Kleine Jungen (Mädchen sind nicht zu erkennen!) tragen Matrosenanzüge oder Pickelhaube und halten Fahnen hoch oder Spielzeugwaffen aus Holz im Anschlag. Wie immer sich die angedachte weitere Nutzung des Tempelhofer Feldes zukünftig gestaltet: Die „Sportbegeisterte Jugend“ sollte hier allemal ihren Platz finden – aber auf keinen Fall zum „Kriegsspiel“! Willy Römer: Kriegsbegeisterte Jugend beim Kriegsspiel, Berlin, Tempelhofer Feld, August 1914. Silbergelatinepapier. ©© bbk / Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Photothek Willy Römer
Fotoausstellung in Berlin: Sport und Krieg als Gegenerfahrung – Prof. Detlef Kuhlmann in der DOSB-Presse
(DOSB-PRESSE) Wer die Ausstellung „Fotografie im Ersten Weltkrieg“ in Berlin besucht, die noch bis zum 22. Februar 2015 im Museum für Fotografie im Stadtbezirk Wilmersdorf-Charlottenburg (Jebensstraße 2) zu sehen ist, der erwartet nicht zwangsläufig darin Fotografien vom Sport im Ersten Weltkrieg.
Sport und Krieg passen nicht zusammen. Sport und Krieg klammern sich zwangsläufig aus. Sport und Krieg sind Kontrastpole. Der aufmerksame Besucher kann sich dennoch beim Rundgang durch den Ausstellungssaal im Obergeschoss des 1909 eingeweihten Landwehrcasinos, das just im Ersten Weltkrieg als Reservelazarett für die Soldaten diente, die Gegensätzlichkeit von Sport und Krieg bildhaft vor Augen führen.
Beispielsweise wenn er auf das Foto des Leipziger Presse-Büros stößt: Wie schlimm muss es damals für die dort abgebildete Kolonne junger deutscher Alpinsoldaten gewesen sein, auf Skiern bergauf mit Ausrüstung den kriegerischen Handlungen entgegen zu wandern.
Und wie schön kann es dagegen sein, sich auf Skiern oder anderen antriebsunterstützenden Fortbewegungsmedien in freier Natur bzw. im Schnee „sportlich“ (auch bergab) zu bewegen?
Das Foto daneben mit einer anderen Gruppe von Soldaten, die ihre schwer bepackten Fahrräder entlang eines Kanals schiebt, kontrastiert die Phänomene Sport und Krieg in ganz ähnlicher Richtung – Radsport geht anders!
Beide Aufnahmen bringen die Sinnhaftigkeit des Sports „auf kriegerische Weise“ als Gegen-erfahrung zur Aufführung und machen einmal mehr deutlich, dass Sport an sich gar keinen Sinn macht, keinem äußeren Zweck unterliegt oder der Produktion von Werken dient: Beim Sport müssen wir uns selbst erst auf Sinnsuche begeben.
Wir können die Natur bewegend genießen, besondere Erfahrungen mit unserem Körper (z.B. auf Ski, im Kanu) machen, etwas (zusammen mit anderen) für unsere Fitness und Gesundheit tun etc. etc.
Apropos Gesundheit: Da gibt es in der Ausstellung, die von der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin verantwortet wird, in der Sektion „Medizinische und anthropologische Fotografie“ mindestens eine weitere Aufnahme, die uns die konträren Gesichter des Krieges und vom Sport ebenso drastisch-dramatisch vor Augen führt:
„Schwimmsport der Kriegsbeschädigten“ ist ein Foto der Berliner Illustrationsgesellschaft aus dem Jahre 1917 (auf Silbergelantinepapier) überschrieben. Es zeigt zehn schwer verwundete Soldaten mit freiem Oberkörper und in Badehose, die meisten von ihnen bein-, einige armamputiert. Sie sitzen am Beckenrand und warten darauf, erste (neue) Schwimmversuche in der Militärbadeanstalt Plötzensee in Berlin unter Anleitung zu unternehmen:
Sport als (postmilitärische) Rehabilitationsmaßnahme – oder waren das die Anfänge des „Versehrtensports“?
In der Ausstellung sind unter glasbedeckten Vitrinen auch zahlreiche bebilderte Kriegstagebücher und Fotoalben von Soldaten ausgelegt. Der Besucher kann darin nicht blättern, trotzdem entsteht der Eindruck, es handle sich hier und da um solche Aufnahmen, die gerade und nur dann gemacht werden konnten, wenn die kriegerischen Gefechte ruhten – also in „Auszeiten“:
Ob dann „im Feld“ oder in der Heimat sogar mal von den Soldaten (Freizeit-) Sport getrieben wurde? Fernab von offiziellen Kriegsfotografien könnten vor allem die zahllosen Konvolute privater Sammlungen, die in den Archiven lagern, darüber Aufschluss bieten.
Im Ausstellungsprospekt wird mit einem Foto von Willy Römer aus der Abteilung „Heimatfront“ geworben, das die „Kriegsbegeisterte Jugend beim Kriegsspiel“ (so die Bildunterzeile) im August 1914 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin zeigt: Kleine Jungen (Mädchen sind nicht zu erkennen!) tragen Matrosenanzüge oder Pickelhaube und halten Fahnen hoch oder Spielzeugwaffen aus Holz im Anschlag. Wie immer sich die angedachte weitere Nutzung des Tempelhofer Feldes zukünftig gestaltet: Die „Sportbegeisterte Jugend“ sollte hier allemal ihren Platz finden – aber auf keinen Fall zum „Kriegsspiel“!
Weitere Informationen zur Ausstellung „Fotografie im Ersten Weltkrieg“ mit Öffnungszeiten etc. finden sich im Internet unter www.smb.museum/mf.
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