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28
10
2009

Trotzdem ist es Koerfer gelungen eine gut lesbare und überwiegend spannende Vereinsgeschichte über Hertha B.S.C. im Dritten Reich zu verfassen.

Fundierte Alltagsgeschichte – Gut lesbar und spannend: Publikation über Hertha BSC in der Nazizeit – Gerd Steins – Sportmuseum Berlin – „AIMS Marathon Museum of Running“ in Sport in Berlin

By GRR 0

Die historische Erforschung und Publikation der gesellschaftspolitischen Entwicklung von Sportvereinen in der Zeit des Nationalsozialismus ist im letzten Jahrzehnt erheblich vorangekommen. Neben einigen Gesamtdarstellungen über Sportverbände in der Nazizeit sind mittlerweile überwiegend im Fußball auch vereinsbezogene Studien in hoher Qualität publiziert worden.

Im „Verlag Die Werkstatt“ ist vor kurzem ein Buch über Hertha B.S.C. im Dritten Reich erschienen, das von Hertha B.S.C. finanziert wurde. Dem von Hertha mit dem Werk beauftragten Autor Daniel Koerfer (Honorarprofessor für Zeitgeschichte an der FU Berlin) wurde ein unabhängiges Arbeiten zugesichert, was eigentlich notwendig – leider aber nicht immer selbstverständlich ist.

Zwei Meisterwimpel von 1930 und 1931 sind die einzigen materiellen Zeugnisse der Deutschen Fußballmeistertitel von Hertha B.S.C. Berlin, die der Hauptstadtklub wenige Jahre vor dem Nazireich errang. Einige bronzene Preise aus der Weimarer Zeit, kleinere Stapel Schriftstücke und ein Regal der Fußballwoche vervollständigen das sogenannte Archiv von Hertha – eine mehr als miserable Ausgangslage für die Erstellung einer fundierten Geschichte über Hertha im Nazi-Deutschland.

Trotzdem ist es Koerfer gelungen eine gut lesbare und überwiegend spannende Vereinsgeschichte über Hertha B.S.C. im Dritten Reich zu verfassen. Damit beweist Koerfer eindrucksvoll, daß es möglich ist unter Einbeziehung zahlreicher nicht sportbezogener Archive (Methode der Aktenspiegelung und systematische Recherche in zeitgeschichtlichen Archivbeständen) auch fast „inhaltsleere“ Vereinsgeschichten zum Sprechen zu bringen. Dies sollte Ansporn sein für weitere prominente Berliner Sportvereine (zum Beispiel in der Leichtathletik) sich intensiv mit ihrer verschwiegenen und unterdrückten Geschichte in der Nazizeit zu befassen.

In 23 Kapiteln schreibt Koerfer hauptsächlich anhand einer Reihe bekannter und bisher unbekannter Personen des Fußballklubs eine fundierte „Alltagsgeschichte“ auf, die immer wieder mit dem zeitgeschichtlichen Umfeld voller Niederlagen und Kompromisse in der Nazizeit verknüpft wird. Damit bringt der Autor, von einigen Wiederholungen abgesehen, eine sehr zu empfehlende Lektüre auf wissenschaftlicher Grundlage zuwege, die ohne weiteres als Standardwerk für „Vereinsgeschichten“ im Nazideutschland gelten dürfte.

Das Kurzfazit über Hertha lautet: „Hertha B.S.C. war zum Zeitpunkt der Machtergreifung im Januar 1933 kein national-sozialistisch infizierter Verein“ so Koerfer „aber auch Hertha ist nicht völlig unbeschädigt durch das Dritte Reich gekommen.“

Die notwendigen Nachweise finden sich in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis. Eine ausführliche Bebilderung erläutert und unterstützt zusätzlich die Hertha-Geschichten, das Glossar sogenannter Schlüsselpersonen von Hertha B.S.C. von 1930-1950 faßt die Personalia übersichtlich zusammen.

Gerd Steins – Sportmuseum Berlin – "AIMS Marathon Museum of Running"
– Zuerst erschienen in „Sport in Berlin, Okt.-Nov. 2009“

Daniel: Koerfer: Hertha unter dem Hakenkreuz. Ein Berliner Fußballclub im Dritten Reich. Göttingen: Verlag Die Werkstatt, 2009, 288 S., ISBN 978-3-89533-644-7, 19,90 €

author: GRR

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