegen werden allerdings die Darmstädter Schulen im kommenden Jahr, denn die startfreudigen Schulklassen aus den umliegenden Städten haben diesmal den ortsansässigen Schulen klar den Rang abgelaufen.

 Ludwig Reiser

author: GRR