FINISHER-Gebühr: Horst Milde: „Ein Schritt in die richtige Richtung, aber…“ Interview im Fachmagazin road races. ©German Road Races (GRR) e.V.
FINISHER-Gebühr: Horst Milde: „Ein Schritt in die richtige Richtung, aber…“ Interview im Fachmagazin road races.
Die Laufmaut kommt – (leider) – doch keineswegs nach dem Sinn der Funktionäre beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und den Landesverbänden. Nach langem Hin und Her haben die Mitglieder des DLV-Verbandsrates dem Druck der Lauf-Basis nachgegeben und die ab 2016 vorgesehene neue Gebührenordnung bei Lauf-Veranstaltungen korrigiert.
Ursprünglich sollte nämlich jeder Veranstalter einer beim Verband angemeldeten Laufveranstaltung für jeden Finisher über 18 Jahre 1 Euro an den Fachverband abführen – für nicht wenige der 3400 von fast ausschließlich ehrenamtlich tätigen Helfern durchgeführten Veranstaltungen ein existenzielles Problem.
Nach dem Verbandsratsentscheid Mitte Juli in Nürnberg sind es nunmehr künftig 50 Cents, die der DLV und die Verbands-Gliederungen auf Landesebene einkassieren.
GRR-Vorsitzender Horst Milde äußert sich im Interview zum Gezänk um die Finisher-Gebühr.
German Road Races war vorrangig der Wortführer im Kampf gegen die Erhöhung der Gebührenordnung des DLV, die im Ursprung das Abführen von 1 Euro pro Finisher ab 2016 vorgesehen hatte. Die von Ihnen als „Lauf-Maut“ betitelte Abgabe ist in dieser Höhe vom Tisch. Für GRR ist dies sicherlich ein großer Erfolg oder wie beurteilen Sie die Nachbesserungen von Nürnberg?
Die Nürnberger Beschlüsse sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es sind einige Eckpunkte unserer Forderung, die die Verwendung und vor allem aber die kleineren Veranstaltungen betreffen, die leider unter den Tisch gefallen sind! Das kann so jedenfalls nicht bleiben. Da muss in einem zu schaffenden Laufforum oder einem Runden Tisch nachgearbeitet werden! Grundsätzlich ist es jedenfalls begrüßenswert, dass man sich beim DLV nach den umfangreichen Protesten der Basis bewegt hat. Auch wenn es sehr lange gedauert hat, nach meiner Einschätzung viel zu lange, denn in der Zwischenzeit ist viel Porzellan zerschlagen worden.
Können Sie diese Einschränkungen in Ihrer Bewertung präzisieren?
Noch im September 2014 hat sich der Bundesausschuss Laufen einmütig zu unseren Kernvorstellungen bekannt. Diese sehen bei einer Gebührenerhöhung vor allem die Förderung von Maßnahmen für den Laufnachwuchs, Unterstützung bei Ausbildung und Studium, Förderung von Aus- und Weiterbildung von Trainern und Übungsleitern im Laufbereich und die Unterstützung von innovativen Laufvereinen und Laufprojekten vor. Diese Zustimmung haben wir zunächst einmal als ersten kleinen Erfolg unserer Arbeit gesehen. Aber letztlich ist es bei diesem Lippenbekenntnis geblieben. Und als Krönung dieser distanzierten Haltung wurde ich wegen meiner kritischen Haltung zur Gebührenerhöhung als Berater im Bundesausschuss Laufen entfernt. Dies hat mir eindeutig gezeigt, dass Kritik beim DLV nicht gewünscht ist.
Im Zuge des Protestes gegen die Einführung der 1 Euro-Abgabe pro Finisher haben Sie immer wieder betont, dass GRR nicht nur die eigenen Mitglieder, sondern auch viele kleine Veranstalter vertreten würde, weil diese kein Forum für ihren Protest gefunden hätten.
Wir haben in der Tat einen Aufschrei der Basis wahrnehmen können. Dies geschah auf vielfältige Weise. Weil man in den ehrenamtlich geführten Vereinen schlichtweg vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. In den Terminbörsen auf Landes- oder Regionalebene wurde diese massive Gebührenerhöhung bewusst nicht oder allenfalls als Randthema angesprochen. Es kann einfach nicht sein, dass an den Vereinen, der Basis für die Leichtathletik und die Laufentwicklung, vorbei eine Entscheidung getroffen wird. Und diese Gebührenerhöhung hat für viele, vorrangig kleine Veranstalter, eine existenzielle Bedeutung. Die meisten unserer Mitglieder haben selbst „klein“ angefangen und haben einen kontinuierlichen Aufbau geschafft. Im Ursprung ist German Road Races (GRR) e.V.nals Gegengewicht gegen den Deutschen Leichtathletik-Verband gegründet worden, um unseren Forderungen Gehör zu verschaffen. Wir hätten nie gedacht, dass nach Jahren einer konstruktiven und harmonischen Zusammenarbeit das Verhältnis derart gestört werden würde.
Welche Aktivitäten haben Sie entwickelt, um die Laufgemeinde, sprich Veranstalter und Läufer gleichermaßen, auf diese geplante Gebührenerhöhung hinzuweisen – und einen Proteststurm zu entfachen?
Nach ersten, sachlich fundierten Presseinformationen, Veröffentlichungen auf der GRR-Website und im GRR-Magazin sowie einer Mail an die Veranstalter von Volks- und Straßenläufen wurden wir in verschiedenen Stellungnahmen von Präsidiumsmitgliedern und Funktionsträgern des DLV zum Teil böswillig attackiert und mit unwahren Behauptungen konfrontiert. In der Sache jedoch ist nichts geschehen. Die 1-Euro-Finisher-Gebühr schien wie in Stein gemeißelt. Wir haben daraufhin unseren Protest verstärkt. Mit Aufklebern, Protest-Postkarten, Unterschriftslisten und einer Online-Petition haben wir mit Erfolg die Öffentlichkeit wachrütteln können. Es gab eine Reihe juristischer Ausführungen zur Zulässigkeit von Gebühren durch Verbände, die letztlich uns bestärkt haben, den richtigen Schritt gemacht zu haben.
Können Sie in Zahlen belegen, auf welche Zustimmung Ihr Protest gestoßen ist?
Den Hauptfokus haben wir auf die Online-Petition gerichtet. So konnten wir fast 9.000 Unterzeichner registrieren, außerdem 1000 Unterschriften bei Laufveranstaltungen einsammeln und viele Postkarten mit der DLV-Anschrift verteilen. Zahlreiche Tageszeitungen haben unser Thema aufgegriffen, Radio- und Fernsehanstaltungen haben kritisch über die Gebührenerhöhung berichtet, die praktisch ohne erkennbare Gegenleistungen seitens des DLV erfolgen sollte. Sachverständige Juristen haben öffentlich bezweifelt, dass der DLV aus kartellrechtlichen Gründen überhaupt berechtigt ist, von vereinsungebundenen Teilnehmern einfordern kann und haben spontan ihre Bereitschaft bekundet, auch mögliche juristische Auseinandersetzungen mit dem DLV vor Gericht zu begleiten.
Wie soll es nach dem Nürnberger Beschluss in Sachen Gebührenordnung nun weiter gehen? Zufrieden jedenfalls scheinen Sie mit der im Verbandsrat beschlossenen neuen Gebührenordnung noch nicht zu sein?
Wir fordern nach den vielen Protesten kleiner und mittelgroßer Veranstalter zum Schutz dieser Veranstalter ein Freikontingent von 300 Finishern, das nämlich verstehen wir unter einer Sozialverträglichkeit!
Wir nehmen natürlich die Äußerung des DLV-Präsidenten Clemens Prokop ernst und warten auf die Einberufung des angekündigten Runden Tisches. Ich weiß aber aus ersten Reaktionen, dass eine Reihe von Veranstaltungen künftig nicht mehr beim DLV bzw. dem zuständigen Landesverband angemeldet werden. Der Unmut ist spürbar. Wir haben allerdings in den vergangenen Wochen und Monaten bereits Alternativen erarbeitet, die z.B. den Versicherungsschutz betreffen, sodass kein Veranstalter in ein Risiko laufen müsste, wenn er seinen Lauf nicht mehr anmelden wird! Der DLV sollte schnellstens daran gehen, das sichtlich gestörte Vertrauensverhältnis zur Basis, sprich den Vereinen, durch verstärkte Transparenz und Kommunikation wieder zu verbessern.
Das heißt, Sie befürchten eine Spaltung der deutschen Lauflandschaft in Veranstaltungen, die unter der Flagge des DLV auch weiterhin segeln und in Veranstaltungen, die mangels erkennbarer Gegenleistungen und überhöhter Gebühren als „wilde“ Veranstaltungen zu gelten haben?
Die ersten Auswirkungen sind bereits jetzt in den ersten Terminbörsen zu erkennen. In einem Landesverband wurden 1/3 weniger Veranstaltungsanmeldungen registriert. Der DLV ist selbst daran schuld, wenn sich viele Veranstalter von ihm abwenden. Als reine Melkkühe jedenfalls taugen die Lauf-Veranstaltungen nicht, denn es stellt sich immer wieder die Frage: Was tut der DLV für uns Veranstalter? Es gibt eine Reihe von Problemen, die dringend angegangen werden müssten, doch beim Verband regt sich niemand….
Quelle: "road races" – Fachmagazin von German Road Races (GRR) e.V. – Ausgabe 2016
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