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2016

Fürchtet Euch nicht! ©Horst Milde

Gedanken zum Weihnachtsfest 2016 – Fürchtet Euch nicht!

By GRR 0

Es ist seltsam ruhig heute. Es ist der 20. Dezember 2016 in Berlin; der Tag danach. Die Straßen sind leerer als sonst. Die Gespräche haben heute nur ein Thema: Das Erschrecken darüber, dass am Vorabend ein LKW in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche gerast ist.

12 Tote und etwa 50 verletzte Menschen sind zu beklagen. Den ganzen Tag schon denke ich an sie. Es ist unfassbar.

Es finden Gottesdienste statt, damit die Trauer und die Klage einen Ort haben. Der Intendant des Deutschen Theaters sagt: „Lasst uns gegen die Angst anspielen".

Aber die Angst ist da. Viele Menschen suchen Gespräche und offene Kirchen. Gute Freunde rufen an, schreiben eine Nachricht und fragen nach, ob es uns gut geht. 

Vermutlich wird bald der übliche Ruf nach Schuldigen losgehen. Und trotzdem bleiben die Trauer und die Angst.

Ich erinnere mich gerade heute daran, dass ich dieses Gefühl von Bedrohung und Angst kenne. Als Läufer denke ich vor allem an den Anschlag am 15. April 2013 beim Boston-Marathon. Die Bomben galten damals den 4-Stunden-Läufern; nicht der Spitze, sondern Menschen wir mir.

Unschuldige Menschen wurden Opfer von Fanatikern, die meinen, dass man die Welt mit Gewalt verbessern könne. Und jetzt ist es auch wieder so. Unschuldige Menschen, die einen fröhlichen Abend auf dem Weihnachtsmarkt verbringen wollten, wurden Ziel eines menschenverachtenden Anschlags. Das ist furchtbar.

Nach dem Attentat von Boston habe ich gedacht: Wir müssen weiter laufen. Wir dürfen der Angst und der Gewalt nicht nachgeben. Wir laufen für unseren Sport und für das friedliche Miteinander verschiedener Nationen, wie wir es bei den großen Marathons erleben.

Und so ähnlich geht es mir auch heute. Ich möchte der Angst und der Gewalt keine Macht über mein Leben und über unser friedliches Zusammenleben in Freiheit und Verantwortung geben. Und schon gar nicht denen, die Menschen töten oder verletzten – auf solch brutale Weise.

Gerade heute habe ich die letzten Weihnachtskarten verschickt. Und in diesem Jahr stand darauf ein kurzer Satz:

„Fürchtet Euch nicht!"

So rufen es die Engel auf den Feldern von Bethlehem den erschrockenen und verängstigten Hirten zu. Wie oft haben wir das in der Weihnachtsgeschichte gehört.

Fragt man die Bibel nach der Angst, dann wird ehrlich und nüchtern festgestellt: Ja, wir haben Angst. Aber die Angst bekommt keine Macht über alles und jeden.

Der Angst wird ein klar begrenzter Platz zugewiesen. Ein Platz vor Gott.

Der Platz der Klage über alles Leid und Elend, über Ungerechtigkeit und alle Not! Menschen schreien ihr Nicht-Verstehen in die Ohren Gottes, bringen ihre Bedrängnis vor Gottes Augen.

Denn so hoffen und glauben wir an gegen die Angst. Denn so hoffen und glauben wir, dass Gott an unserer Seite ist und bleibt. Gerade heute. 

Fürchtet Euch nicht. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft des Glaubens.

Diese Sehnsucht brennt in uns alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit:  

Gott wird Mensch – ein Kind – das macht keine Angst.

Ganz im Gegenteil. Er ist wie wir – leidet mit, hat auch Angst, kennt mein kleines Leben – und zugleich bleibt er an meiner Seite und tröstet mich.

Wir haben einen Gott, der mit uns geht und neben uns läuft. 

Ich glaube, sonst würde ich an Gott, an meiner Arbeit, in meiner kleinen Welt und an der großen Welt (besonders an Tagen wie heute) verzweifeln. Wüsste ich das nicht, würde ich das nicht immer wieder hören und erfahren, dass es einen anderen Blick auf das Leben gibt, den Gott uns geschenkt hat: den Blick durch die Augen eines Kindes. Das ist eine Umarmung und eine Einladung für ein Leben aus Gottes Gaben, gegen die Angst und in Verantwortung für andere. 

Oder, wie es ein Großvater an sein Kind schreibt:

Liebe Josefine,

es ist ein großes Geheimnis, dass, wenn wir selber verzagt sind, oft Menschen da sind, die einen stabileren Grund unter den Füßen haben oder einen Kern in sich, dem sie trauen.

Die Menschen, denen ich nachlebe, hatten ihn aus ihrem Glauben. Sie vertrauten darauf, dass dieses Bibelwort stimmt: „Fürchte Dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein."

Der Prophet Jesaja hat diese Worte seinen Zeitgenossen als Worte Gottes gesagt.

Zu hören, zu glauben sich darauf zu verlassen, dass wir ganz zuletzt, vielleicht ganz am Ende (oder auch ganz plötzlich) nicht mehr unserer Angst gehören, sondern Gott, dass eine stärkere Liebe existiert als die, die wir Menschen zustande bringen, das Josephine, lässt manche Menschen Hoffnung finden, wenn andere aufgeben.

Es lässt sie Schritte machen, wenn andere schon liegen geblieben sind. Wir können Angst nicht aus der Welt vertreiben.

Aber Gott und Menschen sei Dank – sie bleibt nicht unsere Herrin.

Das wollte ich Dir heute sagen, liebe Josefine.

Und wahrscheinlich sage ich es auch mir selbst noch einmal. Weit wird das Land, wenn Menschen das glauben, und ruhig unser ängstliches Herz.

Das meint, darauf hofft und das glaubt

Dein Großvater Joachim Gauck

Allen Läuferinnen und Läufern wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2017.

Peter Burkowski
Berlin, 20. Dezember 2016

Pfarrer Peter Burkowski predigte am 24. September 2016 – am Vorabend des 43. BERLIN-MARATHON – in der Kaiser-Wilhelm Gedächtnis-Kirche.

Themengleich:

Was ist Weihnachten? Pfarrer Peter Burkowski

Die Läufer-Predigten in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin:

Marathon-Gottesdienst in der Kaiser Wilhelm Gedächtnis-Kirche am 24. September 2016, 20.00 Uhr

Laufen und Glaube – Wie zwei Lebensthemen meinen Weg bestimmt haben … Peter Burkowski, Pfarrer und Läufer

Ökumenisches Abendgebet zum Berlin-Marathon am Sonnabend, dem 26. September 2015, 20.30 Uhr – Gott gab uns Atem – Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Berliner Läufer-Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Vorabend des BERLIN-MARATHON 2014 – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Läufer-Predigt – Pfarrer Klaus Feierabend am Vorabend des BERLIN-MARATHON – am Samstag, dem 28.09.2013 – Beginn: 20:30 Uhr

Die Berliner Läufer-Predigt 2012 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Vorabend des BERLIN-MARATHON – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Berliner Läufer-Predigt 2011 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Berliner Läufer-Predigt 2010 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Läufer-Predigt 2009 beim Berlin-Marathon – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Predigt vom Berliner Läufer-Gottesdienst 2008 – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Predigt vom Berliner Läufer-Gottesdienst 2007 – zu Weihnachten – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächnis-Kirche

Die Marathon-Läufer-Predigt 2006 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer Klaus Feierabend hielt im Rahmen der traditionellen Ökumenischen Abendandacht die Läufer-Predigt

 

 

author: GRR

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