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09
11
2012

Jan Fitschen lief in Berlin seine persönliche Bestzeit von 2:13:10 ©Helmut Winter

Frankfurt Marathon – Rad statt Rennschuh – Jan Fitschens Eindrücke als radelnder Kommentator

By GRR 0

Jan Fitschen (TV Wattenscheid) – vielfacher Deutscher Meister über 5000m und 10.000m, siw Europemeister über 10.000m 2006 in Göteborg mit 28:10:94, lief beim 39. Berlin-Marathon am 30. September 2012 mit 2:13:10 persönliche Bestzeit und war als Vierzehnter gleichzeitig bester deutscher, als auch bester europäischer Läufer. Beim Frankfurt Marathon wechselte er die Position, statt zu laufen fuhr mit dem Fahrrad  hinter Sören Kah und kommentierte für den Hessischen Rundfunk live. Für German Road Races schrieb er seine Eindrücke zum Rennen als Kommentar.

Nein, ein bisschen anders war das ja schon. Nach dem Rennen beim Berlin-Marathon durch unsere schöne Hauptstadt hatte ich auch nach ausgiebigem Urlaub noch reichlich dicke Beine, als es für Sören Kah, Lisa Hahner, Markus Weiss-Latzko, Veronica Pohl, Patrick Makau und viele andere in Frankfurt an den Start ging.

Da war ich extrem froh, das ganze bereits hinter mir zu haben und nicht durch die kalten Straßen rennen zu müssen.

Warum also aufs Rad? Ralf Scholt von der ARD hatte mich gebeten, ihn und Dieter Baumann bei der Übertragung des Marathons für das hr-fernsehen zu unterstützen. Cool, das macht immer sehr viel Spaß. Jeder Läufer quatscht gerne übers Laufen, und manchmal glaube ich, dass der, der richtig viel läuft, noch viel mehr darüber erzählen möchte (ich trainiere übrigens 12x pro Woche).

Daher haben meine Frau und ich den Urlaubsrückflug so gebucht, dass es direkt nach Frankfurt ging. Am Freitagmorgen im T-Shirt in Washington einen Dauerlauf am Weißen Haus vorbei und am Samstag früh bei Schneeregen in Frankfurt geflucht. Und spätestens da war ich doppelt froh, schon in Berlin gerannt zu sein. Es kam aber noch besser: „Jan, wir haben eine besonders schöne Aufgabe für dich, denn du darfst vom Rad aus kommentieren.“ Uff, bei den Tempera-turen? Na vielen Dank…

Schließlich war das jedoch für alle die perfekte Lösung. Ich war warm eingepackt, extrem nah dran am Geschehen und durfte während des gesamten Rennens an der Seite von Sören Kah mit radeln. Anfeuern durfte ich leider nicht, den Coachen vom Rad aus ist verboten und kann zur Disqualifikation des Athleten führen.

Trotzdem war das prima und ab und zu absteigen und vom Rand aus etwas zurufen ist ja erlaubt! Ein wenig seltsam war die Situation teilweise schon, denn natürlich sind Sören und ich trotz gemeinsamen Trainings auch Konkurrenten. Meine deutsche Jahresbestzeit hätte ich z.B. nur ungern verloren, doch besonders im Laufsport bekommen wir immer einen super fairen Umgang hin.

Jeder von uns will besser sein als der andere, sonst würden wir keinen Leistungssport machen und uns im Training so oft schinden. Ttrotzdem arbeiten wir zusammen und sind ein super Team, das sich auch außerhalb des Trainings sehr gut versteht. Daher war es für Sören z.B. überhaupt kein Problem, dass gerade ich auf dem Rad dabei war. Sein Trainer Lutz Preußner war ja auch radelnd unterwegs und so haben wir Sören gemeinsam unterstützen und uns auch zwischendurch absprechen können.

Über den „Knopf im Ohr“ kamen bei mir die Kommentare von Ralf und Dieter an und dann kam zwischendurch die Regie mit einem „es geht gleich los Jan“ worauf ich auf die Fragen von Ralf antworten und die Eindrücke direkt an der Strecke in Worte fassen konnte.

Ab und zu verstand ich nicht die ganze Frage und dann hieß es improvisieren, so dass es niemand merkt. Radeln war aber super, da ich ja so nicht nur die TV-Bilder vor Augen hatte, sondern alles mitbekam. Da besitzt der Sören doch tatsächlich während des Laufs die Coolness, von seinem Energieriegel den Mitläufern ein Stückchen anzubieten. Bei 3:10 min/km! Irre. Und der Blick in die Augen vom Rad aus verrät doch oft mehr, als nur ein flüchtiger Eindruck vom Streckenrand.

Nicht so leicht ist es allerdings, im ausreichendem Abstand vor den Läufern herzuradeln, einhändig zu kommentieren und darauf zu achten nicht unter die Räder bzw. Schuhe zu geraten.  Immer wieder der Blick zu den Zwischenzeiten, wie liegt er auf Kurs, wie sieht der Schrittverlauf aus, was machen die Pacemaker, bleibt es gleichmäßig, kann Sören noch zulegen, klappt die Getränkezufuhr,… so ein Marathon kann extrem schnell vorbei gehen…

Die Strecke erlebte ich völlig anders als im letzten Jahr, als ich selber dort gelaufen bin. Ganz kleine Steigungen die man auf dem Rad sofort bemerkt und dann die Erinnerung: ja, auf die habe ich vor einem Jahr innerlich richtig geschimpft. Doch Sören „drückt die einfach weg“. Das läuft. Super. Und weiter.

Ungefähr bei km 32 wurde es dann zäh, die Pacemaker waren weg, das ist hart. Jetzt kamen Sören die ersten Jungs aus der Führungsgruppe entgegen. Einsammeln! Dann überholte ein Brite und Sören biss sich fest. Klasse! Kurz vor Ziel musste ich von der Strecke. Mikro und Funkausrüstung abgeben und dann durch die Zuschauermassen am Streckenrand Richtung Ziel.

Sören war längst da. 2:13:57h. Erneut eine Bestzeit. Schon wieder gesteigert. Wow, Hut ab. Und das bei den Temperaturen. Ein super Resultat und beim gemeinsamen Interview auf der hr-Bühne waren Sören und ich gleichermaßen froh, dass alles gut geklappt hat.

Auch bei Lisa, Markus, Vero und vielen anderen hat es gut geklappt. Für einen Weltrekord war es wohl zu kalt, doch erneut hat Frankfurt ein sehr spannendes Rennen geliefert. Und auch wenn nicht jeder immer unter 5, 4, oder 3 Stunden bleiben oder eine Bestzeit aufstellen kann, so habe ich mich doch über die vielen glücklichen Menschen im Ziel gefreut und ein bisschen auch über die schmerzverzerrten Gesichter beim Treppensteigen, denn spätestens da sind dann wieder alle gleich.

 

Jan Fitschen

 

Jan Fitschen website

author: GRR

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