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25
04
2014

Das Sportzentrum am Maspernplatz war wieder an seiner Kapazitätsgrenze. ©Philipp/Winter

Fünfstellig – Eine Nachlese zum Paderborner Osterlauf in der Stadt an der Pader – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

„Wir sind jetzt 5-stellig!“ feiert sich der Paderborner Osterlauf auf seiner Homepage nach der 68. Auflage am letzten Samstag, die auch durch das traumhafte Wetter zu einem großen Fest des Laufsports geriet.

Schon im Vorfeld deuteten sich Rekordzahlen an Teilnehmern an, erstmals in der langen Geschichte wurde im Vorfeld ein Limit für den 10 km Lauf realisiert, was letztlich die Zahl an Teilnehmern über diese Distanz auf 4140 begrenzte. Wie gefragt mittlerweile der Lauf ist, zeigte sich am Karfreitag, wo ein kleines Restkontingent bei der Nachmeldung hoffnungslos überbucht war.

Bei aller Euphorie über die neue Dimension muss man allerdings anmerken, dass sich die neue Höchstmarke auf 10540 „Teilnehmer“ bezieht, Zahlen die kaum von Außenstehenden zu überschauen sind. Belastbarer sind diesbezüglich die Zahlen der Finisher, wie sie in den Ergebnislisten dokumentiert sind. Und da fehlen gegenüber den Teilnehmerzahlen gut 1000 Aktive, man muss also auf fünfstellige Finisherzahlen noch auf die kommenden Jahre warten.

Es bestehen aber kaum Zweifel, dass man in Paderborn auch diese Marke überbietet.

Da die Ergebnisse in den Kinderläufen nicht dokumentiert sind, kann man über absolute Zahlen nur spekulieren. Interessant ist aber ein Vergleich der Anzahl der Finisher mit dem Jahr 2013, der eine deutliche Verschiebung vom Halbmarathon zu den 10 km erkennen lässt. Sehr schlüssig wurde dies auch vom Veranstalter dem Hermannslauf am kommenden Wochenende zugeschrieben, eine Woche vor diesem läuferischen Großereignis wollten sich viele Aktive aus der Region schonen und auf die kürzere Strecke ausweichen.

Das zeigen auch sehr deutlich die Zahlen, im letzten Jahr erreichten im Halbmarathon 1625 Aktive das Ziel auf dem Heierswall gegenüber 1382 in diesem Jahr. Dieser Rückgang wurde kompensiert durch den Anstieg der Zahlen von 3266 auf 3678 für den 10 km Lauf. Der wesentliche Grund für den zunehmenden Zuspruch dürfte im 5 km Lauf zu finden sein, dort war die Zunahme von 1474 auf 1991 sehr deutlich, vermutlich waren das nicht nur verhinderte 10 km Läufer.

Der „Fit und Fun“ Lauf dürfte in der Tat erhebliches Potential haben und ähnlich wie vor längerer Zeit der 10 km dem Halbmarathon/25 km nun den beiden anderen Strecken ernsthafte Konkurrenz machen. Schon jetzt wählen auch engagierte Vereinssportler diesen Wettbewerb verstärkt aus, die Zeit des Siegers über 5 km Tim Hoenig vom Hamburger SV in 16:01 hat mit „fit und fun“ nur noch wenig gemein.

Das gute Wetter lockte auch viele Zuschauer an die Strecke, die Resonanz gleichfalls rekordträchtig. An Start und Ziel auf dem Heierswall blieben die Informationen von der Strecke diesmal recht spärlich, aber ansonsten unterhielt das Sprecherpaar Wolf-Dieter Poschmann und Burkhard Swara die Zuschauer wieder in bewährter Manier. Die beiden genießen als Moderatorenpaar schon fast Kultstatus und gehören sich zum Besten, was die nationale Straßenlaufszene zu bieten hat.

Mit flotten Sprüchen und fundierten sportlichen Kenntnissen sind absolute Profis am Werk, die nicht unwesentlich zur hohen Akzeptanz der Veranstaltung beitragen. Auch diesmal waren die beiden wieder eine Klasse für sich. Und wenn der lokalen Presse einige Sprüche Poschmanns übers Limit gehen, ist das nicht nur kleinkariert, sondern unterschätzt die Bedeutung einer souveränen Präsentation für den gesamten Event. Wie wichtig das Gespann Poschmann-Swara für den Osterlauf sind, belegt auch ihre wenig überzeugende Vertretung vor einigen Jahren.

Dass der Leistungssport bei der 68. Ausgabe des ältesten deutschen Straßenlaufs den quantitativen Superlativen nicht ganz folgen konnte, hatte sicherlich diverse Faktoren. Dabei sind der Uralt-Rekord aus dem Jahr 1993 von Carsten Eich mit 27:47 über 10 km und die Fabelzeit im Halbmarathon der Männer im letzten Jahr mit 60:09 durch Ghirmay Ghebreslassie (ERI) (damit war er 16.schnellster Läufer im globalen Vergleich im Jahr 2013) hochkarätige Standards. Diese Bestmarken waren diesmal nie in Gefahr.

Bei leicht auffrischendem Wind, ansonsten aber fast perfekten Bedingungen, fand sich zu keiner Phase des 10 km Laufs ein Läufer, dem an einer konsequenten Tempogestaltung gelegen war. Wann immer es der Kurs zuließ, lief man an der Spitze in breiter Front, ein untrügliches Zeichen für ein moderates Tempo. Es schien an auch niemand der afrikanischen Topläufer in der Lage, die Zwischenzeiten in den Bereich des Streckenrekords zu schieben. Nach 2:52 für der den erstem Kilometer, folgten Abschnitte in 2:51, 2:50, 2:53 und 2:54, so dass die Matten bei 5 km nach 14:20 passiert wurden, eine hochwertige Zeit war da schon nicht mehr zu erzielen.

Sieben Läufer lagen hier noch zusammen, wobei kurz vor 2 km Eyob Solomon von der SG Wenden stürzte und aus der Spitzengruppe weit zurückfiel. Nach 7 km in 20:43 fiel dann eine erste Vorentscheidung, die drei Kenianer Frederick Ngeny (im letzten Jahr Zweiter in 28:02 an gleicher Stelle), Gilbert Kipgosgei und Abraham Kipyatich (28:41) setzten sich schnell von den Verfolgern ab. Auf dem letzten km (9 km in 25:37) verlor zunächst Kipyatich den Anschluß, dann konnte Ngeny vor der langen Zielgeraden auch noch Kipkosgei abschütteln und gewann in 28:28.

Das ist auch für Paderborner Verhältnisse eine mäßige Siegerzeit, 2008 – bei allerdings extremen Verhältnissen – war der Österreicher Martin Pröll in 28:46 einmal länger unterwegs. Bei den Frauen muss man sogar noch länger zurückblicken, um eine schwächere Siegerzeit in den Listen zu finden; 1994 lief Angelina Kanana 33:22. Die Siegerin 2014 wurde ihre Landsfrau Violah Jepchumba in 32:21, womit sie ihre Bestzeit aus Brunssum in diesem Frühjahr um eine Sekunde steigerte.

Mehr war bei den schnellsten Frauen in diesem Jahr nicht drin, obwohl sich der bekannte Tempomacher Edwin Yano nach Kräften mühte, das Tempo immer wieder hochzuhalten. Aber nur Jepchumba war in der Lage halbwegs mitzuhalten, bei 5 km lag sie in 15:53 schon lange deutlich vor der gesamten Konkurrenz.

Im Verfolgerfeld entwickelte sich ein recht interessantes Rennen, zumal es den Veranstaltern gelungen war, Anna Hahner nach Paderborn zu verpflichten, die nicht nur durch ihren beeindruckenden Sieg beim Wien-Marathon vor Wochenfrist ein Aushängeschild der deutschen Laufszene repräsentiert. Niemand konnte allerdings erwarten, dass Anna 6 Tage nach dem Lauf in Wien und einer Bestzeit von 33:26 im Kampf um die Podiumsplätze hätte eingreifen könne. Hinter drei weiteren afrikanischen Läuferinnen bildete sich eine europäische Gruppe, die 5 km im Bereich von 16:45 passierte.

Neben fehlender Regeneration bekam Anna Magenprobleme und wurde am Ende Neunte in 34:18. Eine andere Deutsche in der Verfolgergruppe nutze die günstigen Bedingungen und stürmte in 33:45 noch auf Platz 5 vor. Die Tochter der legendären Katrin Dörre-Heinig, die selbst zweimal die 10 km in Paderborn gewann, Katharina Heinig, verbesserte ihren Hausrekord um 21 Sekunden und zeigte sich bestens gerüstet für den in Kürze anstehenden Marathon.

Beim Halbmarathon der Männer war schnell klar, dass es diesmal nicht in die Regionen einer Stunde gehen würde. Man ging das Rennen gemächlich an, bis vor der 1 km Marke der Kenianer Dickson Kurui einen sehenswerten Spurt hinlegte, der ihm schnell 50 m Vorsprung zu seinen Verfolgern bescherte. Trotzdem passierte er den ersten km nach nur 3:01, und nach 2 km (5:51) war sein Auftritt beendet und Kurui eingeholt. Er fiel dann bald zurück und erreichte das Ziel als Sechster nach erst 1:06:06.

An der Spitze agierten nun fünf Läufer, die 5 km nach 14:44 und 10 km nach 29:45 passierten und in dieser Konstellation auch die Wende zur zweiten Runde auf dem Heierswall erreichten. Bei 14 km (41:38) gab es dann eine Vorentscheidung, die vor allem der erst 17jährige Äthiopier Fentahun Hunegaw erzwang. Seinem Zwischenspurt konnten zunächst noch die Kenianer Isaac Langat und Evans Taiget folgen, wobei kurz darauf Taiget beim Anstieg über eine Brücke zurückfiel. Die beiden Führenden liefen den Abschnitt von 15 km (44:34) nach 16 km (47:22) in schnellen 2:48.

Aber auch diese Tempoverschärfung konnte den großen Rückstand auf eine Spitzenzeit im ersten Part nicht mehr wettmachen. In wechselnden Attacken blieb die Spitze bis kurz vor dem Ziel zusammen, wobei bei 20 km (58:59) fast noch eine Zeit unter 62 Minuten möglich schien. Am Ende fehlten aber offensichtlich bei beiden Aktiven die Kräfte, Hunegaw siegte in 1:02:16 (Nettozeit: 1:02:13) vor Langat in 1:02:18. Die Nächstplatzierten Evans Taiget (1:02:33) und Emmanuel Liaulo (1:02:50) blieben gleichfalls noch unter 63 Minuten.

Auf deutsche Läufer musste man dann lange warten – sie lokalen Topläufer schonten sich offensichtlich für den „Hermann“ -, Sven Serke von den Lauffreunden Bönen wurde in 1:13:53 Siebter (deutlich hinter den besten Frauen) und nur 10 deutsche Läufer blieben unter der Marke von 1:20 Stunden, das Regime engagierter Breitensportler. Ein mehr als enttäuschendes Resultat, aber die Freizeitgesellschaft hinterlässt auch beim Osterlauf ihre Spuren.

Die sportlich beste Leistung gab es im Halbmarathon der Frauen, den der sportliche Leiter Christoph Kopp mit Tola Bana einen exzellenten Tempomacher zur Seite gestellt hatte. Lange blieben unter seiner Führung sieben Läuferinnen zusammen, die immer auf Kurs zu einer Zeit unter 70 Minuten lagen. Diese Gruppe fiel erst in der zweiten Hälfte völlig auseinander, jede Läuferin war auf sich allein gestellt, nur die Äthiopierin Letebrhan Gebreslasea profitierte noch von den Diensten des Tempomachers und erreichte nach guten 1:09:45 (Netto-Zeit: 1:09:43) das Ziel.

Ihr „Hase“ hatte offensichtlich so viel Spaß an der beeindruckenden Kulisse auf der Stecke, dass er gleich noch eine flotte weitere Runde absolvierte. Wie gut die Zeit der Siegerin war, belegt die Tatsache, dass in der langen Geschichte des Osterlaufs nur die Streckenrekordlerin Irina Mikitenko 2008 in 1:08:51 sowie Joyce Chepchumba 1997 in 1:09:42 schneller waren.

Damit bleibt in Paderborn das Kuriosum bestehen, dass trotz der Übermacht ostafrikanischer Läufer zwei Streckenrekorde nach wie vor von deutschen Athleten gehalten werden. Und das könnte noch einige Zeit so bleiben.

Im Vorfeld hatte man den Streckenverlauf leicht verändert, um vor allem den Engpass in der Stollbergallee zu beseitigen, der beim Halbmarathon in der zweiten Runde zu einem problematischen Nadelöhr wurde. Die Maßnahme hat sich gut bewährt, der Streckenchef Frank Götze muss nun nur noch dafür sorgen, dass auch die Starts wieder näher an den Zielbereich rücken.

Und was den Start anbetrifft, sollte man – wie das diesmal auch schon beim 10 km Lauf geschehen war – für die Eliteathleten auf die wackeren Recken der Footballer von den Paderborn Dolphins verzichten. Die bremsten diese am Start nur aus und sorgten für unliebsame Differenzen der Netto- und Bruttozeiten. Dabei würde dann auch endlich die peinlichen Aktionen der Vergangenheit angehören, wo für Eliteathleten Nettozeiten gehandelt werden, wie das in den letzten Jahren bei den Siegerehrungen immer wieder irritierend praktiziert wurde.

Die Spitzenzeiten sind in Paderborn in einer Region angelangt, dass man diesem Aspekt entsprechende Sorgfalt zukommen lassen sollte.

Das rührige und gut eingespielte Team um Geschäftsführer Christian Stork brachte auch 2014 wieder eine bestens organisierte Veranstaltung über die Bühne. Obwohl das Sportzentrum am Maspernplatz immer näher an Kapazitätsgrenzen stößt, wurden selbst extreme Herausforderungen souverän gemeistert. Der Osterlauf ist in der Tat in besten Händen.

Dass man angesichts eines derartigen Erfolges (die „Teilnehmer“-Zahlen belegen das nachdrücklich) auch die Größe haben sollte, sich zu den Wurzeln zu bekennen, sei hier nur am Rande vermerkt. Der Mann, der diese Entwicklung erst möglich machte und der für die heutige Konzeption verantwortlich zeichnete, saß irgendwo am Streckenrand und schaute dem Treiben zu, für das er 30 Jahre verantwortlich war.

In Zeiten, in denen bei sportlichen Großveranstaltungen der Sport und fairer Umgang immer mehr durch organisatorische Zwänge in den Hintergrund tritt, bietet insbesondere der Laufsport beste Chancen solchen Entwicklungen entgegenzuwirken.

 

Helmut Winter

author: GRR

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