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2023

Markus Görger auf dem Weg zum Titel, dahinter Filmon Teklebrhan-Berhe - Foto: Wilfried Raatz

Favoritensiege im Matsch von Perl + Markus Görger sichert sich in souveräner Manier den EM-Startplatz – Elena Burkard mit Spurtstärke zur Meisterschaft vor Eva Dieterich und Lisa Tertsch – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

   Jens Mergenthaler krönt starke Saison mit Mittelstreckentitel

Einige Spikes lagen vergraben im „Sumpf“, andere achtlos mit einer dicken Matschschicht in die Ecke am Eingang der Sporthalle des Schengen-Lyzeums – allesamt Beleg für „kerniges“ Geläuf bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Perl im Landkreis Merzig Wadern an der deutsch-luxemburgischen Grenze. Erfahrene Mittel- und Langstreckenläufer und -Trainer mögen sich vielleicht noch an das Schwimmbadgelände in Sindelfingen erinnern, als ähnlich „nahrhafte“ Bedingungen bei den „Deutschen“ vorherrschten.

Werner Klein, Teamleiter für Lauf und Gehen beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und örtlicher Wettkampfleiter, hatte nach den tagelangen Regenfällen in den letzten Wochen „ehrliche Bedenken“, dass die insgesamt elf Laufwettbewerbe mit rund 800 TeilnehmerInnen auf der Originalstrecke überhaupt stattfinden können, zumal man die Titelkämpfe des Saarländischen Leichtathletik-Bundes zwei Wochen zuvor als Vorsichtsmaßnahme schon einmal abgesagt hatte. Doch um es vorweg zu sagen: Das Gelände hätte nicht besser sein können, schließlich war das aufgeweichte, leicht profilierte Parcoursgelände selbst bei Stürzen keine besondere Unfallgefahr.

Alleine die weitläufige Streckenführung im Brachland hinter dem Schengen-Lyzeums war nur bedingt zuschauerfreundlich, hätte nicht die Wendepunktstrecke bei Start und Ziel für ausreichendes Rennfeeling gesorgt. Zuschauer waren ehedem kaum anzutreffen, denn einmal mehr war es ein Familientreffen der laufaffinen Leichtathleten.

Spannend verliefen mit nur wenigen Ausnahmen die Wettbewerbe, nicht zuletzt, weil so manches Laufass wegen anderweitiger Saisonplanung nicht am Start war und somit die Chance für andere eröffneten. Allerdings muss aber auch gesagt werden, dass die nationale Spitze in verschiedenen Altersstufen in den letzten Jahren doch merklich ausgedünnt scheint. Schwarz auf weiß werden dies die DLV-Verantwortlichen bei den nun in zwei Wochen in Brüssel anstehenden Europameisterschaften feststellen müssen, wenn die kontinentale Elite ihre Besten ermittelt. Ein starkes Ergebnis wie dies im Vorjahr nahe Turin mit Team-Gold für die Frauen sowie drei weiteren Medaillen und einigen weiteren Top 8-Platzierungen in der Bilanz stand, das wird auch ohne Schwarzmalerei keinesfalls der Anspruch des DLV-Teams sein dürfen. Im Vorfeld von Europameisterschaften und Olympischen Spielen sind viele unserer Tops bereits abgetaucht in die erste Vorbereitungsphase mit einer Höhenmaßnahme bzw. leider noch verletzt.

Aber auch die zahlenmäßige Größe ist bei Crossmeisterschaften nicht mehr vorhanden. Zeiten, in denen die Teilnehmerzahlen über der 1000 Meldungen-Marke lag, gehören der Vergangenheit an. Von den deutlich über 850 Anmeldungen erreichten in Perl lediglich 731 das Ziel, nahezu gleichmäßig verteilt auf 249 Jugendliche, 254 Aktive (mit U23) und 228 Mastersläufer. Mag sein, dass für viele Langstreckler das Laufangebot der Straßen-Veranstaltungen attraktiver erscheint als die in den Wintermonaten zu legenden Basics mit Kraft-/Ausdauer, Willensschulung und Wettkampfhärte bei Crossläufen.

Erfolgreichstes Jahr findet für Jens Mergenthaler ein (zu)schnelles Ende

Vor Wochenfrist stellte sich das im Vorjahr bei den Europameisterschaften als Vierte so stark präsentierte Quartett Elena Burkard, Nele Weßel, Jens Mergenthaler und Marc Tortell in Darmstadt erneut zur EM-Qualifikation, wenngleich allerdings schon feststand, dass Nele und Marc Trainingslager in Südafrika bzw. Kenia geplant hatten. Mangels anderer Bewerber war zumindest der weibliche Anteil an der Mixed-Staffel schon fraglich, während Jens mit guten Hoffnungen in Richtung Brüssel blickte und Marc noch zu einem Kompromiss zugunsten eines Staffeleinsatzes bereit war. Doch beim DLV hatte man schon vor Perl die Reißleine gezogen und einen möglichen Start (mit wem auch immer) gekippt hatte. „Was sollen wir tun, wenn das Interesse an einem EM-Start vor allem bei den Frauen zu gering ist“, rechtfertigte sich Werner Klein auf Nachfrage, schließlich fehlte den weiter in Darmstadt angetretenen Läuferinnen die geforderte Zusatzqualifikation einer schnellen 1500 m-Zeit.

In welch starker Form Jens Mergenthaler und Marc Tortell in Perl zu Werke gingen, das jedenfalls überzeugte.

Alleine ein kampfstarker Konstantin Wedel, der inzwischen auch ins Marathonlager gewechselte Hindernisläufer, konnte den beiden auf der 4.350 m langen Mittelstrecke Paroli bieten. Ständiger Führungswechsel, ein Sturz von Marc und ein furioser Schlussspurt brachte Jens Mergenthaler jedoch die erfolgreiche Titelverteidigung. Mit 12:11 Minuten lag der Läufer der LG farbtex Nordschwarzwald sechs Sekunden vor Konstantin Wedel und sechs weitere vor Marc Tortell. „Ich wußte, dass ich mich auf meinen Spurt verlassen konnte, letzte Woche konnte ich ja schon in Darmstadt meine Sprintfähigkeiten beweisen!“ Der Meistertitel konnte ihn allerdings etwas hinwegtrösten, denn aus dem geplanten EM-Start mit der Mixed-Staffel wurde es final doch nichts. „Schade, ich hätte diese EM gerne noch zum Abschluss meiner bislang erfolgreichsten Saison sehr gerne mitgenommen“, so der Hindernis-Studenten-Weltmeister.

 

U20-Spitze mit Lukas Ehrle vor Tristan Kaufhold – Foto: Wilfried Raatz

Einen zweiten Titel gab es für Jens Mergenthaler mit seinem Club-Team, denn im Verbund mit dem unverwüstlichen Timo Benitz (Siebter) und Henri Hansert (Elfter) schafften die Schwarzwälder mit 19 Punkten einen klaren Mannschaftssieg vor der LG Region Karlsruhe mit Felix Wammetsberger (Fünfter) und Christoph Kessler (Achter) mit 27 Punkten. Der LSC Höchstadt schaffte es trotz des viertplatzierten Niklas Buchholz nur auf Rang fünf.
Markus Görger per „Autopilot“ zum Langstreckentitel

Dafür klappte es für den LSC umso besser auf der Langstrecke über 9.700 m, denn Nick Jäger (Fünfter), 5000 m-Meister Florian Bremm (Achter) und Doppelstarter Niklas Buchholz gewannen mit 31 Punkten die Mannschaftsmeisterschaft vor dem TSV Bayer Leverkusen.

An der Spitze des Rennens demonstrierte nach anfänglichem Duell mit Filmon Teklebrhan-Berhe der Karlsruher Markus Görger seine Extraklasse. Wie schon zuvor in Pforzheim war der 25jährige mit Wohnort im nahen Elsass der überlegene Starter auf der längsten Distanz des Tages und rehabilitierte sich für seinen Fauxpas des Vorjahres, als er in der Schlussrunde aus dem Rennen gegangen war und somit den Cross-EM-Einsatz verpasste. „Wenn ich ehrlich bin, ich habe gerade in der Schlussphase an das Rennen im Vorjahr gedacht. Es lag mir an Herzen, diesmal zu Ende zu laufen. Für mich ist dies immerhin der erste Meistertitel bei den Männern!“

Sommerhöhepunkte fanden zumeist ohne Markus Görger statt, denn Verletzungen bremsten ihn immer wieder aus. „Wir haben im Training einige neue Bausteine hinzugefügt, um meine Instabilität zu minimieren. Heute hat es mir wirklich viel Spaß gemacht, auch wenn wir wegen des hohen Tempos von Filmon sehr schnell angelaufen waren. Dadurch habe ich allerdings meinen Rhythmus gefunden und konnte ich in der zweiten Streckenhälfte mit gleichmäßigem Tempo einen Vorsprung herauslaufen!“ Praktisch mit „Autopilot“ spulte Markus Görger seinen Flug über die Matschpiste herunter, letztlich 46 Sekunden betrug der Vorsprung des Karlsruhers vor Filmon Teklebrhan-Berhe und weiteren drei Sekunden vor Davor Aaron Bienefeld, der mit dem tiefen Geläuf nicht zurechtkam und wie im Vorjahr Dritter wurde. Dichtauf folgten die heranstürmenden Maximilian Thorwirth und Nick Jäger vor Doppelstarter Konstantin Wedel.

Frauen-Trio auf EM-Kurs: Elena vor Eva und Lisa

Starkes Frauentrio mit Eva Dieterich Lisa Tertsch und Elena Burkard – Foto: Wilfried Raatz

Drei Läuferinnen bestimmten nahezu vom Startschuss weg das Renngeschehen der Frauen über 6.800 m: Eva Dieterich, Elena Burkard und die eigentliche Triathletin Lisa Tertsch überließen nichts dem Zufall und sorgten für durchweg flottes Tempo, dem die U23-Läuferinnen Anneke Vortmeier, Lisa Merkel und Mia Jurenka letztlich auch rasch zum Opfer fielen und ihr eigenes Rennen in der Verfolgung bestreiten mussten. Zumeist war es Eva, die das Tempo bestimmte, Lisa und vor allem Elena im Schlepp. Am letzten Anstieg zog Elena Burkard ihren bereits in Darmstadt geübten Schlußspurt an und lief mit drei Sekunden Vorsprung vor Eva über die Ziellinie. Die bereits das Olympiaticket im Triathlon in der Tasche habende Lisa Tertsch wurde neun Sekunden dahinter Dritte und darf sich auf die Cross-EM freuen. „Platz drei war mein Ziel und dafür habe ich auch hart trainiert!“ freute sich die 25jährige Darmstädterin, die bereits als U23-Juniorin die deutschen Farben bei Cross-Europameisterschaften vertreten konnte.

„Meinen Spurt habe ich in Darmstadt geübt, heute hat es wieder sehr gut geklappt! Mein Ziel war es, so lange wie möglich an Eva dranzubleiben. Nach diesem missratenen Sommer komme ich allmählich wieder auf ein gutes Niveau und freue mich nun auf Brüssel!“ freute sich Elena Burkard über ihren dritten Langstreckentitel nach 2018 und 2019. Und Eva Dieterich? „Wenn ich vorne laufen, kann ich die Richtung und das Tempo bestimmen. Natürlich bin ich zufrieden“, so der Schützling von Isabelle Baumann, der sich übrigens bei den Crossmeisterschaften in Sonsbeck 2021 den Titel mit Domenika Mayer nach einem Zieleinlauf auf gleicher Höhe teilen musste.

Ein klasse Rennen lieferten sich im Wettbewerb der Frauen, Juniorinnen und Mastersläuferinnen bis W45 die beiden U23-Favoritinnen Lisa Merkel, Mia Jurenka und Anneke Vortmeier, die final nur 12 Sekunden auseinander lagen und ein starkes u23-Gerüst für Brüssel bilden werden, als Vierte steht die stark verbesserte Jessica Keller als Overall-Elfte auf dem Sprung in die Nationalmannschaft.

Gegen die zumindest zwanzig Jahre jüngere Konkurrenz hatten die schnellsten Masters-Frauen einen überaus schweren Stand. Anna-Lina Dahlbeck gewann nach 26:46 Minuten die W40 vor Hanna Tempelhagen (36:56) und der W45-Meisterin Simone Raatz (27:10), die im schweren Parcours von Perl ihren 23. Mastertitel gewinnen konnte.

Jubeln durften die Frauen der LG Region Karlsruhe, die mit Lisa Merkel, Amélie Svensson und Céline Kaiser mit 64 Punkten und einem einzigen Zähler Vorsprung den Titel vor dem TSV Bayer Leverkusen (65) und dem LV Pliezhausen (69) gewinnen konnten. Das war neben Markus Görger und Lisa Merkel der dritte Titel für die Nordbadener, dem die U23-Junioren um Mathias Vergotte (Neunter) einen weiteren hinzufügen konnten.

Im Berglauf und im Cross Spitze: Lukas Ehrle

Nach einem über weite Strecken taktischen Rennen gewann Benjamin Dern die U23-Meisterschaft über 7.800 m mit sieben Sekunden vor Roman Freitag und dem zeitgleichen Theodor Schucht. Benjamin hatte im vergangenen Jahr hinter dem heuer leider vorzeitig ausgeschiedenen Kurt Lauer die U20-Vizemeisterschaft gewonnen.

Dritter war im vergangenen Jahr noch der eigentliche Berglauf-Spezialist Lukas Ehrle, der nach dem Altersklassenwechsel von Lauer und Dern zusammen mit Tristan Kaufhold nun die Favoritenrolle bei den U20-Junioren inne hatte. Und der Berglauf-WM-Vierte war auf dem schweren Geläuf in seinem Element und drückte dem Rennen über 6.800 m seinen Stempel auf. „Das Rennen war für mich perfekt, denn der Kurs mit den vielen Up- und Down-Passagen und den Matschpassagen liegt mir und ich konnte das Tempo hochhalten. Tristan hat zwar lange gegengehalten, aber ich konnte mich doch gegen Ende des Rennens gut lösen!“ so Lukas Ehrle, der im Ziel 21 Sekunden Vorsprung auf Tobias Tent und Jonas Weschle herausgelaufen hatte. Und Tristan Kaufhold? Er hatte wegen Seitenstiche das Tempo etwas drosseln müssen und landete letztlich auf dem für die EM Nominierung wichtigen vierten Rang.

Dramatisch ging es hingegen bei der weiblichen U20 zu.

Die Vorjahresfünfte Carolin Hinrichs hatte den besten Spurt und gewann über 4.350 m in 14:39 Minuten knapp aber sicher gegen die letztjährige U18-Zweite Franziska Drexler (14:43) und Carolina Schäfer 814:44). Die für den ausrichtenden LC Rehlingen startende Hannah Rödel wurde Vierte vor der deutschen R5K-Tour-Siegerin Linda Meier und Adia Budde, die zwischenzeitlich mit in Führung liegend ihren Schuh verlor und sich bis auf Rang sechs wieder vorkämpfen konnte. Mit Kira Weis fehlte die eigentliche Favoritin wegen einer Erkältung, konnte sich aber bereits beim Pforzheim-Cross das EM-Ticket sichern.

Erfolgreiche Titelverteidigung für David Scheller

Mit weit ausgebreiteten Armen lief David Scheller über die Ziellinie. Verständliche Freude, schließlich gelang dem 17jährigen der LG Main-Spessart mit einem knappen Sieg vor Lenny Fred Riebe und Louis Bianchin die erfolgreiche Titelverteidigung über die 4.350 m-Distanz. Bei den U18-Mädchen gewann Shirin Kerber im Trikot des LC Rehlingen in souveräner Manier vor Emily Junginger, lera Miller und Julia Ehrle, die am Start gestürzt war und dem Feld hinterhereilen musste. Die junge Rehlinger hatte dabei das Cross-EM-Ticket bereits vor dem Startschuss in der Tasche, denn dort wird sie ihr Heimatland Schweiz vertreten.

Monika Carl, Danny Schneider und Claudius Pyrlik beste Mastersläufer in den separaten Läufen

Den Auftakt zum elf Läufe umfassenden Meisterschaftsprogramm machten am Samstagmorgen die Mastersklassen M65 bzw. W50 und älter über 4.350 m. Dabei lief Monica Carl ein einsames Rennen an der Spitze und gewann nach 16:10 Minuten. Gegen Ende kam M65-Sieger Ludwig Lang sogar noch bis auf drei Sekunden an die für die LG Welfen startende Läuferin heran.

Auf dem total durchwühlten Gelände bildeten die jüngeren Mastersläufer den Schlußpunkt. Danny Schneider lief über die 5.800 m lange Strecke starke 18:43 Minuten und lag damit deutlich vor M40-Sieger Tobias Giering (18:59), während bei den M50-Masters (4.350 m) Claudius Pyrlik in 14:57 Minuten den Ton angab. Johannes Ritter (M55) und Reinmund Hobmaier (M60) holten sich in diesem Lauf die letzten Meistertitel.

Wilfried Raatz

 

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