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20
11
2016

Michael Reinsch - ©Horst Milde

FAZ-Kommentar: Die Wada braucht einen starken Chef – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Craig Reedie hat, tief verletzt, um Entschuldigung gebeten. Der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ist in Doha in einen beispiellosen Sturm der Kritik geraten, der ihn aus dem Amt fegen könnte.

Zwar ist kein Nachfolger für die Führung der Wada in der Diskussion. Doch seit Mittwoch scheint zweifelhaft wie nie, dass der 75 Jahre alte Reedie am kommenden Wochenende in seiner schottischen Heimat, in Glasgow, für eine zweite Amtszeit von drei Jahren gewählt wird.

Der Mann, der zwar ein kantiges Englisch spricht, ansonsten aber gerade deshalb olympische Karriere gemacht hat, weil ihm Ecken und Kanten fehlen, wurde, wie Berichterstatter vom Golf melden, am Mittwoch Gegenstand einer „öffentlichen Hinrichtung“.

Erster Kläger und Richter war der kuweitische Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah, der forderte, Reedie müsse durch eine unabhängige Persönlichkeit an der Spitze der Wada ersetzt werden. Der Multifunktionär, Strippenzieher und mächtigste Unterstützer von Thomas Bach suggerierte: unabhängig vom Sport und vom Internationalen Olympischen Komitee.

Er habe den Stolz der Gastgeber verletzt

Der größte Vorwurf war, dass Reedie die Feierlichkeiten der Funktionäre und den Stolz der Gastgeber verletzt habe. Denn just zur Versammlung der mehr als zweihundert Nationalen Olympischen Komitees (Anoc) in der Hauptstadt des sportlich so ambitionierten Emirats Qatar und zum Besuch von IOC-Präsident Bach dort ließ die Wada das örtliche Doping-Kontrolllabor durch den Leistungstest fallen, der zum Erhalt der Akkreditierung notwendig ist.

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Am Montag suspendierte sie das qatarische Labor für vier Monate.

Gleichzeitig sperrte es den aus Marokko stammenden qatarischen Läufer Mohammed Al-Garni, Asien-Meister über 1500 und 5000 Meter, wegen Dopings für vier Jahre. Diese Peinlichkeit für das Sportsystem Qatars war aber nur der Anlass; der wahre Grund für das beispiellose Abwatschen des IOC-Mitglieds Reedie war, dass es sich gegen das IOC gestellt hatte, als das staatlich geförderte Doping im russischen Sport und dessen Manipulation von Doping-Proben herauskamen.

Im Gegensatz zu Bach forderte Reedie den Ausschluss der kompletten russischen Olympia-Mannschaft von den Olympischen Spielen in Rio. Die Attacke nun kommt überraschend, da Thomas Bach der Wada gerade noch eine halbe Million Dollar für den McLaren-Report anweisen ließ, die Fortsetzung der Doping-Untersuchungen in Russland.

Ein Präsident, der den Zumutungen entgegentritt

Öffentlich hat er sich einverstanden erklärt mit einer zweiten Amtszeit Reedies. Offenbar wird in olympischen Zirkeln angenommen, der Präsident der Wada könne, nein: müsse wenn schon nicht die Resultate von Leistungs- wie von Doping-Tests, dann doch wenigstens deren Veröffentlichung gemäß dem Terminplan der olympischen Honoratioren steuern.

Besorgniserregend ist der Verdacht, dass die Versammlung mit ihren maßlosen Angriffen den ersten Mann der weltweiten Doping-Bekämpfung auf handhabbares Format gestutzt hat. Reedie erweckt, auch mit seiner Entschuldigung, den Eindruck, dies sei gelungen.

Viel Zeit ist nicht, aber man muss die Unverschämtheiten von Qatar wörtlich nehmen. Es gilt, die Wada zu stärken: mit einem Präsidenten, der den Zumutungen der Sportorganisationen entgegentritt.

Michael Reinsch in  der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 18. November 2016

Michael Reinsch  

author: GRR

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