Wenn Storl eine Medaille holt („nicht ausgeschlossen“, sagt Lang), ist das schön, aber keine Pflicht.
Frank Bachner im Tagesspiegel – Ein Favorit, der eigentlich keiner ist – Kugelstoßer Storl träumt von einer EM-Medaille in Paris
Berlin – Wissen sie denn, ob sie vor Ort problemlos auf der Kugelstoßanlage trainieren können? Nein, wissen sie nicht, deshalb sind Sven Lang und David Storl erst gestern nach Paris geflogen. Das Abschlusstraining, die letzte Einheit vor der Leichtathletik-Hallen-EM, haben sie zu Hause in Chemnitz absolviert. „Die Einheit verlief zufriedenstellend“, sagt Lang, der Trainer. Storl, der Kugelstoßer, kann also hoffen, dass sich am Wochenende sein Traum erfüllt: eine Medaille.
Auf dem Papier gehört er zu den Medaillenkandidaten. In Leipzig, bei den deutschen Hallen-Meisterschaften am vergangenen Wochenende, wuchtete er die Kugel 20,70 Meter weit und sich auf Platz zwei der europäischen Rangliste.
Doch das ist blutleere Statistik, ohne Rücksicht auf Nerven, auf Stress, auf Wettkampfhärte. Storl ist erst 20 Jahre alt, „er muss erst mal alles verdauen“, sagt Lang.
Drei Monate lang litt Storl unter Pfeifferschem Drüsenfieber, Leipzig war danach sein erster Wettkampf, und gleich da besiegte er erstmals im Wettkampf den Routinier Ralf Bartels. Viel zu verarbeiten für einen Wettkampf. Storl muss sich stabile Wettkämpfhärte erst noch erarbeiten.
Wenn Storl eine Medaille holt („nicht ausgeschlossen“, sagt Lang), ist das schön, aber keine Pflicht. Der 20-Jährige, den Experten schon als „Jahrhunderttalent“ bezeichnet haben, scheiterte bei der WM 2009, seinem ersten großen Wettkampf bei Erwachsenen, bereits in der Qualifikation an seinen Nerven. „Seither ist er natürlich mental stärker geworden“, sagt der Trainer. Aber diese Stärke hat Grenzen. Und Lang hat Zeit, er kennt schließlich das Potenzial seines Athleten.
21 Meter sind eine legendäre Marke im Kugelstoßen. Wären Sie, Herr Lang, sehr überrascht, wenn er, befreit vom Erwartungsdruck, diese Marke in Paris übertreffen würde? „Nein“, sagt Lang und lacht, „ich seh’ ihn ja im Training. Da sah das schon ganz gut aus.“
Frank Bachner im Tagesspiegel, Freitag, dem 4. März 2011