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10
2021

Start zum 5 km Lauf beim Wladiwostok Marathon- Foto: Klaus Weidt

Fernost – perfekt! Sowohl der 5. Galaxi Wladiwostok Marathon als auch die Stadt am Japanischen Meer konnten begeistern. Selbst ein „Tiger-Tag“ gehörte dazu. Klaus Weidt berichtet

By GRR 0

Zwei Wege führen ans Ende von Russland. Per Flugzeug über Moskau oder mit der Transsibirischen Eisenbahn. Wir wagten den letzteren Weg, flogen nach Irkutsk, bewunderten den Baikalsee und ließen uns auf der Transsib vier Tage lang bis Wladiwostok fahren.

Eine einmalig beeindruckende, auch abenteuerliche Tour, fast 11 000 Kilometer, von Berlin aus gesehen. Gut organisiert, mit freundlichen, kundigen russischen Reiseführern auf allen Teilstrecken.

Die Transsibirische Eisenbahn – Foto: Klaus Weidt

Da faszinierte zuerst die altsibirische Hauptstadt Irkutsk mit ihren Kirchen und den gepflegten farbigen Holzhäusern im Zentrum. Dier Fluss Angara ließ grüßen und wies uns den Weg zum „Heiligen See“, den Baikal, größter und tiefster See weltweit. Danach vier Tage und drei Nächte auf der legendären Transsibirischen Eisenbahn. Ein Zug fast einen halben Kilometer lang mit viel Komfort. Vor allem aber die unendlichen Aussichten auf Berge, Taiga, Tundra, Flüsse, Städte, Siedlungen und Seen. Dann Wladiwostok. Einst militärisches Sperrgebiet am Ende der damaligen Sowjetunion, heute aufblühende Großstadt mit mehr als 600 000 Einwohnern. Eine beeindruckende Metropole mit ihren riesigen Brücken, einem pulsierenden maritimen Flair, und das Tag und Nacht. So mancher unserer 15-köpfigen Läufergruppe zeigte sich überrascht.

Überrascht dann auch vom Galaxi Wladiwostok Marathon. Es war der fünfte, von der AIMS zertifiziert, nachdem er Corona-bedingt im Vorjahr ausgefallen war. Ein Marathon als ganztägiges Volksfest in diesem Fernen Osten. Für alle Teilnehmer standen zur Auswahl: Marathon, Halbmarathon, 10 km, 5 km und eine Kilometer-Runde für Kinder. Paulina Kupchik vom Organisations-Büro, die es sich nicht nehmen ließ, die erste deutsche Läufergruppe an diesem Wladiwostoker Marathonereignis herzlich zu begrüßen, hatte ich nach den Helfer-Zahlen befragt. Dem 14-köpfigen Stab steht mit Olga Gueva eine Frau als Renndirektorin vor.

Die Volonteurs mit 120 und den Polizeikräften mit 140 nahmen den größten Helferanteil wahr. Insgesamt waren es etwa 340, meist ehrenamtliche Mitstreiter. An Sponsoren schien es nicht zu mangeln. Vor allem hatten die Veranstalter im Partner der Galaxi-Marke „Samsung“ eine großzügige Unterstützung. Preisgelder, Geschenke, Medaillen und Souvenirs gab es genügend. Musik und Tanz auch – Stimmung auf allen Teilstrecken.

Da die Temperaturen Ende September, Anfang Oktober am Japanischen Meer mit noch 16 Grad tagsüber recht moderat sind, hatten die fast 3000 aus 13 Ländern in dieser Hinsicht keinerlei Laufprobleme. Zu den verschiedenen Startorten wurden die Läufer gefahren. Die zwei riesigen Brücken (Russki Bridge und Golden Bridge) mit ihren wundervollen Ausblicken auf Meer und die Fernost-Großstadt konnten nur die Marathonis überqueren. Alle anderen bewunderten die letzte Stadt im Osten Russlands auf der „Goldenen“ zweieinhalb Kilometer lang ausgiebig.

Den Marathon gewann ein Mann aus dem sibirischen Nowosibirsk.

Eine Läuferstadt, wie man uns erzählte. Waleri Lukin, ein Mittdreißiger, lag von Anfang an vorn und hatte am Ende für die hügelige Strecke 2:23:40 zu verzeichnen. Aus seiner Heimatstadt stammte auch mit Elena Ruchlada (2:45:55) die schnellste Frau auf dieser Distanz. Überhaupt war, wie auch bei den anderen Wettbewerben, der Frauenanteil sehr hoch. Beim Halbmarathon siegte mit Viktor Gushij ein Mann aus dem Veranstaltungsort (1:06:27), und schon an fünfter Gesamtposition rangierte die erste Läuferin (Elena Sedova/1:16:27). Die meisten Teilnahmen, etwa die Hälfte, gab es natürlich auf den kürzeren Strecken. Viele Einwohner von Wladiwostok zum Beispiel ließen es sich nicht nehmen, einmal im Jahr wenigstens über die Riesenbrücken zu joggen. Diese zu überqueren ist normalerweise lediglich dem motorisierten Fahrzeugverkehr gestattet. Nur zweimal im Jahr, so war zu erfahren, sind diese Attraktionen für Fußgänger geöffnet: am 1. Mai für die traditionellen Demonstrationen und Ende September für den Wladiwostok-Marathon.

Interview vor dem 5 km Lauf mit dem ältesten Teilnehmer Erhard Bader (88 J.) aus Berlin – Foto: Klaus Weidt

Für unsere kleine Läufergruppe aus den deutschen Landen galt es vor allem, diesen Marathonneuling zu genießen. Trotzdem gab es einige bemerkenswerte Auftritte. Karin Schröder-Raunick aus Henstedt-Ulsburg beherrschte die höchste Marathon- Altersgruppe „60 plus“ und wurde ebenso geehrt wie der Eisenacher Helmut Hantzsch als Dritter dieser Männer-AK. Besondere Aufmerksamkeit galt auch einem 88jährigen. Es hatte sich in der Fernost-Metropole schnell herumgesprochen, dass der älteste Berliner Läufer am Start sei. Und so war die Television von der Region Primorske („am Meer“) schnell im 5-km-Startbereich, wo dieser sich aufwärmte. Gefragt, mit welchen Eindrücken er denn wieder die 11 000 Kilometer nach Berlin fliegen würde, teilte er seine Begeisterung über die weltoffene interessante Stadt Wladiwostok mit und setzte einen Wunsch hinzu: „Wollen wir doch auch künftig friedlich und freundlich miteinander leben und laufen.“

Wie ist eigentlich dieser fernöstlichste Marathon entstanden?

Konstantin Bogdanenko, damals noch Vizepräsident der großen fernöstlichen Region, nahm bei einem Aufenthalt in Europa am Turin-Marathon teil und sagte sich danach, das können wir doch auch. Dank seiner gewichtigen Stellung im Primorsker Gebiet vermochte er schnell, eine junge, tatkräftige Mannschaft einzusetzen, die sowohl eine AIMS-Veranstaltung als auch die Leute rund um das Ende der „Transsibirischen“ auf die Beine stellte. Und das gelang! Laufclubs schossen wie Pilze aus der Erde; man rechnet, dass derzeit an die 7000 aktiv trainieren. Bogdanenko – ein Mann, der voller Ideen sprüht. Er denkt derzeit über einen Trail nach, dort, wo sich Tiger und Leoparden Guten Tag sagen.

Diese Region lernten wir nach dem „Tag des Tigers“, der traditionell dem Marathontag mit vielen öffentlichen Programmen folgte, selbst etwas kennen. Eine dreitägige Exkursion in die Taiga, bis zur koreanischen Grenze, führte uns direkt in den ältesten russischen Nationalpark, einen, der sich vor allem um den Schutz der Leoparden und Tiger bemüht. Weder einen Tiger noch einen „Leo“ haben wir persönlich getroffen, doch immerhin eine Herde „gefleckter Hirsche“. Ein Tierbestand, der wie hier zwischen Russland, Korea und China wohl einmalig ist.

Der 6. Galaxi Wladiwostok Marathon wird übrigens am 24. September 2022 ausgerichtet. Ein deutscher Läufer könnte an ihm kostenfrei teilnehmen. Ein Stendaler nämlich hatte den Start zum „Fünften“ verschlafen. Das Organisationskomitee tröstete ihn daraufhin und überreichte ein Zertifikat, aus dem hervorgeht, dass er beim Marathon 2021 zumindest dabei gewesen sei.

Klaus Weidt

author: GRR