Fred Lebow - New York City Marathon - Foto: Victah Sailer@Photo Run Victah1111@aol.com
Fred Lebow, der Laufpionier und sein New York City Marathon – vom Central Parc durch die fünf Stadtbezirke New Yorks – Horst Milde bedankt sich.
Am Sonntag, dem 7. November 2021, feierte der New York City Marathon sein 50 jähriges Jubiläum. Er ist der größte und auch gleichzeitig der spektakulärste Marathon der Welt. German Road Races berichtete ausführlich über dieses Ereignis.
Der New York City Marathon – und damit seine Organisatoren – sind letztlich dafür verantwortlich, daß der weltweite Boom des Laufsports ausgelöst wurde, der sich glücklichweise bis heute hält.
Der TCS New York City Marathon hat im Vorfeld seines Laufes 2021 eine Vielzahl von Pressemitteilungen und Informationen abgesetzt. Es wimmelte nur so von Aktivitäten, Programmen und Rahmenwettbewerben zum 50. Jubiläumslauf, aber mir viel auf, daß es fast nichts gab, wo es um den Initiator und Mitbegründer des Laufes Fred Lebow ging. Vielleicht habe ich auch etwas übersehen, aber dafür las ich in einer New Yorker Zeitung von Hailey Eber, der in der New York Post vom 6. November 2021 schreibt:“Der erste New York City Marathon war nicht mit dem großen Rennen am Sonntag zu vergleichen, aber sie haben eine wichtige Gemeinsamkeit: Fred Lebow“.
Wenn der Veranstalter zu diesem außergewöhnlichen Termin nicht viel über Lebow zu sagen hat, dann ist es an der Zeit, daß diejenigen sich zu Wort melden, die Fred Lebow und seinen Aktivitäten zu Dank verpflichtet sind, weil sie seinem Beispiel folgten und eigene Läufe und Marathonläufe, wo auch immer in aller Welt, organisieren.
Was ich hiermit mache – Danke Fred!
Dieser Laufpionier Fred Lebow war derjenige, der erkannte oder erfühlte, daß Laufen Zukunft haben könnte. Unbeirrt ging er seinen Weg – und wir alle machten es ihm früher oder später nach. Dafür sollten wir alle dankbar sein, die großen und die kleinen Veranstalter, die oft vergessen, wo alles mal seinen Anfang nahm – und daß es Visionäre wie Fred Lebow gab, die Ideen in Aktionen umsetzten.
Fred Lebow – Foto: Victah Sailer
„Lebow, ein in Rumänien geborener Holocaust-Überlebender, der im Konfektions-District von Manhattan arbeitete, half 1970 bei der Organisation des ersten New York City Marathon. Es war eine relativ bescheidene Angelegenheit: 126 Männer und eine Frau stellten sich an der Startlinie auf und liefen dann mehrere Runden um den Central Park“.
Ähnlich bescheiden begann es 1974 in Berlin im Grunewald: Da traten 286 Teilnehmer/-innen beim 1. Berliner Volksmarathon (später BERLIN-MARATHON) an und 244 sahen sich im Ziel wieder.
„Nach heutigen Maßstäben wirkte der Lauf in New York ziemlich unorganisiert, mit Fahrrädern und Fußgängern, die sich zwischen den Läufern hindurchschlängelten“, schreibt George A. Hirsch in der Einleitung zu „New York City Marathon: 50 Years Running“ (Skyhorse Publishing) von Richard O’Brien, das jetzt erschienen ist. Das Buch zeichnet ein umfassendes Porträt von Lebow und seinem bahnbrechenden Straßenlauf“.
„Der New York City Marathon, wie wir ihn kennen, kam erst 1976 richtig in Schwung. Damals schlug ein Beamter und örtlicher Läufer namens George Spitz vor, den Lauf auf alle fünf Stadtbezirke auszuweiten. Lebow hielt das für zu ehrgeizig“.
„Ein solcher Lauf könnte 15.000 Dollar kosten, und woher sollen wir so viel Geld nehmen?“ erinnert sich Hirsch an Lebows Frage. Doch Spitz blieb hartnäckig und holte den damaligen Präsidenten des Bezirks Manhattan, Percy Sutton, mit ins Boot. Sutton fand einen lokalen Geschäftsmann, der 25.000 Dollar für die Veranstaltung aufbrachte, und die Sache nahm ihren Lauf. Der NYC-Marathon wurde 1970 ins Leben gerufen, aber erst 1976 auf die fünf Stadtbezirke ausgeweitet.“ In Berlin war es ähnlich, 1974 wurde der Lauf in Charlottenburg in der Eichkampstraße ins Leben gerufen, die Strecke verlief hauptsächlich zuerst im Grunewald – parallel zur Autobahn (AVUS) – 1981 folgte man dem Beispiel New Yorks und verlegte den Lauf in die Innenstadt Berlins mit Start am Reichstag und dem Ziel auf dem Kurfürstendamm, in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Tauentzien.
„1976 das war der Startpunkt“, schreibt Hirsch, der 87-jährige ehemalige Herausgeber von Zeitschriften wie The Runner und Runner’s World. Etwa 2.000 Menschen starteten das Rennen und 1.549 beendeten es. Damit übertraf der Lauf die Teilnehmerzahl des Boston-Marathons und war der größte Marathon der Welt. „Wir alle wussten, dass wir einen sofortigen Erfolg hatten – einen, der zu einer jährlichen Institution und zum besten Tag im Leben von New York City werden würde“, schreibt Hirsch. Und „alle waren sich einig, dass Lebow eine großartige Arbeit geleistet hatte“.
„Fred, This One’s For You“ A Special Tribute – Runners World
„Lebow wurde die treibende Kraft hinter dem Tag und überwachte Jahr für Jahr jeden Aspekt des Rennens, ob groß oder klein. Er verteilte T-Shirts in den Straßen und war mit seinem Bart und seinen Turnschuhen immer leicht zu erkennen. Fred Lebow war mehr als zwei Jahrzehnte lang besessen vom Laufen und von der Organisation des Marathons, aber er konnte nur einmal selbst an ihm teilnehmen“.
Fred Lebow verteilte T-shirts nicht nur in New York City, sondern auch im Ausland. Ich traf ihn in Stockholm, als ich den damaligen Berliner Polizeidirektor Heinz Ernst 1981 beim Stockholm-Marathon überzeugen wollte, auch in Berlin einen Marathon in der Innenstadt zu veranstalten. Ich stellte mich Fred Lebow artig vor und er überreichte mir, wie in einer „heiligen Handlung“, das besagte aktuelle New Yorker Marathon-T-shirt. Tatsächlich, ich war stolz vom großen „MEISTER“ des New York City Marathon ein T-Shirt geschenkt zu bekommen! Sein Hinweis, den er mir bei der Übergabe des NYC T-shirts gab, „Lass Dich nicht beirren, gib nicht auf, die Behörden und wen auch immer in Berlin zu überzeugen, den Laufsport für die Bevölkerung in die Innenstadt zu bringen“!
Sein Hinweis war letztendlich die Richtschnur meiner intensiven Bemühungen die Polizei zu überzeugen, daß Läufer und Läuferinnen auch das Recht haben Berlins Straßen zu nutzen.
„In einem Beitrag der Zeitschrift The Runner aus dem Jahr 1979 wurde geschildert, wie Lebow im Vorfeld der Veranstaltung mehrere Tage lang kaum schlief oder aß und sich über jede Linie und jede Kurve auf der Strecke aufregte. In einem anderen Beitrag schilderte Lebow, wie er mit den Nachwirkungen“ des Marathons von 1978 zurechtkam. Er war erfolgreich gewesen, aber er ärgerte sich über Kleinigkeiten, die nicht ganz wie geplant liefen, und sagte der Zeitschrift, „meine persönliche Desorganisation war unentschuldbar“. Er fragte sich sogar, ob er damit aufhören sollte.
Seine Besessenheit führte dazu, dass er selbst nie an einem Marathon teilnehmen konnte. „Ich wollte ihn so gut leiten, dass ich es mir nicht leisten konnte, ihn auch zu laufen“, sagte Lebow einmal. „Am New York City Marathon teilnehmen zu können – das ist mein größter Traum“.
„Lebow wurde als Fischel Lebowitz in einer großen orthodoxen Familie geboren und wuchs während der Nazi-Besatzung in Arad, Rumänien, auf. Er überlebte und floh nach dem Krieg als Teenager und arbeitete als Zucker- und Diamantenhändler vom europäischen Festland nach England und Island. Schließlich emigrierte er in die Vereinigten Staaten und leitete einen Nachtclub in Cleveland. Dann zog er nach New York und begann in der Bekleidungsindustrie zu arbeiten. Eines Tages forderte ihn ein Freund zu einem 1,6-Meilen-Trab um den Central-Park-Stausee heraus, und er fand schnell Gefallen an diesem Sport. Daraufhin trat er den New York Road Runners bei, einer Organisation, die er schließlich zwei Jahrzehnte lang leitete.“
Er nahm seine eigenen Kilometer ebenso ernst wie die Überwachung des Marathons. „Laufen ist die Oase im Leben, der einzige Bereich, in dem man nicht schummelt oder übertreibt, anders als im Geschäftsleben oder in Beziehungen zu Frauen oder Freunden“, sagte der lebenslange Junggeselle zu Hirsch. „Ich werde nie in mein Logbuch schreiben, dass ich eine Meile mehr gelaufen bin, als ich wirklich gelaufen bin“. Doch bei allem, was er für die Laufgemeinschaft der Stadt tat, war Lebow nicht perfekt. Jahrelang kämpfte er gegen die Einrichtung einer Rollstuhlabteilung, und in der Anfangszeit sträubte er sich, weibliche Läuferinnen voll zu akzeptieren“.
Im Jahr 1992 lief Lebow zum ersten und einzigen Mal einen Marathon. Er war zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt und befand sich in der Nachbehandlung eines Hirntumors. Grete Waitz, seine gute Freundin und neunfache Rekordsiegerin des Marathons – Lebow nannte sie „die Königin der Straße“ – lief die gesamte Strecke an seiner Seite. Kurz vor ihrem gemeinsamen Rennen erinnerte sich Waitz daran, wie sie ihn ein paar Jahre zuvor sah und dachte, er habe nur noch wenige Monate zu leben. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir zwei Jahre später einen Marathon laufen würden“, sagte sie der New York Times.
„Er erzählte, wie er im Krankenhaus gelaufen sei: „Um eine Meile zu schaffen, musste ich 67 Mal um das Dach laufen. Ich lief 67 Runden.“ Die beiden beendeten das Rennen in etwas mehr als fünfeinhalb Stunden. „Freds Reise an diesem Tag bleibt einer der emotionalen Höhepunkte des ersten halben Jahrhunderts des Rennens“, schreibt O’Brien.
Fred Lebow und Grete Waitz 1992 im Ziel des New York City Marathon – Foto: Victah Sailer
„Er und Grete wurden auf Schritt und Tritt von Scharen von New Yorkern angefeuert, die diese Sache, für die er so viel getan hatte, anerkannten und eindeutig schätzten. Diese große jährliche Feier des städtischen Lebens und Geistes.“
Die New Yorker setzten Fred Lebow 1994 ein lebensgroßes Denkmal, daß die sich normalerweise an der Ecke 90th Street und East Drive steh. Aber an den Tagen vor dem Marathon wird die Statue immer an einen Platz in der Nähe der Ziellinie versetzt. Alle Läuferinnen und Läufer kommen dann auf dem Weg zum Ziel an ihm vorbei.
Fred Lebow, wo alles seinen Anfang nahm als Denkmal und Grete Waitz im Central Parc – Foto: Victah Sailer
Fred Lebow hat mit seinem New York City Marathon seiner Stadt ein sportliches Aushängeschild geschenkt, das weltweit bewundert wird.
Die Lauf Community gedenkt seiner mit großem Dank.
Horst Milde